Rekrutenjäger für den „Heiligen Krieg“

"Du musst nur kreativ sein, dann kannst du ihnen alles erzählen", sagt Djamal. Als radikaler Islamist rekrutierte er in Hamburg junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren für den "Heiligen Krieg". Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet über dieGeschichte von Djamal, dem Jäger, und Bora, der "Beute".
Von PRO

Es war immer dieselbe Strategie: Djamal kommt mit ein paar Kollegen, seinen Brüdern, ins Schischa-Café, sie setzen sich, reden über Gott und den Sinn des Lebens. Wer interessiert schaut, den laden sie ein, sich dazuzusetzen. Besonders Jungs aus Einwandererfamilien, die in Deutschland geboren und traditionell islamisch erzogen wurden, seien "leichte Beute", berichtet der "Spiegel" über Djamals Rekrutierungen für die verbotene islamistische Organisation Hisb ut-Tahrir. Oft legten sie sich den Islam selbst zurecht. Sie wüssten, was laut Koran erlaubt und verboten ist, aber richteten sich nicht ernsthaft danach. Deshalb hätten die Jugendlichen immer ein schlechtes Gewissen und seien für den "Heiligen Krieg" gut zu "catchen", wie es in der Sprache der Szene heißt, also zu fangen.

"Sie glauben an Gott, der Rest ist einfach", sagt Djamal im "Spiegel". Die Gespräche mit den potentiellen Opfern trainierten die Brüder um Djamal in Rollenspielen. Djamal selbst übte mit einem Rhetorik-Handbuch, las Reden des Reichskanzlers Bismarck und des Sozialdemokraten Scheidemann. An Beispielen wie dem genetischen Fingerabdruck machte Djamal seinen jungen Zuhörern im Café klar, dass der Koran die Wahrheit sei: "An euren Fingerspitzen wird man euch eines Tages erkennen", stehe da. Der Koran habe das also schon vor mehreren hundert Jahren gewusst. Dieser Trick funktioniere immer, erzählt Djamal, damit habe er alle gefangen.

"Der Zweifel ist vom Teufel"

Bora, den Djamals Kollegen rekrutierten, habe nicht aufhören können, ihnen zuzuhören, berichtet er im "Spiegel". Sie seien anders gewesen – friedlich, brüderlich, ruhig. Und sie hätten nicht über Frauen und Fußball geredet, wie seine Kumpels, sondern vom Sinn des Lebens und der Existenz Gottes. Die Brüder zwangen niemanden dazu, islamisch zu leben. Sie überzeugten und setzten auf die Bindungskraft der Gruppe, macht der Artikel deutlich. Boras sagt: "Sie haben uns nie gezwungen, es waren nur Empfehlungen" – nicht mehr das Horoskop zu lesen, weil nur Allah das Verborgene kenne; den Glücksbringer abzulegen, weil Allah das Schicksal vorherbestimme; einen Bart wachsen zu lassen, weil das ein Zeichen für Wissen sei; Muslim zu sein, damit die Sünden aus der Zeit davor, der Unwissenheit, vergessen würden; im Leben Bonuspunkte zu sammeln, um im Himmel dafür belohnt zu werden. Wenn Bora zweifelte, erklärten seine neuen Freunde ihm, dass das vom Teufel komme, berichtet er. Sie nahmen ihn in die Clique auf, riefen ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit an, verbrachten die Freizeit mit ihm.

Als seine neuen Freunde ihn dazu aufforderten, "für seine Brüder und Schwestern in Not, für die Organisation" Geld zu spenden, sei er misstrauisch geworden und habe den Kontakt abgebrochen. "Zwei Monate später wäre ich vielleicht schon zu tief drin gewesen und im Ausbildungslager gelandet", sagt Bora. Auch Djamal stieg aus der Szene aus, weil er sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlte, erzählt er. Jetzt gehe er zum Beten in eine andere Moschee, wo es "viel Ruhe und wenig Politik" gebe. Er suche sinnvollere Aufgaben, bei der Bundeswehr habe er sich nun beworben. (pro)

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