Predigen mit Maschinengewehr

Wenn man den Prediger Billy Graham "Maschinengewehr Gottes" nennt, dann will man auf die Kraft seiner Worte anspielen. Dass wirklich ein Prediger mit einem Maschinengewehr in den Kampf gegen das Böse ziehen könnte, scheint undenkbar. Doch der Amerikaner Sam Childers tut genau das, und zwar zur Verteidigung hilfloser Kinder im Norden Ugandas. Nun zeigt ein Spielfilm das zweifelhafte Wirken des "Maschinengewehr-Predigers".
Von PRO
Man kann es sich einfach machen, über diesen Mann zu urteilen. Sam Childers war in seinem früheren Leben ein Rabauke und ein Krimineller. Wenn er nicht auf seiner Harley Davidson herumfuhr, dann hing er mit seinen Rockerfreunden in einer Bar herum, nahm Drogen oder überfiel Menschen mit einem furchteinflößenden Gewehr. Doch dank seiner Frau, einer Christin, fand Childers zum Glauben und damit den Weg in ein anderes Leben. Dass er nun als Christ mit seinem Gewehr Angst und Schrecken verbreitet, ist ein Skandal. Oder? Der Film "Machine Gun Preacher", der Ende August auf Deutsch als DVD und Blu-ray erschienen ist, macht es dem Zuschauer nicht leicht.

Sam Childers wurde 1962 geboren und ist jemand, der mit Worten und Theologie nicht viel am Hut hat. Wohl aber weiß er, wie man seine Hände gebraucht. Nach seiner Abkehr von einem Leben in Drogensuff und Beschaffungskriminalität gründet mit seiner Frau seine eigene Bau-Firma und danach eine kleine Gemeinde. Durch einen Prediger hört er zum ersten Mal vom Leid der Kinder im Norden Ugandas. Der brutale Warlord Joseph Kony betreibt seit über 20 Jahren ein Schreckensreich im Süden des Sudan, von dem die Welt leider wenig mitbekommt. In diesem Sommer sorgte ein Internet-Video namens "Kony 2012" für Aufruhr. Die Organisation "Invisible Children" wollte mit dieser Kampagne helfen, Joseph Kony zu ergreifen. Bis jetzt ist der Rebellenführer nicht gefasst. Der Film "Machine Gun Preacher" kann jedoch wertvolle Aufklärungsarbeit leisten über einen Krieg, der vor allem von und gegen Kinder geführt wird.

Konys "Lord’s Resistance Army" (LRA) rekrutiert Kinder, versklavt sie, verkauft sie oder zwingt sie, als Soldaten für ihn zu töten. Perverserweise bezeichnet sich Kony selbst als Christ und will mit seinen Kämpfern einen christlichen Staat auf der Basis der Bibel einführen. Der ehemalige Rocker und Waffennarr Sam Childers sieht sich berufen, dem Unrecht in Uganda etwas entgegenzusetzen. Und zwar keine Predigten, sondern seinen eigenen Schweiß und sein Blut.

Der Film "Machine Gun Preacher" versucht, Childers zu porträtieren, und das gelingt ihm dank des schottischen Schauspielers Gerard Butler sehr fesselnd. Buttler hatte als König Leonidas im Epos "300" seinen Durchbruch. Regisseur Marc Forster war bereits für "James Bond 007 – Ein Quantum Trost" im Einsatz, und sein Streifen "Monster’s Ball" brachte viel Lob, und Halle Berry einen Oscar für die beste weibliche Hauptrolle ein.

Im Krieg gegen Konys Armee

Die größte Schwäche von "Machine Gun Preacher" ist, dass es ihm nicht gelingt, glaubwürdig die Bekehrung seiner Hauptperson zu schildern. Nachdem Childers im Drogensuff fast einen Menschen tötete und immer weiter in eine Kriminellen-Karriere abrutschte, erkannte er, dass er Hilfe benötigt. Seine Frau nahm ihn mit zu einem Gottesdienst, und auch wenn dort alle Besucher entweder debil grinsen oder ununterbrochen zustimmend der Predigt zunicken, folgt Childers dem Aufruf seiner Familie und des Pastors, sich zu bekehren. Warum er das tut, und warum er dabei so widerwillig wirkt, als wolle er eigentlich sofort davonlaufen, wird nicht angedeutet. Ein Taufbecken steht bereit, stumm steht der Sünder Childers auf, stumm schlurft er zum Pastor, stumm lässt er sich unters Wasser tauchen – fertig ist die Bekehrung. "Ich hörte, du hast Jesus gefunden", spricht ihn ein alter Rocker-Kumpel später an. Childers antwortet: "Ja, ein bisschen." Theologisch tiefgründiger wird es in diesem Film danach nicht mehr.

Doch der Rest des Films schafft es, den Zuschauer immer mehr in eine der wichtigsten ethischen Fragen hineinzuziehen, die es gibt. Childers, der zupacken will anstatt zu predigen, macht den Krieg in Uganda zu seinem Krieg. Mehrmals fliegt er hinunter, baut dort ein Waisenheim, rettet Kinder vor dem Abschlachten durch Konys Krieger und bringt all sein Hab und Gut für einen Spielplatz für die geschundenen Kinder auf.

