Politische Extremisten agieren besonders perfide

Die Initiative Jugendschutz.net drängt darauf, Kinder und Jugendliche im Internet besser vor für sie ungeeigneten Inhalten zu schützen. Besonders Islamisten und Rechtsextreme versuchten, durch getarnte Propaganda Nachwuchs anzuwerben.
Von PRO
Kinder und Jugendliche werden im Netz oft mit Hassbotschaften und politischer Propaganda konfrontiert. Jugendschutz.net fordert besseren Schutz.

Das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz, Jugendschutz.net, fordert, Kinder und Jugendliche online stärker gegen Übergriffe und für sie ungeeignete Inhalte zu schützen. Das geht aus dem Jahresbericht 2016 hervor, den die Initiative am Freitag präsentierte. „Nötiger denn je ist eine Kultur geteilter Verantwortung. Auf zunehmenden Hass im Netz und Cybermobbing, alltägliche Übergriffe auf Kinder und unzulässige Abfragen persönlicher Daten müssen Jugend­, Verbraucher­ und Datenschutz, Strafverfolgung, Unternehmen und Pädagogik gemeinsam Antworten finden“, heißt es in der Einschätzung.

Insgesamt überprüfte Jugendschutz.net im vergangenen Jahr mehr als 120.000 Angebote auf Verstöße gegen den Jugendschutz. Über 6.000 von ihnen wurden als solche eingestuft. Bei 38 Prozent der Fälle handelte es sich um Verstöße aus dem Umfeld des politischen Extremismus, 13 Prozent waren Darstellungen der sexuellen Ausbeutung. 21 Prozent enthielten pornografische, 16 Prozent jugendgefährdende Inhalte. Sechs Prozent waren entwicklungsbeeinträchtigend für Jugendliche.

Sexuelle Ausbeutung: Alltagsbilder missbraucht

Beim Thema politischer Extremismus stellten die Forscher fest, dass Dschihadisten Kinder und Jugendliche mit Abenteuern und Apps versuchen anzulocken. Mit Darstellungen von Minderjährigen als Rekruten, Kämpfer und Henker verkläre vor allem die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den bewaffneten Kampf gegen „Ungläubige“. Gewaltvideos signalisierten Überlegenheit. Die Islamisten nutzten vor allem den Messenger-Dienst Telegram, zu dem Jugendliche über Facebook-Profile ohne erkennbaren extremistischen Hintergrund gelockt würden. Durch Spiele-Apps würde versucht, Kinder zu indoktrinieren. Außderdem stellten die Forscher fest, dass Rechtsextreme durch Fake News versuchten, zu Hass anzustacheln. Es handele sich dabei oft um subtile Beeinflussung und verknüpfe Propaganda mit den Lebenswelten der Jugendlichen.

Bei sexueller Ausbeutung würden zum Beispiel Alltagsbilder von Kindern für sexuelle Zwecke missbraucht – unter anderem Urlaubsfotografien von Kindern in Badebekleidung, die Familien ins Netz stellten. Darstellung von sexueller Gewalt fände sich vor allem auf ausländischen Servern. Hauptverbreitungsländer im Ausland gehosteter Inhalte seien die USA mit 44 Prozent, die Niederlande mit 20 Prozent und Russland mit 12 Prozent.

Seitenbetreiber reagieren unzureichend

Als gefährlich stufte Jugendschutz.net außerdem vernetztes Spielzeug und das Handy-Spiel „Pokémon Go“ ein. Solches Spielzeug offenbare erhebliche Risiken für die persönliche Integrität von Kindern. Die Spielzeuge verlangten beispielsweise Zugriff auf sensible Daten, zum Beispiel Geräte­ID und Standort, oder übertrügen Gespräche aus Kinderzimmern auf Server im Internet. Bei „Pokémon Go“ würden Kinder und Jugendliche zum Kauf von Spielfortschritten animiert, die realen Geldbeträge würden durch eine Spielwährung verschleiert. Ortungsfunktionen und interaktive Apps von Drittanbietern drohten, User an Gefahrenorte zu locken.

Viele Plattformen und Apps seien zudem unsicher. Zwar gebe es etwa bei YouTube, Facebook und Twitter gute Möglichkeiten, unzulässige Hassbotschaften zu melden. Die Reaktionen von Seiten der Betreiber seien im Test von Jugendschutz.net jedoch unzureichend gewesen. Durch Apps könnten Kinder mit Inhalten konfrontiert werden, die sie ängstigen oder ihre Unerfahrenheit ausnutzen. Durch Kommunikationsmöglichkeiten entstehe die Gefahr, dass Dritte sie ausforschen oder belästigen. Hinzu kämen verschleierte Datenströme, die persönliche oder ortsbezogene Daten ohne Kenntnis des Users weitergeben.

Um Kinder und Jugendliche besser zu schützen, fordert Jugendschutz.net, das Beschwerdemanagement zu verbessern, wenn Unternehmen Selbstverpflichtungen abgegeben hätten. Bei seinen Überprüfungen habe Jugendschutz.net festgestellt, dass die zentrale Vereinbarung von Google, Facebook und Twitter gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und der EU, Hassbotschaften innnerhalb von 24 Stunden zu löschen, meistens nicht eingehalten wurde. Außerdem müssten die internen Standards der Unternehmen die Bedürfnisse des Jugendschutzes besser berücksichtigen. Zudem müsse die Zusammenarbeit zwischen Jugend­, Verbraucher­ und Datenschutz, Unternehmen und Politik bei der Weiterentwicklung von zeitgemäßen Konzepten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz verbessert werden.

Jugendschutz.net arbeitet mit dem gesetzlichen Auftrag, der im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) niedergelegt ist. Die Initiative drängt Anbieter, Onlineangebote so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche nicht gefährdet werden. Sie recherchiert Risiken in jugendaffinen Diensten, nimmt über die Meldestelle Hinweise auf Verstöße gegen den Jugendmedienschutz entgegen und sorgt für deren Beseitigung. (pro)

Von: sz

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