pro-Interview: Agrarpolitik, ein christliches Thema?

Passend zum „Tag des Brotes“ am Montag hat pro den Agrarminister in Deutschland getroffen. Im Interview erklärt Christian Schmidt (CSU), warum Landwirtschaftspolitik Christen besonders angeht.
Von PRO
"Unser tägliches Brot gib uns heute", heißt es im Vaterunser. Agrarminister Christian Schmidt findet deshalb: Das Thema Ernährung und Landwirtschaft geht Christen besonders an

pro: Herr Minister, als Ihr Vorgänger Hans-Peter Friedrich vom Innenministerium in das Landwirtschaftsministerium wechselte, wurde das als Abstieg belächelt. Hätten Sie sich einen anderen Ministerposten gewünscht?

Christian Schmidt: Ich würde mit niemandem tauschen wollen. Die Themen dieses Ministeriums sind hochinteressant und gehen mitten ins Leben. Für die große Themenvielfalt ist das Ministerium mit rund 1.000 Mitarbeitern überschaubar, im Vergleich etwa zu 3.700 Mitarbeitern im Verteidigungsministerium. Das Angebot, hierher zu wechseln, kam für mich unerwartet nach dem sehr bedauerlichen Rücktritt meines Freundes Hans-Peter Friedrich. Ich wurde hier offen und herzlich aufgenommen. Ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass die hohe Wertschätzung, die das Haus hat, so bleibt.

Sie waren Staatssekretär unter Franz Josef Jung, Thomas de Maizière und Karl-Theodor zu Guttenberg. Wäre der Posten des Verteidigungsministers nichts für Sie gewesen?

Ich bin sehr zufrieden, genau hier in diesem Ministerium Minister zu sein. Meine Erfahrungen und Kontakte sowohl als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium als auch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit werden mir auch im Amt des Ernährungs- und Agrarministers nützlich und behilflich sein.

Als Mann der zweiten Reihe haben Sie dort in acht Jahren drei Minister gehen sehen, auch Ihr neues Amt haben Sie nun inne, weil Hans-Peter Friedrich wegen der Edathy-Affäre gehen musste. Treten Politiker heute schneller zurück, produzieren sie mehr Skandale oder ist es einfach schwerer, das Vertrauen einer Kanzlerin Merkel zu gewinnen und zu behalten?

Manches Mal, wenn von „Skandal“ die Rede ist, ist das ungehörig überzogen. Bisweilen ist auch die Gewichtung befremdlich. Wir sehen derzeit eine massive Völkerrechtsverletzung auf der Krim-Halbinsel (das Gespräch wurde Mitte März geführt, Anm. d. Red.), aber die Schlagzeilen bestimmt überwiegend die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß. Die Lust am Skandal geht zu weit. Unabhängig davon wird ein Prinzip immer wieder übersehen: Minister zu sein, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, die über die persönliche Verantwortlichkeit hinausgeht. Die Ministerverantwortung ist ein Verfassungsprinzip, das nicht die Frage nach persönlicher Schuld oder Verhalten trägt. In diese Kategorie sortiere ich auch den Rücktritt von Hans-Peter Friedrich ein. Er ist selbst gegangen, damit sein Amt und sein Ministerium keinen Schaden nehmen.

Der Welt am Sonntag sagten Sie jüngst, Landwirtschaft sei der Markenkern der CSU und der sei auch noch christlich begründet. Was macht Landwirtschaft zu einem christlichen Thema?

Unser tägliches Brot gib uns heute … dieses Zitat aus dem Vaterunser sagt doch schon alles. Ehrfurcht vor den grundexistenziellen Fragen des Lebens, zum Beispiel der Ernährung, ist doch ein christliches Thema.

Demnach müssten die Grünen die christlichste Partei im Bundestag sein. Sie stehen für Ökolandbau, sind gegen Gentechnik und für artgerechte weil nachhaltige Tierhaltung. Denkt man an die CSU, kommen einem Weißwürste und Edmund Stoiber in den Sinn. Hat Ihre Partei es versäumt, Umweltpolitik als Markenkern zu installieren?

Eins kann man nicht oft genug sagen: Den ersten Umweltminister in Europa gab es in Bayern! Das war 1970, lange vor der Gründung der Grünen. Die Grünen haben mittlerweile ihre Grenzen erreicht. Protesthaltung allein reicht eben nicht aus und Bevormundung mögen die Bürger auch nicht. Nachhaltigkeit definiert sich nicht dadurch, dass ich das Bestehende ablehne, sondern dass ich es weiterentwickle. In ihren Ursprüngen sind die Grünen wertkonservativ. Grün ist kein Alleinstellungsmerkmal für die Grünen. Wertkonservativ und Nachhaltig-Sein muss mit den „Schwarzen“ verbunden werden.