"Der islamische Norden bekämpft die Christen im Süden schon seit über 30 Jahren", klärt ihn ein ugandischer Soldat auf. "Zwei Millionen meines Volkes sind dabei gestorben." Und Childers, ein "Hinterwäldler aus Pennsylvania", wie er sich selbst nennt, ist auf einmal mittendrin. Er sieht die furchtbaren Dinge, welche die LRA den Kindern antut. Die Armee Konys hat schätzungsweise 66.000 Kinder entführt und zu Soldaten gemacht. "Amnesty International" schätzt, dass Kony und seine Soldaten für den Tod von 400.000 Menschen verantwortlich sind. Viele Kinder wurden "gefoltert, vergewaltigt, als Sexsklaven verkauft, und von LRA-Kommandanten zur Teilnahme an Ritualmorden gezwungen", klärt der Film in einer Einblendung auf.

"Gott will Soldaten"

Childers wird bald in Uganda als "Weißer Prediger" bekannt, der weiß, wie man mit einer Panzerfaust Rebellen tötet und der sich nicht zu schade ist, vom Maschinengewehr Gebrauch zu machen. Dabei begründet er seinen Kampfeinsatz immer christlich: "Durch eure Taten dient ihr dem Herrn. Eure guten Absichten interessieren ihn nicht", predigt er zu Hause in seiner Gemeinde. "Wir befinden uns im Kampf mit dem Teufel", sagt er, als er um Spenden für sein Waisenhaus bittet. Im Klartext: Wenn keiner spendet, hat der Teufel gewonnen. Der Kampf mit der Waffe wird zu seinem Evangelium: "Gott will keine Schafe. Er will Wölfe, die für ihn kämpfen", schmettert er von der Kanzel. "Gott will Soldaten, die bis zum letzten Atemzug kämpfen", brüllt er seine Schäfchen an, und die wissen wahrscheinlich gar nicht, wie wörtlich Childers diese Aussagen meint. "Halleluja", brüllt er seiner Brandrede hinterher.

Ein Wahnsinniger, der den Kampf im Geist mit dem Kampf an der Waffe verwechselt? So einfach kann man es sich wohl nicht machen. Sicher wird sein Einsatz für die afrikanischen Kinder zur Besessenheit. Und man wird den Verdacht nicht los, dass Childers nie wirklich Vergebung für sein früheres kriminelles Leben erfahren hat und sich nun mit den guten Taten in Afrika reinwaschen will. Doch gleichzeitig ist klar: Eine unerbittliche Armee von brutalen Kämpfern wie die LRA kann man kaum stoppen, in dem man ihnen gut zuredet. "Irgendwo in einem Zimmer über Frieden zu reden, halte ich für totale Zeitverschwendung. Man muss ihn schaffen", ist Childers überzeugt.

Und so steht der Zuschauer mit Childers vor dem uralten Dilemma: Darf man Waffen einsetzen, um Waffengewalt zu stoppen? Oder muss man es sogar tun? Der "Maschinengewehr-Prediger" ist in seinem Kampf gegen die LRA zudem automatisch gezwungen, auch Kinder zu töten. Denn die werden von ihren Unterdrückern zu Soldaten gemacht. Ein Ärztin in Uganda redet Childers ins Gewissen: "Dieses Land braucht nicht noch mehr Waffen!" Wenig später wird ihr eigenes Leben nur durch den Waffeneinsatz von Childers gerettet. Die Kinder glaubten, Childers würde von Engeln beschützt und könne so nicht von Kugeln getroffen werden, erzählt ihm die Ärztin und fügt hinzu: "Das hat man am Anfang auch über Kony gesagt."

Die Ironie der Geschichte ist eben dies, dass auch Kony behauptet, Christ zu sein. Und doch ist er in der Lage, die schlimmsten Verbrechen zu verüben. Ob hingegen Childers eigentlich je wirklich Christ wurde, bleibt offen. Auch er verübt Gewalt und wähnt sich damit auf der richtigen Seite. Bis heute kämpft Sam Childers im Gebiet des Süd-Sudan und von Nord-Uganda. Wem steht es zu, den Einsatz des "Machine Gun Preachers" als verwerflich und als das Werk eines Irren abzutun, der sich mit einer Waffe abreagieren will? Wer so etwas tut, muss sich gleichzeitig fragen lassen, was er selbst unternimmt, wenn ein Dorf von Waisenkindern niedergebrannt und seine Bewohner niedergemetzelt werden.

Im Abspann des Films kommt der echte Childers selbst kurz zu Wort. "Wenn Ihr Kind oder ein anderes Mitglied Ihrer Familie entführt werden würde, und ich Ihnen sagte: Ich bringe es Ihnen zurück, ist es dann wichtig, wie ich das machen würde?" (pro)

Machine Gun Preacher
Universum Film GmbH, erschienen am 24. August 2012
DVD und Blu-ray, 124 Minuten
12,99 Euro (DVD) bzw. 15,99 Euro (Blu-ray)
http://www.machinegunpreacher.org/
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