So voll war es vor der Hauptbühne der Netzkonferenz „Republica“ selten: Nicht nur auf allen Stühlen, auch auf dem ungemütlichen Betonboden haben Hunderte Platz genommen, um Heidi Reichinnek zu hören. Die Linken-Chefin hat ihre Partei mit wehenden Fahnen in den Bundestag geführt und besonders bei jungen Menschen gepunktet. Das liegt nicht nur an ihrer Politik, sondern auch an ihrem Social Media-Auftritt.
Noch zwei Minuten vor ihrem Auftritt auf der „Republica“-Bühne nahm sie ein Reel auf, wie Moderator Johnny Häusler bewundernd berichtete. Ein Grund mehr für das netzaffine Publikum, die Politikerin zu feiern – obwohl es ihr nicht gelang, ernste Vorwürfe, etwa zum Thema „Antisemitismus bei der Linken“ zu entkräften.
Gegen Antisemitismus, aber nicht gegen BDS
So fragte Häusler, wie es denn um das Thema bestellt sei. Reichinnek: „Natürlich sind wir gegen Antisemitismus.“ Gleich setzte sie nach, sie sehe es kritisch, wenn es etwa Demonstrationsverbote an Universitäten gebe, offensichtlich eine Anspielung auf die antiisraelischen, aber eben auch antisemitischen Ausschreitungen etwa an der Humboldt-Universität in Berlin. Stattdessen, so Reichinnek, solle man doch darüber nachdenken, Schüler zu Besuchen in Holocaust-Gedenkstätten zu verpflichten. Eine solche Debatte sei sinnvoller als Verbote.
In diesem Stil geht es weiter: Sie stehe hinter dem Existenzrecht Israels. Dennoch sei sie froh, dass der Linken-Parteitag die „Jerusalemer Erklärung“ angenommen habe, statt der allgemein in Deutschland geltenden Antisemitismusdefinition. Die „Jerusalemer Erklärung“ unterscheidet sich von letzterer etwa darin, dass sie die Boykott-Organisation BDS nicht als antisemitisch einstuft. Die Linke war für dieses Bekenntnis unter anderem von jüdischen Organisationen hart kritisiert worden.
Reichinnek: „Ich bin kein Fan von Boykotten.“ Doch es sei auch gar keine Frage, dass die israelische Regierung in Palästina „ethnische Säuberungen“ durchführe, wenn sie Menschen umsiedeln wolle. Sie sei für eine Zweistaatenlösung, die Hamas sei zu verurteilen, aber die Regierung unter Netanyahu begehe Verbrechen.
Als Moderator Häusler sein Unbehagen mit der Partei bei diesem Thema äußerte, antwortete sie: Ja, es gebe Antisemitismus in der Linken, so wie in der Gesamtgesellschaft auch, aber die Partei sei immer dagegen vorgegangen. Zumindest Reichinneks Auftritt auf der „Republica“ war kein Zeugnis dafür.