Positive Erfahrungen mit Flüchtlingen prägen

Die Flüchtlingskrise hat Deutschland in den vergangenen Jahren geprägt. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche hat in einer aktuellen Studie die aktuelle Stimmungslage untersucht und die zukünftigen Herausforderungen in den Blick genommen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Manfred Rekowski warb bei der Vorstellung der Flüchtlingsstudie dafür, sich an die Seite der Schutzsuchenden zu stellen

Die Meinungen zur Integration von Flüchtlingen in Deutschland sind nach wie vor gespalten. Während im Osten Deutschlands die Skepsis überwiegt, hat sich die Stimmung im Westen etwas verbessert. Allerdings ist die Quote der in der Flüchtlingshilfe Engagierten im April 2017 in Ostdeutschland auf 7,7 Prozent gestiegen ist. Damit liegt sie erstmals über dem Wert im Westen (7,4 Prozent). Dies hat die Studie „…und ihr habt mich aufgenommen“ des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgefunden.

Nach wie vor unterstreichen die allermeisten Befragten (86 Prozent), dass Deutschland mit der Aufnahme von Flüchtlingen Menschen in existenzieller Not zur Seite steht. Für 56,6 Prozent der Befragten zeige sich darin das Christliche der Gesellschaft.

Anzahl positiver Erfahrungen um ein Vielfaches höher

Inzwischen haben mehr als zwei Drittel der Bevölkerung eigene Erfahrungen durch den Kontakt zu Flüchtlingen gemacht, im westlichen Bundesgebiet mehr als im östlichen. Bei denen, die Kontakt mit Flüchtlingen hatten, überwiegen die positiven Erfahrungen gegenüber den negativen deutlich. 35,6 Prozent haben positive oder eher positive Erfahrungen gemacht, 9,2 Prozent negative oder eher negative.

Davor sorgen sich die Deutschen in Bezug auf die Flüchtlingskrise

Die Menschen in Deutschland machen sich der Studie zufolge auch etwas weniger Sorgen als im Vorjahr. Reduziert hat sich die Sorge, dass die Kosten für die Flüchtlinge zu finanziellen Einsparungen in anderen Bereichen führen, und die Sorge, dass Behörden und Polizei die Situation nicht bewältigen. Fast 70 Prozent der Befragten haben Angst, dass die Zahl der extremistischen Muslime steigt.

Das Engagement für Flüchtlinge ist seit der Erhebung im vergangenen Jahr bei Sachspenden und der Unterstützung von Flüchtlingsheimen wieder zurückgegangen. Trotzdem können sich etwa drei Viertel der Befragten die eine oder andere persönliche Unterstützung der Geflüchteten vorstellen. Höher Gebildete engagieren sich häufiger als Befragte mit niedrigem Bildungsabschluss.

Selbst bei Abschiebebefürwortern humanitäre Grundstimmung

Erstmals gefragt wurde nach der Einstellung zu Abschiebung und Zuzug von Flüchtlingen. Vier von zehn Befragten sind zunächst dafür, abgelehnte Asylsuchende in jedem Fall abzuschieben. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen würde die abgelehnten Asylbewerber aber dulden, wenn deren engste Familienangehörige in Deutschland bleiben dürften. Fast drei Viertel der Abschiebungsbefürworter relativieren ihre Sicht, wenn sich die abgelehnten Asylsuchenden bereits eine Existenz aufgebaut haben. Damit zeige sich selbst bei diesen zunächst entschiedenen Abschiebungsbefürwortern eine breite humanitäre Grundstimmung, resümiert Studienleiterin Petra-Angela Ahrens.

Abschließend durften die Teilnehmer in einer offenen Frage noch ihre eigenen Lösungsansätze für das Problem zunehmender lebensbedrohlicher Fluchtversuche nach Europa und Deutschland nennen. Zwei Drittel sehen einen Ansatzpunkt darin, die Lage in den Herkunftsstaaten zu verbessern. Elf Prozent sprechen sich dafür aus, Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen und ihnen sichere Fluchtwege anzubieten. Etwas mehr als ein Viertel richtet den Blick auf eine Verhinderung oder Begrenzung der Einreise nach Europa.

„Gottes Liebe ist global“

Die EKD formulierte im Zusammenhang mit der Studie „Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration aus evangelischer Sicht“. Thesenartig geht sie darin auf zentrale Aspekte der gesellschaftlichen Diskussion ein: Gottes Liebe mache nicht an Ländergrenzen halt und sei global. Für Christen sie die Nächstenliebe das höchste Gebot. Deswegen müssten sie ihre Augen für Ungerechtigkeiten öffnen und dürften nicht auf Abschottung und Abschreckung setzen. Wichtig sei, dass die Religionsfreiheit gewahrt und die Familienzusammenführung ermöglicht werde.

Derzeit befänden sich mehr als 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – so viele wie noch nie. Rund 890.000 Flüchtlinge kamen 2015 und 280.000 2016 nach Deutschland. Mit über 30.000 Toten in den letzten 15 Jahren sei die EU-Außengrenze die tödlichste der Welt. 2016 habe es in Deutschland etwa 3.500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben.

Rekowski: „An die Seite der Schutzsuchenden stellen“

Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender der Kammer der EKD für Migration und Integration, warb bei der Vorstellung der Studie dafür, sich „an die Seite von Schutzsuchenden zu stellen“. Auch in der Kirche kämen Menschen in dieser kontroversen Debatte zu unterschiedlichen Antworten. Die auf dem Meer gestorbenen Flüchtlinge seien Opfer einer verfehlten Politik. Christen seien in der Verantwortung, diese Not zu lindern.

Das Sozialwissenschaftliche Institut hat seit November 2015 regelmäßig die Erwartungen der deutschen Bevölkerung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland untersucht. Die ersten Ergebnisse der heute vorgestellten Studie gibt es unter ekd.de/flucht. Die Zahlen wurden in bundesweiten Telefonumfragen bei über 14 Jahre alten Deutschsprachigen erhoben. (pro)

Von: jw

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