Rechts-Sicherheit im Web

Nach den Anschlägen in Norwegen diskutieren die Deutschen darüber, wie das Netz sicherer vor rechtsextremen Inhalten werden kann. Die einen wünschen sich mehr "Cyber-Polizei", die anderen die Einführung eines Notfall-Buttons. Fakt ist: Fanatische Nationalisten sind im Web 2.0 präsenter als je zuvor.

Von PRO

In einem sind sie sich alle einig: Der Kampf gegen Rechte im Netz muss verstärkt werden. Das forderten in den vergangenen Tagen Grünen-Chefin Claudia Roth, SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles oder Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Nahles etwa erklärte gegenüber der "Rhein-Zeitung": "Wir müssten mehr Polizeibeamte einstellen, die die rechtsradikale Szene im Internet beobachten können." Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte am Montag erklärt, dass eine lückenlose Überwachung des Internets angesichts des Datenvolumens nicht zu leisten sei. Anlass der Debatte sind die Anschläge in Norwegen vom vergangenen Freitag, bei denen 76 Menschen starben. Der geständige Attentäter Anders B. hatte selbst das Netz genutzt, um sein rechtsideologisches Gedankengut in Form eines Manifests zu verbreiten.

Cyber-Polizei und Panic-Button

Sogenannte "Cyber-Cops" gibt es in Deutschland schon seit längerem. Seit 1999 ist etwa die "Zentralstelle für anlassunabhängige Recherche im Datennetz" aktiv. Ihr Auftrag besteht nach eigenen Angaben darin, ohne konkreten Anlass im Internet nach strafbaren Inhalten zu suchen. Nach Angaben der Zeitung "Die Welt" hat die Abteilung aber nur zehn Mitarbeiter. Davon zu unterscheiden ist das "Gemeinsame Internetzentrum", das 2007 in Berlin infolge der Anschläge des 11. Septembers 2001 eingerichtet wurde. Hier werten rund 50 Mitarbeiter das Internet aus – allerdings mit Schwerpunkt Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Im Zentrum arbeiten Mitarbeiter des Bundesverfassungsschutzes, Bundeskriminalamtes, Militärischen Abschirmdienstes, Bundesnachrichtendienstes und des Generalbundesanwalts. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz selbst ermittelt im Internet. Auch auf Länderebene arbeiten Cyber-Polizisten daran, das Internet sicherer zu machen, etwa in Hannover oder Bayern.

Kriminalbeamte haben zudem einen Alarmknopf für das Internet gefordert, mit dem Nutzer extremistische Inhalte unmittelbar melden könnten. Wer im Internet etwa rechtsradikale Inhalte entdecke, müsse die Seite einfrieren und an eine Alarmzentrale weiterleiten können, sagte der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Klaus Jansen, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ein in Echtzeit übermittelter Notruf im Netz sei schneller und effektiver als ein Anruf bei der örtlichen Dienststelle, die damit unter Umständen wenig anzufangen wisse. Eine dazu nötige Software lasse sich problemlos auf dem eigenen Rechner installieren. Der Alarm ginge dann bei einer "nationalen Zentrale" ein, "die rund um die Uhr mit speziell geschulten Polizisten, Soziologen oder Psychologen besetzt ist". Solche Pläne seien bereits an die EU-Kommission weitergeleitet worden, damit diese das Notrufsystem möglichst rasch in allen Ländern Europas etablieren könne. Die "Tagesschau" weist darauf hin, dass es einen solchen Alarmknopf bereits gibt: So biete unter anderem die Initiative "White IT" gegen Kinderpornografie im Internet einen Plugin für die Browser "Firefox" und "Internet-Explorer" an. Die monierten Seiten liefen bei der Internetbeschwerdestelle ein, die unter anderem der Verband der deutschen Internetwirtschaft "eco" eingerichtet hat.

Erst in der vergangenen Woche, noch vor dem Doppelanschlag in Norwegen, hatten Jugendschützer in Berlin vor einer zunehmenden Gefahr durch Rechtsradikale im Internet gewarnt. Mehr und mehr verlagerten sich deren Aktivitäten in den Web 2.0-Bereich, also auf Plattformen wie Facebook oder YouTube. Das Mitmach-Netz ziehe Jugendliche besonders an, erklärte auch die Bundeszentrale für politische Bildung. 6.000 rechtsextreme Beiträge hat die Organisation "jugendschutz.net" im Jahr 2010 dokumentiert. Damit habe sich die Zahl der rechten Web 2.0-Inhalte verdreifacht.

Auch Islamgegner überwachen?

Der Münchner Imam Benjamin Idriz hält eine Überwachung von Islamgegnern im Internet durch den Verfassungsschutz für notwendig. "Wir erwarten von den Behörden ein glaubwürdiges entschlossenes Vorgehen gegen brandgefährliche Strömungen aller Art, die sich gegen das friedliche Zusammenleben richten", sagte der Vorsitzende des Münchner Islamzentrums am Dienstag. Der Geistliche warnte vor allem vor einem islamfeindlichen Netzwerk in Deutschland, zu dem auch die Internetseite "Politically Incorrect" (PI) gehöre. Die linkspolitische "Tageszeitung" (taz) nennt PI das "Zentralorgan der deutschen Islamfeinde". Das Blog werde täglich rund 60.000-mal angeklickt. Der Verfassungsschutz stufe es aber nicht als rechtsextremistisch ein, schließlich sei das Blog proisraelisch, proamerikanisch und bekenne sich nachdrücklich zum Grundgesetz. Idriz ist sich dennoch sicher, dass zahlreiche Beiträge auf der Internetseite den Hass gegen den Islam schürten. Das bayerische Innenministerium erklärte dazu: "Wir haben das sehr wohl im Auge und gehen allen Spuren nach." Allerdings sei PI bislang noch nicht im Verfassungsschutzbericht aufgetaucht. "Solange sich die Seite im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegt, ist es schwierig, dagegen vorzugehen." (pro/dpa)

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