Österreichs Parlament organisierte Gebetsfeier: „Freundschaft mit Jesus“

Unter der Leitung der ÖVP-Abgeordneten Gudrun Kugler organisierte das „Komitee des nationalen Gebetsfrühstücks“ im Advent eine Gebetsfeier im österreichischen Parlament. Teilgenommen haben Vertreter von insgesamt acht christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften sowie Abgeordnete von ÖVP und FPÖ. Die anderen Parteien blieben dem Event hingegen fern, von linker und liberaler Seite hagelte es Kritik. Von Raffael Reithofer
Von PRO
Die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler organisierte die Gebetsfeier

Während in den Häusern, Wohnungen und Büros des Landes die zweite Kerze des Adventkranzes brennt, haben sich einige Abgeordnete des österreichischen Parlaments am Dienstag zu einer Gebetsfeier getroffen, deren stimmiger Titel „Hoffnung in der Krise“ lautete. „Man könne fragen: Warum beten wir nicht im stillen Kämmerlein“, meinte die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler, die die Feier organisiert hat, zum Einstand: „Das tun wir auch, aber wir hoffen auf das Wort: ‚Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt. 18,20; Anm. d. Red.)‘“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ebenfalls ÖVP) meinte wiederum, man möchte mit dieser Veranstaltung „allen, die das wollen“, ein Angebot bieten. Das gemeinsame Gebet biete die Möglichkeit, „hineinzuhören und mit Gott in Verbindung zu treten“.

Pandemiebedingt hat die Gebetsfeier teilweise online stattgefunden – die teilnehmenden Abgeordneten trafen sich in einem Festsaal in der Wiener Hofburg (die aufgrund von Bauarbeiten derzeit auch das Parlament beherbergt), während Vertreter von sieben christlichen Kirchen sowie Oberrabbiner Jaron Engelmayer von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien zu digitalen Kurzimpulsen zugeschaltet waren. Auf die Bitte des Rabbiners hin ist die Veranstaltung zudem im Vorfeld umbenannt worden: Aus der „adventlichen Gebetsfeier“ wurde die „gemeinsame Gebetsfeier“.

Auch die Musik wurde digital eingespielt, sie stammte vom Salzburger YouTube-Kanal Home Church TV, der zur katholisch-charismatischen Loretto-Bewegung gehört. Das mit Tannenbäumen, Kerzen und einem Weidezaun geschmückte Musikstudio erinnerte mitunter an eine Weihnachtssendung im ZDF oder auf ORF 2, während die beiden aus Salzburg zugeschalteten jungen Musiker Bonhoeffers „Von Guten Mächten“ und den Aaronitischen Segen schlicht, aber stimmungsvoll interpretierten.

Trost in schweren Zeiten

Die Präsidentin des österreichischen Bundesrats, Andrea Eder-Gitschthaler, neben dem Nationalrat die zweite Kammer des Parlaments, bezog sich in ihrer Ansprache unter anderem auf Franz von Sales. Mit Bezug auf die Historie meinte sie: „Der Glaube und die Hoffnung haben auch in der Geschichte Österreichs und in seinem politischen Geschehen gerade auch in seinen dunkelsten Stunden eine große Rolle gespielt.“ Das lässt sich vielleicht in Hinblick auf die Rolle von gläubigen Christen – in Österreich natürlich hauptsächlich Katholiken – in der Zeit des Nationalsozialismus interpretieren, etwa auf Franz Jägerstätter und seine Frau Franziska.

Die ehemalige Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic, (das Amt entspricht in etwa dem einer Ministerpräsidentin in Deutschland, Anm. d. Red.) nahm hingegen auf die jüngere Geschichte Bezug, etwa auf das Grubenunglück im steirischen Lassing 1998, das in Österreich gewissermaßen als nationale Tragödie gilt: Damals versuchten zehn Bergleute, den verunglückten Bergarbeiter Georg Hainzl zu retten. Die zehnköpfige Rettungsmannschaft starb, während Hainzl wie durch ein Wunder schließlich doch noch gerettet werden konnte. Klasnic, die als Landeshauptfrau den Angehörigen damals persönlich Trost zusprach und danach das Kriseninterventionsteam der Steiermark als psychosozialen Notdienst ins Leben rief, erinnert sich bei der Gebetsfeier: „‚Der Herrgott hat entschieden‘, habe ich in einer Stunde der Trauer und Verzweiflung gesagt: ‚Ein Mensch ist gerettet worden, zehn sind gestorben‘.“

