Politiker-LAN: Ballern im Bundestag

Am Mittwoch haben Abgeordnete zur ersten Politiker-LAN-Party in den Bundestag eingeladen. Hier sollten die Mitglieder des Bundestages selbst einmal zum Gamepad greifen, um den Reiz von Ego-Shootern, Sport- und Geschicklichkeitsspielen zu verstehen. Doch schon im Vorfeld meldeten sich Kritiker zu Wort.

Von PRO

So mancher Abgeordneter mag am Mittwochabend wohl noch die Warnung des Innenministers Thomas de Maizière vor Terroranschlägen in Deutschland im Ohr haben, als die große Jagd beginnt. Es ist eine Jagd auf jene, die die Demokratie in Angst und Schrecken versetzen und wehrlosen Bürgern schaden wollen. In der obersten Etage des Reichstages wird an diesem Abend die Welt vor Terroristen gerettet. Und es werden Autorennen gefahren. Und Tennis gespielt, virtuell, versteht sich. Zum ersten Mal hat der Bundestag zu einer Politiker-LAN-Party eingeladen. Initiatoren der Veranstaltung sind die Abgeordneten Dorothee Bär (CSU), Jimmy Schulz (FDP) und Manuel Höferlin (FDP). Sie wollen "diejenigen, die zu viel darüber sprechen, aber keine Erfahrung haben", dazu bringen, selbst einmal die Maus, den Joystick oder das Gamepad in die Hand zu nehmen und drauf los zu zocken, wie Bär am Abend der Veranstaltung erklärt. Denn, auch das stellt sie klar: "Computerspiele sind ein Kulturgut."

Counter-Strike: "Das ist eine Art moderne Räuber und Gendarme"

Ob nun der Egoshooter "Counter-Strike" ein Kulturgut ist, darüber mögen sich die Geister scheiden. Der FDP-Abgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen jedenfalls findet seinen Gefallen an dem Spiel, dessen Verbot spätestens seit dem Amoklauf von Winnenden immer wieder diskutiert wird. Der Amokläufer selbst soll es regelmäßig gespielt haben. "Sie jagen hier Terroristen, es ist ein bisschen wie ein modernes ‚Räuber und Gendarme’", erklärt ein Spieleexperte dem Politiker, der sichtlich Probleme mit der Handhabung von Maus und Tastatur hat. "Ich habe hier Orientierungsschwierigkeiten", sagt Müller-Sönksen, will dann aber doch fast den ganzen Abend lang nicht von dem Laptop lassen. Ihm gegenüber sitzen fünf Gegner. Gemeinsam mit seinem Helfer jagen sich Terroristen und der Abgeordnete durch die verwinkelten Gänge der virtuellen Welt.

Wenige Meter weiter versucht sich die SPD-Politikerin Brigitte Zypries an einem sogenannten Bewegungsspiel. Es scheint, als habe sie ein Talent für Tennis – zumindest in der Version für die Playstation 3. Immer wieder hebt sie die Hand, in der sie den Controller hält, zum Aufschlag, pariert die Konter ihres Gegners und zeigt, was auch der Abgeordnete Höferlin feststellt: "Das Bild vom bewegungslosen computerspielenden Jugendlichen ist falsch." Bei modernen Computerspielen müsse man aktiv sein, spiele man im Team oder – vernetzt – gegen andere.

Doch egal, ob Bewegung oder nicht, weniger spaßig findet die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), das Politikerzocken. Sie selber habe keine Motivation, Computerspiele zu nutzen, sagt sie. Das überlasse sie lieber anderen. Dennoch will sie eine Warnung los werden: "Viele verlieren sich in dieser Internetwelt". Sie fordere Eltern deshalb auf: "Sehen Sie in die Kinderzimmer hinein!" Trotz ihrer Ablehnung ist sie, gemeinsam mit rund 50 Abgeordneten, zur LAN-Party im Reichstag erschienen.

"Killerspiele nicht auch noch vorführen"

Doch die Veranstaltung hatte schon im Vorfeld Kritiker auf den Plan gerufen. Dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, schmeckte vor allem die Vorführung des Spiels "Counter-Strike" nicht: "Ich hätte es natürlich lieber gesehen, wenn man Killerspiele nicht auch noch vorführt – womöglich auch noch unkritisch als ein Spiel wie jedes andere", zitierte ihn die "Tagesschau" am Mittwoch. "Solche Killerspiele, die üble Instinkte im Menschen wachrufen, dürfen Jugendlichen nicht zur Verfügung gestellt werden", findet er. Zu den Kritikern der LAN-Party gehört auch Hardy Schober, der Sprecher des Aktionsbündnisses "Amoklauf Winnenden". Er fühle sich von Politikern verhöhnt, die bei einer Party gegeneinander antreten, um zu lernen, wie man virtuell tötet.

Der extra aus Leipzig angereiste Medienpädagoge Bernd Schorb widerspricht den Kritikern an diesem Abend im Reichstag. "Die Alten" sähen die Spiele oft nur von außen, wüssten aber nicht, warum Jugendliche sich überhaupt dafür begeisterten. Deshalb plädiert er für "intergenerative Arbeit" im Bereich Computerspiele. Eine Art Völkerverständigung zwischen Jung und Alt, die auch das Zocken der älteren Generation umfasst. Auch wenn sie noch nicht so ganz zu den "Alten" zählen mag, geht auch die 32-jährige Initiatorin Bär dabei mit gutem Beispiel voran. Nicht nur das Nintendo 3DS-Spiel "Rabbids" hat es ihr angetan. Noch während der Vorstellung der einzelnen Spielstationen fordert sie ihren Kollegen Höferlin außerdem zu einem Zweikampf an einer Konsole heraus. Der fackelt nicht lang: "Mario Kart wartet schon!" (pro)

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