Presserat verzeichnet Beschwerde-Rekord

So viele Einwände gab es noch nie: 1.661 Menschen haben sich im vergangenen Jahr beim Deutschen Presserat über Print-Publikationen beschwert. Allein ein skandalträchtiges "Jesus"-Titelbild des Satiremagazins "Titanic" war 200 Personen einen bösen Brief wert.

Von PRO

Um rund 30 Prozent sei die Zahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr nach oben geschnellt, sagte Ella Wassink vom Deutschen Presserat am Montag auf Anfrage von pro. 2009 verzeichnete die Selbstkontrolle der Printmedien noch 1.268 Einwände gegen Publikationen. Ein Stein des Anstoßes war für viele das Titelbild der "Titanic" vom April 2010. Es thematisierte die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und zeigte einen Geistlichen mit dem Kopf in Schritthöhe des Gekreuzigten. Die Unterzeile lautete "Kirche heute". Der Deutsche Presserat hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass diese Publikation vom Presserecht gedeckt sei. Aufgabe von Karikaturen und Satire sei es, Diskussionen in einer Gesellschaft so aufzugreifen, dass sie diese pointiert und manchmal auch an Grenzen gehend darstellt. Die Karikatur der "Titanic" sei provozierend und deshalb aufrüttelnd. Jesus am Kreuz werde in der Karikatur als Opfer darstellt. Es handele sich somit nicht um die Verhöhnung der religiösen Gefühle der Gläubigen, sondern um eine Kritik an den Würdenträgern und der dahinter stehenden Kirche. Anders war es bei dem Fall, der 2010 die meisten Beschwerden hervorgerufen hat: Der Berichterstattung über die Loveparade. 240 Menschen beanstandeten, dass Journalisten die Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzt hätten.

Die Beschwerdeausschüsse des Presserats hätten sich in den letzten Jahren mehrfach intensiv mit Berichterstattungen über Amokläufe wie in Norwegen und Winnenden oder Unglücksfällen wie jenem bei der Loveparade beschäftigt, teilte die Organisation mit. Im Mittelpunkt der Beschwerden hätten häufig die Veröffentlichungen von Fotos und Namen der Opfer gestanden. Der Pressekodex halte den Opferschutz klar fest. Obwohl viele Medien die Berichterstattung damit gerechtfertigt hätten, den Betroffenen ein "Gesicht geben" zu wollen, kollidiere diese Intention mit den Persönlichkeitsrechten dieser Menschen, stellte der Presserat fest. "Nur weil Menschen zufällig Opfer eines schrecklichen Verbrechens oder eines Unglücks werden, rechtfertigt dies nicht automatisch eine identifizierende Berichterstattung über ihre Person", hieß es.

Für das Jahr 2011 rechnet Ella Wassink mit wesentlich weniger Beschwerden als in 2010. Zu den Vorfällen in Norwegen hätten den Presserat bisher insgesamt 16 Anfragen erreicht. Insgesamt sieben von ihnen sehen die Fachleute bisher als unbegründet an. (pro)

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