Prost, Kirche!

Ein italienischer Priester möchte mit Alkohol für die Erwachsenen und Chips für Kinder auch in der Urlaubszeit Gläubige zur Messe locken. Doch das reicht nicht. Kirche muss noch einen Schritt weiter denken. Ein Kommentar von Johannes Weil
Von Johannes Blöcher-Weil
Sekt in der Kirche: mit dieser Idee möchte ein italienischer Priester seine Gläubigen auch in der Urlaubszeit in den Gottesdienst locken

Vorigen Sonntag war ich mit einem Freund im Gottesdienst. Auf einmal zündet er sich während des ersten Liedes eine Zigarette an. Da ist mir doch vor lauter Schreck meine Bierflasche aus der Hand gefallen. Zugegeben: Ob der alte Kalauer sich jemals so ereignet hat, weiß ich nicht.

In Italien könnte das Bild – etwas abgewandelt – aber bald Realität werden. Mit Alkohol für die Erwachsenen und Chips für Kinder will ein italienischer Priester auch in der Urlaubszeit Gläubige zur Messe locken. Die einzige Voraussetzung dafür ist: die Besucher des Gotteshauses in Umbrien müssen eine Treuekarte besitzen, wie wir sie aus den heimischen Supermärkten kennen.

Pfarrer Gianfranco Formenton bestätigt dann nach dem Gottesdienst mit einem Stempel, dass der Gläubige anwesend war. Der Theologe bezeichnet das alles zwar als Spiel. Dahinter steckt aber auch ein wahrer Kern: Der Pfarrer aus Umbrien möchte seine Gläubigen daran erinnern, dass Glaube eine Verpflichtung ist und keinen Urlaub macht.

An alten Traditionen festhalten, wenn sie sinnvoll sind

Der Ansatz des Theologen ist ehrenwert. Und es gibt noch einen anderen Aspekt: Die Kirche und ihre Pfarrer müssten noch weiter denken. Ihr und uns Christen muss es – über das gesamte Jahr – gelingen, alte und überkommene Strukturen in Frage zu stellen und anzupassen. Aber Kirche muss genauso deutlich sagen, warum sie an alten Traditionen festhält.

Gut und alltagsrelevant ist Kirche dann, wenn sie ihre Botschaft so „übersetzt“ und modernisiert, dass sie ohne viel Hilfe ein Anziehungspunkt für ihre Mitglieder und Nicht-Mitglieder wird. Jeder Mensch soll verstehen können, warum der Glaube einen Bezug zum Alltag hat und wieso er für jeden persönlich hilfreich sein kann. Genau dann erfüllt Kirche ihren Auftrag.

Die Devise muss lauten: erst mit den Inhalten locken und überzeugen, dann die Menschen an die Kirche binden (im Urlaub und darüber hinaus) und anschließend den Bezug des Glaubens zum richtigen Leben feiern. Die Einbußen in der Urlaubszeit kann sie dann sicher verschmerzen. Dann braucht der Pfarrer am Ausgang keinen Stempel und die Besucher müssen sich nicht abgestempelt fühlen.

Und einer weiteren Tatsache dürfen sich die Gläubigen gewiss sein. Gott ist auch ohne Treue-Karte treu zu uns. Wenn es gelingt, dieses Bild zu vermitteln, können alle, die sich von der Botschaft angesprochen und überzeugt fühlen, mit einem Sekt darauf anstoßen. In diesem Sinne: Prost, Kirche! (pro)

Von: jw

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