Wie aufmüpfig muss Religion sein, wie sollten Protestanten protestieren? Darum ging es bei einer Tagung der Evangelischen Akademie der Pfalz in Landau. Dabei wurde klar: Wut allein reicht nicht aus.
Wer auf die Straße geht, um zu protestieren, sollte nicht nur „dagegen” sein, sondern für Inhalte einstehen
Wut kann nicht die alleinige Motivation für gesellschaftlichen und kirchlichen Protest sein. Das sagte Martin Schuck, Theologe und Leiter des Verlagshaus Speyer, am Wochenende bei einer Diskussionsrunde der Evangelischen Akademie der Pfalz. Die einzelnen Protestbewegungen wirkten ohne – theologische – Inhalte nicht. Wut-Proteste wie die gegen „Stuttgart 21“ sind seiner Ansicht nach unwirksam und daher nicht wert, unterstützt zu werden.
Gleichzeitig kritisierte Schuck die deutsche Protestkultur, die zwar immer wieder mit Protesten wie die gegen Pegida oder auch gegen „Stuttgart 21“ sichtbar werde. Aber sonst mache sie sich vor allem als eine „neue soziale Bewegung“ bemerkbar, die sich darin ausdrücke, „dass man konsequent Bahn fährt“. Eine Ursache dafür sei, dass sich die Menschen nach zwei Jahrzehnten Neoliberalismus an die „schlimmen Folgen des Kapitalismus“ wie die Schere zwischen Arm und Reich gewöhnt hätten.
Den Evangelischen Kirchentag, der kürzlich in Stuttgart stattfand, hält Schuck für „gendertoll“; er sei eine Stätte nur für „kirchlich Etablierte“. Seit der Aufklärung stehe der Protestantismus mit dieser in Konflikt, gerade in Hinblick auf den Mut zum Bekenntnis. Er forderte, genauer über Alternativen in politischen Fragen nachzudenken. Das sei notwendig, weil in der modernen Gesellschaft Werthaltungen nicht mehr eindeutig abzugrenzen und klar definiert seien. Allerdings könnten politische Entscheidungen wie darüber, ob muslimische Lehrerinnen Kopftuch tragen oder homosexuelle Paare heiraten dürfen, nicht aus wörtlichen Bibelzitaten abgeleitet werden.
Engagieren statt protestieren
Dem widersprach Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im Europaparlament und Fraktionssprecher für Wirtschafts- und Finanzpolitik. So sei Homosexualität bis vor Kurzem in vielen Teilen Europas und der Welt noch strafbar gewesen. Eindeutig sei auch, dass es nicht korrekt sei, „tausende Flüchtlinge ersaufen zu lassen“ oder die ökologischen Grenzen des Planeten nicht zu beachten und seine Bodenschätze auszubeuten. Gerade deshalb hätten die sozialen Bewegungen wiederum die Gesellschaft beeinflussen und verändern können. Von „Protest“ zu sprechen sei aber generell falsch. Vielmehr gehe es um politisches und gesellschaftliches Engagement in dem Sinne, gemeinsam etwas an den Verhältnissen zu verändern. Dass das bei den Menschen ankomme, zeige sich daran, dass die politischen Veranstaltungen auf dem Evangelischen Kirchentag jeweils gut besucht seien.
Giegold sagte, man dürfe nicht Optimierungsfantasien und das Wesen der Ökonomie über die Menschlichkeit stellen. Ebenso wenig dürften – auch mit Blick auf die Griechenlandkrise – arme Menschen oder Länder diskriminiert werden, indem man ihren Status nicht ernst nehme und sie vernachlässige. Seine Forderung: mehr Mut zu „sozialethischer Frömmigkeit“, Symbolik des christlichen Glaubens, ohne dabei alle gesellschaftlichen Probleme mit Bibelstellen zu begründen, und Klarheit. (pro)
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