Die Reformation ist ein Beispiel für ein Zusammenleben, in dem Differenzen nicht verneint werden, aber trotzdem ein friedlicher Umgang gewahrt wird. Zu diesem Ergebnis sind die Redner einer Podiumsdiskussion über die globale Wirkung der Reformation gekommen.
Der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, erkennt „Christus in der Mitte“ als den „Ur-Impetus“ der Reformation
Der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, erklärt auf einer Podiumsdiskussion in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin: „Der Blick zurück auf die Reformation vor 500 Jahren bedeutet, neu die Frage nach Vielfalt und Einheit zu stellen“. Die Reformation habe zwar die Spaltung der abendländischen Christenheit gebracht, dabei aber gleichzeitig den Punkt zur Diskussion gebracht, wie Christen verschiedener Konfessionen „in Frieden und konstruktiv miteinander umgehen“ können. Die Reformation habe die Aufgabe gestellt, den „einen Kosmos differenzierter zu sehen“ und die Frage aufgeworfen, „wie gehen wir mit Vielfalt um“.
Die Reformation ist für Schad ein Beispiel dafür, „wie man einerseits Differenzen nicht nivelliert, sondern zu ihnen steht und andererseits versucht, auf einer gemeinsamen Basis zivilisiert friedfertig miteinander umzugehen“. Der Protestantismus wehre sich im Gegensatz zum Islamismus dagegen, Religion und Gewalt in einem Zusammenhang zu sehen.
„Ur-Impetus“ der Reformation
Aus der Distanz gesehen sei es dem Reformator Martin Luther nicht darum gegangen, die Kirche zu spalten. „Wenn wir 2017 zum ersten Mal im Blick auf die Jubiläen weder konfessionalistisch verengt, noch nationalistisch verengt feiern, sondern sagen, wir wollen ein ökumenisches Christusfest feiern, dann tun wir genau dies, was Impetus Luthers war, nämlich das ‚solus Christus‘, Christus allein in das Zentrum zu rücken.“ Nach Schads Meinung ist die Reformation erst dann vollendet, wenn auch der „Ur-Impetus“ der Reformation, Christus in die Mitte zu stellen, von den Kirchen wieder wahrgenommen würde. „Das ist für mich ein Ruf zu Ökumene“, sagte der Kirchenpräsident.
Der Theologe sprach sich dafür aus, in der aktuellen Situation, in der zahlreiche Flüchtlinge Hilfe benötigten, auch alle anderen Menschen „in prekären Situationen im Blick zu haben“. Die Kirche bezeichnete Schad als eine der ältesten „Global Player und Global Prayer“.
An der Podiumsdiskussion beteiligten sich auch der ARD-Fernsehjournalist Klaus Scherer und der rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers. Die Veranstaltung unter dem Titel „Was kann aus der Provinz schon Gutes kommen? Vom Protest in Wittenberg zum Protestantismus in der Welt“ zur Wirkung der Reformation moderierte Harald Asel vom Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Luther, Böhmermann und der Paragraph 103
Der rheinland-pfälzische Justizminister Robbers, der auch Beauftragter seiner Landesregierung für das Reformationsjubiläum ist, verwies auf die Wirkung der neuen Medien in der globalisierten Welt. „Was man hier sagt und tut, hat auf der anderen Seite der Welt sofort Konsequenzen in Echtzeit.“ Die sei erkennbar am Fall um den Satiriker Jan Böhmermann. Mit diesen neuen Herausforderungen gelte es, in der einen Welt zurecht zu kommen. Für Robbers ist die Reformation „ein Lehrbeispiel für Vielfalt und wie man damit umgehen kann und muss“. Die Normen des Grundgesetzes sind nach Auffassung Robbers „unmittelbar Ausdruck aus der Erfahrung, die wir aus reformatorischem Geschehen lernen können“.
Bei der Diskussion gingen die Gesprächsteilnehmer der hypothetischen Frage nach, ob Luther auf dem Reichsstag in Worms, wenn es damals den Paragrafen 103 Strafgesetzbuch bereits gegen hätte, hätte angeklagt werden können wegen Beleidigung von Vertretern und Organen ausländischer Staaten. Die Satire von Böhmermann über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan nannte Schad „ekelhaft“ und „unter der Gürtellinie“. Sie habe mit „einem zivilisierten Umgang mit einem anderen, auch einem Fremden gegenüber, überhaupt nichts zu tun“.
Robbers wollte zu dem konkreten Fall keine Stellung beziehen. Das eigentliche Schutzgut, auf das der Paragraph 103 abziele, seien die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, nicht die derzeit in den Medien oft zitierte Majestätsbeleidigung. In der vernetzen Welt würden Äußerungen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten unterschiedlich aufgefasst, erklärte Robbers. Unabhängig von dem konkreten Fall Böhmermann müssten dafür Lösungen gefunden werden. „Die Vorstellung, dass man die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Satire, überall so haben müsste wie bei uns, das ist schon eine Fragestellung“, sagte der Jurist. Als in Amerika ein Mensch einen Koran verbrannt habe und das im Internet gepostet hätte, seien in Ägypten die Leute auf die Straße gegangen und hätten sich „gegenseitig totgehauen“. Nach Auffassung Robbers gelte es, in Zukunft die Umstände durch die neue Art der Medien und der Vernetzung mit in Rechnung zu stellen. (pro)
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