Religiöse Kinder unterscheiden schlechter zwischen Fiktion und Wahrheit

Kinder mit einem religiösen Hintergrund halten Geschichten, die übernatürliche Elemente enthalten, eher für wahr als Kinder mit säkularem Hintergrund. Das geht aus einer Studie amerikanischer Wissenschaftler hervor.
Von PRO
Religiös erzogene Kinder haben Probleme, Wahrheit und Fiktion auseinanderzuhalten, besagt eine amerikanischer Studie

Kinder hören von Personen oft in Form von Geschichten. Seien es nun Aschenputtel und Tom Sawyer oder George Washington und Rosa Parks. Die einen sind erfundene Personen, die anderen haben wirklich gelebt. Das Wissen darüber, was real und was fiktional ist, wird offenbar stark davon beeinflusst, wie religiös die Kinder erzogen werden. Das legt die Studie „Urteile über Fakt und Fiktion von Kindern mit religiösem und nichtreligiösem Hintergrund“ nahe, die vor kurzem im Fachjournal „Cognitive Science“ erschienen ist.
Kathleen H. Corriveaua von der Universität Boston, Eva E. Chenb von der Universität für Wissenschaft und Technik in Hong Kong, und Paul L. Harrisc aus Harvard hatten Kinder zwischen 5 und 6 Jahren mit drei verschiedenen Arten von Geschichten konfrontiert: eine religiöse mit göttlichem Eingreifen, eine fiktionale ohne göttliche Beteiligung und eine realistische ohne übernatürliche Vorkommnisse. Anschließend sollten die Kinder darüber entscheiden, ob sie die Hauptpersonen für real hielten oder nicht.
Bei realistischen Geschichten dachten die Kinder, die Hauptperson sei eine reale Person. In religiösen Geschichten, die unrealistische Elemente enthielten, die nur durch etwas Übernatürliches passieren konnten, variierten die Ansichten über die Hauptperson, je nachdem, wie religiös die Kinder waren. Kinder, die regelmäßig zur Kirche oder in eine Sonntagsschule gehen, hielten die Personen in unrealistischen Geschichten eher für eine reale Person als Kinder ohne religiösen Hintergrund.
Die Erziehung der Kinder beeinflusste auch die Einschätzung der Kinder, wenn es sich um eine fiktionale Geschichte mit übernatürlichen Vorkommnissen handelte. Kinder mit säkularem Hintergrund tendierten eher dazu, bei einer fiktionalen Geschichte mit Elementen der Magie zu entscheiden, dass die Hauptperson offenbar eine fiktionale Figur sei. „Die Ergebnisse legen nahe, dass das Ausmaß der Religiosität einen starken Einfluss darauf hat, wie Kinder zwischen Realität und Fiktion unterscheiden, nicht nur bei religiösen Geschichten, sondern auch bei fantastischen“, heißt es in der Studie.

Sind Kinder „intuitive Gläubige“?

In Amerika haben laut einer Studie des PEW Forums 84 Prozent der Familie einen religiösen Hintergrund. Der Anteil an Kindern, die nie in die Kirche gehen, beträgt den Forschern zufolge nur 16 Prozent. Die meisten Kinder in Amerika kommen also häufiger mit biblischen Geschichten in Kontakt. Normalerweise müssten Kinder anhand von Wundergeschichten annehmen, dass es sich um fiktionale Handlungen handelt, so die Annahme. Doch Kinder akzeptieren die Einstellung der Eltern dazu, die vielleicht in den zunächst unmöglich scheinenden Geschichten wahre Geschichten sehen. Gott ist nicht den selben Naturgesetzen unterworfen, wie es Menschen normalerweise sind.
Bereits der amerikanische Psychologe Justin L. Barrett beschrieb in seinem Buch „Born Believers“ (2012) Forschungsergebnisse, nach denen Kinder in der Welt eine von Gott geschaffene Umgebung sehen, in der alle Dinge einen Zweck erfüllen. Kinder, so das Ergebnis der Studie, seien demnach „intuitive Gläubige“.
Beim ersten Versuch gab es zunächst drei Gruppen mit Kindern, die religiösen Unterricht genossen hatten. Eine vierte Gruppe nahm an einem nicht-religiösen Unterricht teil, und deren Kinder gingen auch nicht mit ihren Familien in die Kirche. Die Kinder aller vier Gruppen wurden mit Geschichten von drei verschiedenen Arten konfrontiert. Beispielsweise wurde ihnen eine Geschichte von Joseph erzählt. in der religiösen Version hieß es: Joseph wurde zu einem bösen König in einem fernen Land geschickt. Gott sandte Joseph einen Traum, in denen er ihn vor einem großen Sturm warnte. Weil er den König warnte, wurden er und der König gute Freunde. In der fantastischen Geschichte hatte Joseph hingegen von sich aus magische Kräfte und konnte Stürme vorhersagen. Auch hier wurden er und der König gute Freunde. In der realistischen Geschichte hieß es dann, Jospeh sei einfach gut darin, die Wolken richtig zu interpretieren und Sturm vorherzusagen. Religiöse Kinder hielten die Personen der religiösen Geschichten signifikant häufiger für reale Personen als Kinder ohne religiösen Hintergrund. Dies widerspricht der These von den „intuitiven Gläubigen“. „Beide Studien zeigen, dass die religiös erzogenen Kinder weniger gut die Charaktere in den erfundenen Geschichten beurteilen können“, schreiben die Wissenschaftler. (pro)

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