Ein Priester ist via Facebook mit islamischen Extremisten in Kontakt getreten. Im direkten Gespräch lernt er die Beweggründe der Radikalen kennen, und den eigenen Glauben neu schätzen.
Von PRO
Foto: Isaxar|Fotolia
In persönlichen Mailwechseln hat sich ein Priester bemüht, die Beweggründe islamischer Radikaler zu verstehen
„Die Mailwechsel begannen immer ähnlich“, schreibt der anonyme Autor in der Zeit-Beilage Christ und Welt. „Ich habe Interesse bekundet und Fragen gestellt: Wie ist deine Situation? Glaubst du, dass Allah das will? Was sollte man deiner Meinung nach in Europa tun?“ Es sei der Versuch gewesen, zu verstehen, was Fanatiker antreibt. Ganze 13 Muslime hätten sich auf den Gedankenaustausch eingelassen. „Einmal wurde mir erst im Verlauf des Chats klar, dass der Angeschriebene sich tatsächlich nicht mehr in Europa aufhält, sondern als Kämpfer im Irak befindet“, schreibt der Autor.
Drei Motive habe er bei den potenziellen Gewalttätern ausmachen können: Manchen bereite es Freude, ihre eigene Lust an der Gewalt durch andere legitimiert zu sehen. Dann seien da jene, denen die einfachen Strukturen eines radikalen Glaubens das Leben vereinfachten und die sich als etwas Besonderes fühlten, weil sie für Gott kämpften. Bei wieder anderen breche sich ein Ekel vor einer als dekadent empfundenen westlichen Welt Bahn.
Christlichen Glauben neu schätzen gelernt
Der Priester schlussfolgert aus seinen Kontakten: „Auch wenn es befremdlich klingt: Menschen ohne Ethos bin ich auf diesen Seiten nicht begegnet, wenn man Ethos als eine durch Werte bestimmte Gesinnung versteht. Das Entsetzliche und Grauenhafte entwickelt sich aus einer falschen Rangordnung der Werte. Die Würde des Menschen wird zweitrangig, wenn es um die Religion geht, so argumentieren meine digitalen Gesprächspartner immer wieder. Ich halte dagegen: Das Christentum glaubt an die Menschwerdung Gottes, der Mensch ist Gottes Ebenbild, der Einzelne hat eine Würde, ganz unabhängig von dem, was er glaubt und wie er sich verhält.“
Sobald die Angesprochenen merkten, dass er Christ sei, hätten sie Respekt gezeigt. Nichtgläubige hingegen fielen als Dialogpartner von vornherein aus. Doch der Autor beschreibt einen grundlegenden Unterschied zwischen ihm und seinen Gesprächspartnern: „Während ich als Christ die Aussagen meines Glaubens auch immer vor dem ‚Tribunal der Vernunft‘ zu rechtfertigen suche und sie begründe, gingen meine Kontaktpartner mit dem Koran anders um. Sie zitierten einfach die unterschiedlichsten Stellen und hinterfragten sie nicht.“ Seine Kontakte hätten „fraglose Unterwerfung praktiziert“. Auch das Christentum fordere Gehorsam gegenüber Gott, „aber gegenüber einem, der sich zunächst selbst an die Menschen hingegeben hat“. So schlussfolgert er: „Ich habe meinen eigenen christlichen Glauben noch einmal mehr schätzen gelernt.“ (pro)
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