Politiker und ihr Glaube: „Das ‚C‘ ist ein Stachel

Es kommt nicht oft vor, dass sich Bundespolitiker offen zum Glauben bekennen. Eine neue Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt Ungewohntes: Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble oder auch Kristina Schröder beschreiben in der Aufsatzsammlung "Damit ihr Hoffnung habt", welchen Einfluss der Glaube auf ihre Politik hat. Das knapp 250 Seiten umfassende Buch soll kostenlos an die Besucher des Kirchentages verteilt werden.   

Von PRO

Wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sich öffentlich äußert, hat das meist mit seinem Amt und deshalb mit Geld zu tun. Im neuen Buch der Konrad-Adenauer-Stiftung aber zeigt der Politiker sich von einer neuen Seite: "Der christliche Glaube ist keine ‚Wundertüte‘, aus der sich jederzeit Komplettlösungen für drängende Probleme unserer Zeit zaubern lassen. Trotzdem brauchen wir Religion, weil religiöse Werte für unser individuelles und gemeinschaftliches Leben von Bedeutung sind und uns Orientierung geben", schreibt er da und bezeichnet seinen christlichen Glauben als politisches Fundament. Grundlegend sei für ihn der Bezug auf Gott – auch im Politischen: "Dabei kommt es aus meiner Sicht entscheidend darauf an, dass wir Menschen wissen, dass wir mit unserem eigenen Leben und Tun in der Verantwortung vor einer Autorität stehen, die wir nicht selbst eingesetzt haben (…) Der Bezug auf Gott nötigt uns dazu, unsere eigenen Grenzen zu bedenken und zu respektieren."

Das Buch "Damit ihr Hoffnung habt" ist pünktlich zum Kirchentag, der in der kommenden Woche beginnt, erschienen. In neun Kapiteln erklären bekannte Persönlichkeiten – je zwei aus der Politik und zwei aus der Kirche –, was es mit ihrem Glauben auf sich hat. Dass die Aufsatzsammlung aus Anlass des Ökumenischen Kirchentages in München entstanden ist, zeigt auch der Aufbau: Pro Abschnitt kommen Vertreter beider Konfessionen zu Wort. In den Kapiteln geht es darum, was das vielbeschworene ‚C‘ in der Politik überhaupt bedeutet, wie Religion im öffentlichen Raum gelebt werden darf und sollte, um den Sozialstaat oder um den Werteerhalt in der Postmoderne.

"Das ‚C‘ ist nicht belanglos"

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hat das Buch am Montag in Berlin vorgestellt. Die Botschaft weise über den Kirchentag hinaus, sagte er. Das Buch solle "zum vertieften Nachdenken über wertorientierte Politik" anregen und klar machen: "Das C ist kein belangloses Beiwerk." Es sei vielmehr ein "Stachel", der herausfordere und ermutige. Was aber ist das Christliche in der Politik genau? Für Pöttering ist die Antwort klar: Es ist das Zugrundelegen der Menschenwürde unter jede politische Entscheidung. Solche Werte seien es, die eine Partei wie die CDU auch in entkirchlichten Zeiten für Wähler interessant machten. "Jeder ist auf der Suche", sagte Pöttering. Die christliche Wertebasis sei somit auch für Nichtgläubige interessant.

Insgesamt 35 Persönlichkeiten legen ihren Standpunkt zum C in "Damit ihr Hoffnung habt" dar. Unter ihnen ist auch der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. Immer wieder müssten die Menschen fragen: "Was können wir als Christen tun? Was sollten wir als Christen tun? Wie kann es gelingen, Gott in unserem politischen, sozialen und gesellschaftlichen Handeln gerecht zu werden?" Seine Antwort mutet evangelistisch an: Egal welche politische Antwort der Mensch auf schwierige Fragen finde, "sie wird nie umfassend ‚gerecht‘ sein vor Gott – das schaffen wir einfach nicht. Und als Christen müssen wir es auch nicht: Gott liebt uns mit allen unseren Fehlern und ohne Ansehen unserer Leistungen, unserer Erfolge und unserer irdischen Bedeutung. Er liebt uns einfach so, ohne Gegenleistung." Wichtig sei es, im politischen Handeln als Christ erkennbar zu bleiben. "Aber keine politische Position ist ‚heilsnotwendig‘ im theologischen Sinne, und umgekehrt kann keine Position uns von der Hoffnung auf die Gnade Gottes ausschließen", schreibt Beckstein.

Schröder: Ein neues christliches Familienbild

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hingegen definiert Familienpolitik im Zeichen des "C" für sich ganz neu: Eine solche Politik respektiere die Vielfalt gleichberechtigter Lebensentwürfe. Sie unterstütze Menschen, damit diese ihre Verantwortung gegenüber ihrer Familie tragen könnten. Sie sehe nicht Geld, sondern Zeit als wertvollstes Gut für die Familie an. Sie biete faire Chancen für jeden – auch Familien mit Lebensentwürfen abseits traditioneller Ehen. "Politik im Zeichen des ‚C‘ ist, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft grundlegenden Werte zu bewahren. Politik im Zeichen des ‚C‘ ist, die nur weltanschaulich begründbaren Werte der individuellen Entscheidungsfreiheit zu überlassen. Und Politik im Zeichen des ‚C‘ ist die Fähigkeit, das eine vom anderen zu unterscheiden", schließt Schröder.

Der Präsident des Bundestages, Norbert Lammert, warnt vor einer "Politisierung religiöser Überzeugungen" oder theologischen Überhöhungen politischer Positionen. Dennoch seien christliche Werte die "wesentliche Quelle jener gemeinsamen Überzeugungen und Orientierungen unserer Gesellschaft, ohne die auch die Regeln dieser Gesellschaft und ihre gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf Dauer keinen Bestand hätten." Die Religion sei nicht die einzige, aber eine unverzichtbare Quelle von Werten in einer Gesellschaft. So sollten die Kirchen "ihre Botschaft einbringen in die Geschäftigkeit der Gesellschaft. Das muss knirschen – nicht ständig, aber es muss knirschen dürfen, auch und gerade innerhalb einer Partei, die das ‚C‘ im Namen trägt."

De Maizière: Gelebte Nächstenliebe

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist christlicher Glaube gelebte Nächstenliebe: "Wer glaubt, der handelt aus freien Stücken und zur Freude Gottes. Wer glaubt, der stellt sich in den Dienst des Nächsten, um Gutes zu bewirken. Der Glaube macht frei – frei zu guten Werken." Die Bibel enthalte kein Parteiprogramm. Ebenso wenig sei sie ein Selbstbedienungsladen, aus dem sich jeder nehmen könne, was ihm beliebe. "Die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften ist notwendig und erwünscht", schreibt er.

Verliert die C-Politik an Bedeutung, wenn muslimische Minister vereidigt werden, wie die kurdischstämmige niedersächsische Politikerin Aygul Özkan in der vergangenen Woche? Hans-Gert Pöttering meint: nein. Ein solcher Vorgang weise vielmehr auf die Gemeinsamkeiten aller Gläubigen hin, erklärte er in Berlin. "Werte sind nicht auf Christen beschränkt", sagte er. Der Gottesbezug sei letztendlich eine Gemeinsamkeit von Christen und Muslimen. Und Gemeinsamkeiten sind Stärken, ist Pöttering überzeugt. (pro)

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