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Psychologische Gründe für aggressive Religionskritik

Warum das Religiöse in unserer Gesellschaft stört und oft auch angefeindet wird, hat der Wiener Psychiater und Neurologe Raphael M. Bonelli in einem Gastbeitrag des Nachrichtenmagazins "Focus" aus psychologischer Perspektive erklärt. Demnach könnte "eine irrationale, unkontrollierte Affektivität, die sich insbesondere gegen religiöse Wahrheitsansprüche und Verbindlichkeiten richtet", Folge dreier "narzisstischer Kränkungen des antireligiösen Menschen" sein.
Von PRO

Foto: Emily Bennett 1979 / flickr

Narzisstisch kränkbar sei, wessen idealisiertes Selbstbild sich signifikant von der Realität entfernt hat, schreibt Bonelli und bezieht sich dabei auf die Erkenntnisse Sigmund Freuds. Der Narzisst lebe mit einem überzogenen, aber brüchigen Selbstwertgefühl. Jeder Hinweis auf die Wirklichkeit werde als bedrohlich erlebt. "Die Angst besteht darin, dass der Kränker Recht haben und das konstruierte Selbstbild an der Realität zerbrechen könnte. Deswegen muss das Trugbild aggressiv verteidigt werden."

Die erste Kränkung bestehe, so der Psychiater, darin, dass Gott nach wie vor nicht tot sei, "obwohl Friedrich Nietzsche vor 150 Jahren dessen Ableben diagnostizierte". Nietzsche zum Trotz blühten die Religionen weltweit. "In die Abwehr der schmerzhaften Realität, dass jedem Menschen eine natürliche Religiosität innewohnt, wird viel Kraft investiert", stellt Bonelli fest. Diese Abwehrkräfte könnten als antireligiöse Affekte und Handlungen wahrgenommen werden.

"Die heutigen Ethikangebote sind inhaltsleer"

Noch viel schmerzhafter, weil bedrohlicher, werde aber die moralische Instanz erlebt, die den Glaubensgemeinschaften innewohne. "Die heutigen Ethikangebote sind farblos, inhaltsleer und damit beliebig, verbiegbar und schmerzfrei. Für derlei Tauschoperationen steht ein wahrhafter Gottesglaube nicht zur Verfügung." Die monotheistischen Religionen degradierten den selbst zu Gott gewordenen modernen Menschen zum Geschöpf und nähmen ihn mit unmanipulierbaren Normen in die Pflicht. "Damit decken sie seine verdrängte Schuld auf, weil sie mit Geboten den Finger in seine Wunde legen: Es kränkt ihn, nicht unfehlbar zu sein und sich verantworten zu müssen."

Der antireligiöse Mensch empfinde "Neid und Eifersucht darüber, dass der Gläubige bei Gott Liebe, Sicherheit und Geborgenheit findet, während er selbst sich einsam durch die Welt schlägt", beschreibt Bonelli die dritte "Kränkung". Diese bestehe darin, stolz gottlos zu sein, obwohl man sich unbewusst auch nach Transzendenz sehne. "Kain hat deshalb Abel erschlagen."

Raphael Bonelli (42) ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie ärztlicher Psychotherapeut und tritt für eine Integration der spirituellen Dimension in den Medizinalltag ein. Religiosität als "letztes Tabu" der Psychiater werde von ihnen daher oft pathologisiert, sagte er 2009 in einem Interview mit der Zeitschrift "Leben & Glauben". Der Seelsorger mit psychotherapeutischem Schwerpunkt stehe dagegen in der Gefahr, den Glauben zu psychologisieren.  (pro)

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