„Pussy Riot“ wegen „religiösem Rowdytum“ verurteilt

Nach dem Urteil gegen die russische Punkband "Pussy Riot" hagelt es internationale Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete das Strafmaß von zwei Jahren als "unverhältnismäßig hart". Auch die russisch-orthodoxe Kirche bittet nun um "Milde im Rahmen des Gesetzes" für die Frauen. 
Von PRO

Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch müssen wegen "religiös motivierten Rowdytums" zwei Jahre ins Gefängnis. Die drei Aktivistinnen hatten am 21. Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau mit einem "Punkgebet" gegen die Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml protestiert. Ein Moskauer Gericht verurteilte sie nun zu je zwei Jahren Haft. Richterin Marina Syrowa begründete das Strafmaß mit Rowdytum aus religiösem Hass. Die Untersuchungshaft von knapp sechs Monaten werde angerechnet, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte den Schuldspruch scharf. "Das unverhältnismäßig harte Urteil steht nicht im Einklang mit den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, zu denen sich Russland unter anderem als Mitglied des Europarates bekannt hat", erklärte sie am Freitag. Eine lebendige Zivilgesellschaft und politisch aktive Bürger seien eine notwendige Voraussetzung und keine Bedrohung für Russlands Modernisierung. Den Prozess gegen die Bandmitglieder habe sie mit Besorgnis verfolgt.

Auch die russisch-orthodoxe Kirche hat sich in dem Fall zu Wort gemeldet und um "Milde im Rahmen des Gesetzes" für die Verurteilten gebeten. Dies geschehe in
der Hoffnung, dass die Künstlerinnen ihre "blasphemische" Aktion nicht wiederholten, teilte der Oberste Kirchenrat am Freitag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit. Die Sängerinnen waren bei ihrer Protestaktion in den Ambo der Erlöserkathedrale eingedrungen, der von Laien ohne priesterliche Einladung nicht betreten werden darf. Dort kritisierten sie nicht nur Putin, sondern bezeichneten Repräsentanten der orthodoxen Kirche als "die Scheiße Gottes".

"Das ist Putins Prozess gewesen"


Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hat das Urteil als "niederschmetternd" kritisiert. Es unterstreiche "auf schauerliche Weise den Zustand der russischen Justiz", sagte der FDP-Politiker gegenüber dpa. "Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Einschüchterung tragen deren Entscheidungen." Bereits die mehrmonatige Untersuchungshaft gegen die drei jungen Frauen sei "vollkommen unverhältnismäßig" gewesen, sagte Löning. Der Menschenrechtsbeauftragte forderte Präsident Wladimir Putin auf, "sich endlich dafür einzusetzen, dass Unabhängigkeit und Gerechtigkeit alleinige Leitbilder der russischen Gerichte sind".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, machte Putin für das Urteil persönlich verantwortlich. "Das ist Putins Prozess gewesen. Es ist Putins Urteil. Und es ist ein Urteil, das jeder Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hohnspricht", sagte der CDU-Politiker der dpa. Polenz wertete die jeweils zweijährigen Haftstrafen für die drei Musikerinnen auch als Beweis dafür, "dass Putins Russland verunsichert ist". Mit dem Urteil solle die Opposition abgeschreckt werden. Diese Rechnung werde aber nicht aufgehen. "Das wird auch auf das Bild, das sich die Deutschen von Putin machen, wie ein realistischer Schock wirken", so Polenz. Er appellierte an die Europäische Union, ihr Verhältnis zu Russland zu überdenken und "gemeinsam eine Antwort zu finden". "Die EU muss nun deutlich machen, dass wirkliche Modernisierung ohne Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht gelingen wird."

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den Richterspruch scharf kritisiert. "Das harte Urteil steht in meinen Augen in keinem Verhältnis zur Aktion der Musikgruppe", sagte Westerwelle dem "Tagesspiegel" (Samstag). Er sei "besorgt darüber, welche Auswirkungen die Strafe gegen die drei Musikerinnen für die Entwicklung und Freiheit der russischen Zivilgesellschaft insgesamt hat". Die Freiheit von engagierten Künstlern, sich zu artikulieren, sollte Teil jeder lebendigen demokratischen Gesellschaft sein.

Solidarität der ukrainischen "Femen"-Gruppe

Die Frauen der ukrainischen Feministinnengruppe "Femen" haben am Freitag ein großes Kruzifix mit einer Motorsäge in Kiew abgesägt. Sie wollten damit gegen das Gerichtsverfahren gegen "Pussy Riot" demonstrieren.

Auch in Deutschland haben sich Demonstranten am Freitag solidarisch mit der russischen Punkband gezeigt. In Berlin kamen rund 200 Menschen mit bunten Strickmasken und Plakaten vor der russischen Botschaft zusammen. Etwa 100 Sympathisanten protestierten in Hamburg gegen die Inhaftierung
der drei kremlkritischen Sängerinnen. (pro/dpa)

https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar.html?&news[action]=detail&news[id]=5701
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen