Die Medien führen keinesfalls dazu, dass Kinder und Jugendliche vermehrt psychisch und sozial verwahrlosen. Diese Meinung vertrat der Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort, am Mittwoch in Kiel bei den Mediatagen der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH). Die Zahl psychisch Auffälliger sei seit 30 Jahren konstant geblieben, so der Arzt.
Von PRO
19. November 2009
Foto: Michel Mittelstädt
Schulte-Markwort, Direktor der Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, distanzierte sich von der gängigen Meinung, Kinder und Jugendliche würden in einer digitalen Welt zunehmend psychisch und sozial verwahrlosen. Er betonte, dass die Zahl psychisch Auffälliger dieses Alters mit 20 Prozent seit dreißig Jahren konstant geblieben sei. Rund die Hälfte davon sei behandlungsbedürftig. Natürlich gebe es darunter auch Computersüchtige, hier zeige sich eine deutliche Geschlechterdifferenz von 5 Prozent bei den Jungen zu lediglich 0,3 Prozent bei den Mädchen. Ursachen für psychische Auffälligkeiten seien aber weniger die neuen Medien als vielmehr Risikofaktoren wie geringer sozio-ökonomischer Status, Bildungsferne und familiäre Disharmonie, so Schulte-Markwort.
Beim Thema Medienkompetenz empfahl Schulte-Markwort, die Aufmerksamkeit auf die Risikogruppen zu fokussieren und die finanziellen Mittel dort zu bündeln. Aber auch Kinder und Jugendliche, die auf diesem Gebiet bereits kompetent seien, sollten von ihren Eltern unbedingt weiterhin begleitet werden. "Die Begriffe Fürsorge, Beistand, Trost, Verständnis und Neugierde sind in diesem Zusammenhang zentral", so Schulte-Markwort. Stabile Bedingungen "produzierten" stabile Kinder, so der Arzt. Schulte-Markwort studierte Medizin und Philosophie in Marburg und Kiel und wurde in Lübeck Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
"Jugend ist wertekonservativer"
Das Bild von Jugendlichen sei nie sehr gut gewesen, erinnerte Schulte-Markwort. "Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe" – diese Aussagen fänden sich bereits auf einer Tafel mit Keilschrift aus Ur, in Chaldäa, aus dem Jahre 2000 v.Chr. Und schon Aristoteles habe 300 Jahre vor Christus gesagt: "Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen." Jugendliche seien indes weitaus disziplinierter, wertekonservativer und medienkompetenter als gemeinhin angenommen, führte Schulte-Markwort aus.
Der Jugendpsychiater sprach auf der Abschlussveranstaltung des Medienkompetenztags der Mediatage Nord 2009. Diese stand unter dem Titel "Schöne neue Welt? Kindheit im digitalen Zeitalter". Die stellvertretende Vorsitzende des Medienrats der MA HSH, Frauke Hamann, sagte in ihrem Grußwort, dass die Vermittlung von medialen Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur keine rein technische Angelegenheit, sondern vor allem eine soziale Notwendigkeit sei. Kinder und Jugendliche entdeckten die Möglichkeiten des Internet nicht von selbst, häufig benötigten sie Anregungen und Anleitung dabei, den Weg zu einer optimalen Nutzung für ihre Interessen zu finden. Eltern, Pädagogen, Politiker und Anbieter im Internet hätten die Pflicht, sie vor Auswüchsen im Bereich der Neuen Medien zu bewahren.
Die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) ist die Regulierungsbehörde für den privaten Rundfunk in Hamburg und Schleswig-Holstein. Ihr Ziel ist es nach eigener Aussage, "Vielfalt und Leistungsfähigkeit privater an die Allgemeinheit gerichteter elektronischer Medien zu stärken". Sie will dazu beitragen, dass sich bestehende Programme erfolgreich weiterentwickeln können und dass neue audiovisuelle Dienste ihre Chancen bekommen. Die MA HSH beurteilt und kontrolliert Programme, insbesondere hinsichtlich ihres Beitrages zur Förderung der Programmvielfalt und berät Rundfunkveranstalter und andere Inhalteanbieter. (pro)
http://www.ma-hsh.de
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