Präses Schneider: Mehr Kirche im Internet

Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, plädiert dafür, dass die Kirche das Internet mehr in die Gemeindearbeit einbezieht. Er selbst empfindet die Kommunikation über das Internet jedoch als zu distanziert und gibt zu, selbst mit dem Telefon erst relativ spät in Kontakt gekommen zu sein.
Von PRO
Der Idee, dass Pastoren zusätzlich über das Web ansprechbar sind oder informieren, steht der Präses grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. "Schon heute ist es so, dass viele Anfragen per E-Mail ankommen, auch bei mir sind es einige, auf die ich dann eingehe." Die neuen Medien könnten eine "neue Kultur des Gemeindelebens" mit sich bringen, ist Schneider überzeugt. Allerdings müssten die Pfarrer aussortieren, und nicht jede Anfrage könne schnell beantwortet werden. Außerdem gelte: "Es gibt Formen der Kommunikation, die müssen persönlich sein und es bleiben. Ich denke dabei an Trauerarbeit, an Seelsorge und an bestimmte Geburtstage." Jede Gemeinde sollte für sich klären, welche Regeln gelten.

Das sagte Schneider in einem Interview mit dem Internet-Portal "evangelisch.de". Auf die Frage, wie die Kirche das Netz mehr für den Austausch von Glaubensinhalten nutzen könnte, antwortete Schneider, es könne etwa bei Absprachen von Gemeindegruppen benutzt werden. "Wir werden die Kommunikation innerhalb der Kirche zunehmend über das Internet führen, das gilt für das Amtliche wie auch innerhalb von Gemeinden, wo man keine Sitzungen ansetzen muss, sondern Diskussionen teilweise online führt." Gerade die Kirche, die sehr stark über Gremien bestimmt sei, gebe das Internet die Chance, Transparenz und Beteiligung auszuweiten. "Hier ist noch viel zu entwickeln." Ein erster Schritt könne sein, "bei jedem Presbyterium zu überlegen, was ins Netz gestellt werden kann, was getwittert wird, was an die Gemeinde mit Hilfe des Internets berichtet wird, so dass alle ganz schnell Anteil nehmen können und wissen, was gelaufen ist".

Twitter im Gottesdienst


In manchen Gottesdiensten würden Handys bereits bewusst integriert, erinnert "evangelisch.de". Die Besucher könnten noch während der Feier miteinander elektronisch kommunizieren, etwa über eine "Twitter-Wall". Diese Form des Gottesdienstes habe er zwar noch nicht erlebt, er würde es aber nicht grundsätzlich ablehnen, so Schneider. "Mein Anspruch an den Gottesdienst ist im Normalfall, dass das Handy aus ist. So sind wir miteinander eine Gemeinde und konzentrieren uns auf unser Gespräch miteinander und mit Gott."

Er selbst nutze das Internet, um sich zu informieren und zu recherchieren. "Privat spielt es eine deutlich geringere Rolle als die klassische schriftliche oder telefonische Kommunikation. Ich schreibe zum Beispiel privat mehr Briefe als E-Mails, das sind sicher rund drei, vier Briefe pro Woche", so der Präses, der seit dem Rücktritt von Bischöfin Margot Käßmann im Februar EKD-Ratsvorsitzender ist. Schneider über seine persönliche Internet-Nutzung: "Ich merke, dass ich mit diesem Medium nicht groß geworden bin, es ist mir nach wie vor emotional fremd; das Telefon übrigens auch, dazu habe ich immer noch eine gewisse Distanz, denn ich war bereits 14 oder 15 Jahre alt, als meine Eltern ein Telefon bekamen." Den Umgang mit dem Internet habe er im Alter dazu gelernt.

"Tempo der neuen Kommunikation kann schädlich sein"


Er empfinde das Internet etwa als "technischer und distanzierter als einen Brief": "Der Brief scheint mir schlicht näher und hat einen höheren Grad an zwischenmenschlicher Verbindlichkeit als das Netz." Manche Kommunikation benötige den unmittelbaren Austausch, "wo ich im Gespräch die Mimik, die Reaktion des Menschen mit allen seinen Sinnen und allen seinen Möglichkeiten erfahre".

Schneider warnte: "Kommunikation gelingt nur dann, wenn sie mit der nötigen Ruhe vollzogen wird. Das Tempo kann schädlich sein. Man kann Dinge, Prozesse, auch Beziehungen dadurch chaotisieren, dass sie schnell werden, dass man nicht mehr abwarten, hören, bedenken kann. Man muss das Netz mit Sinn und Verstand nutzen und sich ganz genau überlegen, was inhaltlich dafür in Frage kommt, wie man die Kommunikation organisiert und wer zuständig ist." Zugleich mahnte Schneider "gute Benehmen" bei der Kommunikation über die neuen Medien an. "Die Anonymität des Netzes verleitet manche, alle Formen von Höflichkeit beiseite zu lassen. Das führt zu Verrohung, und Anstand im Netz muss gelernt werden." (pro)
http://www.evangelisch.de/themen/religion/schneider-kommunikation-gelingt-nur-mit-n%C3%B6tiger-ruhe22134
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