Wie wollen Sie das anstellen?

Im vergangenen Jahr haben wir den 300. Geburtstag des sächsischen Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz gefeiert, der als Schöpfer des Begriffs „Nachhaltigkeit“ gilt. Diesem Prinzip fühle auch ich mich verpflichtet. Säge nicht den Ast ab, auf dem du selbst sitzt und Nachfolgende sitzen wollen. Dies gilt für den Wald, aber auch für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände. Dies gilt insbesondere auch für die Landwirtschaft. Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik haben wir gerade die Basis für stabile ländliche Räume und eine nachhaltige Landwirtschaft in Verbindung mit mehr Umwelt- und Naturschutz gelegt. Dabei müssen wir künftig noch internationaler denken: Wo Hunger herrscht, wird das Menschenrecht auf Nahrung verletzt und da herrscht auch kein Frieden.

Was sollten die Grünen von der CSU lernen?

Bei den Fragen um den Beginn des Lebens oder das Sterben bin ich überrascht, wie diffus sich manche Grüne äußern. Pränatale Diagnostik oder Sterbehilfe – da haben wir in der CSU und der Union insgesamt eine klare Position. Wir sagen: Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.

Beginn und Ende des Lebens sind Themen, die vor allem die Religionen als ihre verbuchen. Sie sind Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der Union. Ein Protestant in der CSU, bei nur 21 Prozent Evangelischen in Bayern. Die Tagesschau nannte sie deshalb einen „seltenen Vogel“. Wie steht es um die Evangelischen in Ihrer Partei?

Ganz so ein seltener Vogel bin ich nicht, aber von einer schützenswerten Gattung. Ja – wir sind in der Minderheit. Allerdings hat die CSU immer Wert darauf gelegt, dass beide Konfessionen vertreten sind. Ich darf mich guten Gewissens als oberster Repräsentant der Evangelischen in der CSU verstehen. Am Ende ist aber nicht entscheidend, ob jemand Katholik oder Protestant ist, sondern ob die gemeinsamen Grundwerte stimmen.

Und wie steht es um die Christsozialen und Christdemokraten in Ihrer Kirche? Zuletzt musste sich die EKD viel Kritik anhören, sie sei Rot-Grün zugeneigt und insgesamt zu liberal geworden …

In meiner evangelischen Kirche bin ich Mitleidender mit Günter Beckstein. Ich kann bis heute nicht verstehen, dass die EKD – bei aller Wertschätzung für Irmgard Schwaetzer – nicht die Kraft besessen hat, ihn im November zum Präses der Synode zu wählen. Die Kirche muss sich fragen lassen, wie sie sich heute definiert. Wo sind die Kräfte, die Kirche und Glauben noch als Teil des kirchlichen Selbstverständnisses sehen? Da kommen Sie an der Union nicht vorbei. Ich habe auch ein Problem mit dem Familienverständnis der EKD und dem dazu veröffentlichten Familienpapier. Ich vermisse die christliche Begründung der Rolle der Familie. Ich sehe da viel Zeitgeistiges. Die Gleichsetzung von allem mit allem kann ich nicht akzeptieren. Die Kirche ist hier auf dem falschen Pfad.

Wenige Stunden vor unserem Gespräch hat das Kabinett entschieden, die Sukzessivadoption für homosexuelle Paare zu erlauben. Auf Weisung des Bundesverfassungsgerichts ermöglichen Sie also, dass ein homosexueller Partner das leibliche Kind seines oder ihres Lebensgefährten adoptieren kann. Sollte Ihnen das dann nicht auch schon zu weit gehen?

Wir haben umgesetzt, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das Familien-Verständnis des Verfassungsgerichts hat sich grundlegend gewandelt. Ein Wolfgang Böckenfoerde oder ein Paul Kirchhof hätten sich als Verfassungsrichter mit einer solchen Entscheidung schwergetan.

Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Anna Lutz. Dieser Artikel ist zuerst in der Ausgabe 2/2014 des Christlichen Medienmagazins pro erschienen. pro können Sie kostenlos bestellen, unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/evangelischer-arbeitskreis-der-csu-verurteilt-ekd-familienpapier-79982/
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