Proteste in der Schweiz: Religiöses Radioprogramm gestrichen

Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hat im Rahmen einer Umstrukturierung des Unternehmens „Schweizer Radio und Fernsehen“ (SRF) angekündigt, die Fachredaktion Religion aufzulösen. Es gibt viele Proteste aus der Kirche, aber auch aus anderen Religionen.
Von Jörn Schumacher
Drei Radiosendungen im Schweizer Radio zum Thema Religion fallen Sparmaßnahmen zum Opfer

Drei Radiosendungen im SRF sind ab Sommer 2021 gestrichen sowie die Kirchenglocken, die seit 1920 am Samstagabend den Sonntag im Radio einläuten. Betroffen sind die drei Religionssendungen „Zwischenhalt“, „Blickpunkt Religion“ und „Morgengeschichte“. Das berichtet das Internetportal kath.ch.

Die Direktorin des SRF, Nathalie Wappler, teilte gegenüber kath.ch mit, ihr sei die Entscheidung zur Kürzung nicht leichtgefallen. Aktuelle Themen zu Religion würden weiterhin im Tagesprogramm behandelt. Der Sparmaßnahme fielen auch andere Formate wie beispielsweise Literatursendungen zum Opfer. „Ich hoffe, die Kirchen mit der Streichung dieser Religionssendungen nicht zu vergraulen“, so Wappler. In Zukunft solle es ein neues Angebot im Bereich Religion vor allem für ein jüngeres Publikum geben.

Der Verein SRG SSR betreibt nach eigener Aussage das größte Medienunternehmen der Schweiz mit öffentlichem Auftrag und gewährleistet so ein wirtschaftlich und politisch unabhängiges Medienangebot. Die SRG betreibt unter anderem das „Schweizer Radio und Fernsehen“ (SRF). Grund für die Sparmaßnahmen sei die aktuelle finanzielle Situation des SRF. Die Gesellschaft will bis 2024 etwa 66 Millionen Franken (etwa 62 Millionen Euro) einsparen. Schuld seien auch rückläufige Werbeeinnahmen.

Proteste in Videos

Laut einem Bericht von Vaticannews fordern die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und die Schweizer Bischöfe einen Ersatz für gestrichene Religionssendungen des SRF. Die Präsidentin der RKZ, Renata Asal-Steger, sagte, es gehöre zum Auftrag des SRF, über den Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu berichten. „Denn Glaubens- und Sinnfragen sind für viele Menschen wichtig“, so Asal-Steger.

Der Präsident der Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz, Mariano Tschuor, zeigte sich verärgert: Von Sparmaßnahmen seien „immer die Falschen betroffen“. Das religiöse Angebot im SRF sei ohnehin schon „ein kleines Nischenprodukt“. Der Präsident des Vereins Katholisches Medienzentrum, Odilo Noti, sagte laut Vaticannews: Das SRF habe „die Axt an jene Sendungen angelegt, die Religion journalistisch und reflexiv begleiten“, und das in Zeiten gestiegener Unübersichtlichkeit und Ungewissheit, was äußerst fragwürdig sei. Die Streichung leiste „religiösem Irrationalismus und einem reflektionsfreien Bekenntnis Vorschub“, so Noti.

Auch die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt protestierte. Mit den Sendungen „Blickpunkt Religion“ und „Zwischenhalt“ schaffe der SRF zwei Formate ab, „die sich auf hohem Niveau mit Religion und Religionen beschäftigen“.

Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze schrieb in einem offenen Brief an die Geschäftsleitung des Medienhauses SRG: „Die grosse gesellschaftspolitische Bedeutung des Themas ‚Religion‘ für die Öffentlichkeit ist kaum zu unterschätzen.“ Es sei eine ausgewogene Informationsarbeit zu diesem Thema von Nöten, „um soziale und politische Konflikte in unserer Gesellschaft zu verhindern“, auch um eine Radikalisierung zu verhindern. Der Verlust der öffentlich-rechtlichen Informationsarbeit habe „einschneidende Konsequenzen“, auch bei Konflikten beim Thema Islam. Schulze war bis zu seiner Emeritierung 2015 zuletzt Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern.

„Kahlschlag bei der Religion verhindern“

Auch im Internet melden sich zahlreiche Bürger zu Wort, die gegen die Streichung protestieren. Bei einer Online-Petition des Katholischen Medienzentrums unterzeichneten innerhalb weniger Tage mehr als 2.000 Menschen den Aufruf „Kahlschlag bei der Religion verhindern – SRF verletzt Konzessionsauftrag“. In Videos nennen Aktivisten auf der www.pro-srf-religion.ch ihre Gründe für den Protest. Einer der Erstunterzeichner, Amir Dziri, Co-Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft, sagt in einem Video, durch die Arbeit der SRF-Religionssendungen hätten muslimische Stimmen Zugang zum öffentlichen Diskurs gefunden.

Zu den Erstunterzeichnern gehört auch der Rabbiner Tovia Ben Chorin aus St. Gallen. „Die SRF-Religionssendungen sind eine Stimme gegen Antisemitismus“, sagt Ben Chorin. „Sie schaffen Verständnis zwischen Juden, Christen und anderen Menschen. Religionen müssen sich von Klischees befreien. Deswegen braucht es Radioprogramme, die das zum Thema machen.“

Von: Jörn Schumacher

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