„Freundschaft mit Jesus“ und Kritik von Liberalen

Den Hauptimpuls der Gebetsfeier hat unterdessen der Gründer der Loretto-Bewegung, Georg Mayr-Melnhof, gehalten. Die Bewegung hat innerhalb der katholischen Kirche einen dezidiert missionarischen beziehungsweise evangelistischen Anspruch und sehnt sich laut Homepage nach einem „neuen Feuer des Heiligen Geistes in unserem Land“.

Helnhof erzählte aus seinen Leben und meinte, dass er sich schon seit seiner Kindheit gefragt hat: „Gibt es noch mehr als dieses Leben?“ Die traditionelle kirchliche Frömmigkeit habe diese Sehnsucht nicht gestillt, mit 17 habe er jedoch die Liebe Gottes auf einer Wallfahrt erfahren. Heute versucht der Gründer der Loretto-Gemeinschaft, „meine Freundschaft mit Jesus jeden Tag zu pflegen.“ Denn das sei, was im Himmel zähle. Für die Adventszeit empfiehlt Mayr-Melnhof in der Parlamentsfeier: „Machen wir uns in diesen Tagen auf die Suche nach dem Kind von Betlehem. Ein bisschen Stille, ein paar Verse aus der Heiligen Schrift. Geben wir Gott in unserem Leben eine Chance. Mögen wir alle in diesen so stürmischen und verwirrten Zeiten die Gnade bekommen, ihn zu finden.“

Von linker und liberaler Seite bekam die adventliche Gebetsfeier in Österreich einiges an kritischer Aufmerksamkeit. Ein Abgeordneter der Grünen hat seine Teilnahme an der Veranstaltung nach vorheriger Zusage am Mittwoch vergangener Woche wieder abgesagt. Da auch Abgeordnete der liberalen NEOS sowie der SPÖ fehlten, haben schließlich nur Mandatare der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ an der Gebetsfeier teilgenommen.

Die NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte eine zumindest von ihr so wahrgenommene Doppelzüngigkeit. So schrieb der Generalsekretär der Wiener Caritas, Klaus Schwertner, auf Twitter: „Noch immer hat Österreich keine einzige geflüchtete Familie, kein einziges geflüchtetes Kind aus Griechenland aufgenommen. Heute starke Regenfälle auf Lesbos. Die Menschen versinken im Dreck, schlafen auch heute Nacht in Zelten, es ist kalt“, woraufhin Meinl-Reisinger antwortete: „Aber Hauptsache, man trägt das Christentum wie eine Monstranz vor sich her und betet via Livestream im Parlament.“

Die linksliberale Tageszeitung Der Standard berichtete im Vorfeld über die als „äußerst konservativ, bibeltreu und elitär“ geltende Loretto-Bewegung und gestaltete während der Feier sogar einen Liveticker von der auf der Parlamentshomepage gestreamten Veranstaltung, da „die Vorberichterstattung zu diesem Gebetsabend auf unerwartetes Interesse“ gestoßen sei. Vonseiten der mitunter vehement atheistischen Leserschaft der Tageszeitung stieß die Gebetsfeier in über 4.700 Postings auf teils sehr brachiale Ablehnung. Die Zeitung musste ihre User sogar ermahnen, fair zu bleiben, während ein Redakteur kritisierte, dass die Gebetsveranstaltung vom Parlament, „also mit unserem Steuergeld“ finanziert wurde.

Auf positive Resonanz gestoßen dürfte die Veranstaltung hingegen bei den Radiosendern Radio Maria, Radio Stephansdom, dem Digitalradio ERF Plus sowie dem Onlineportal glaube.at gestoßen sein, die die gemeinsame Gebetsfeier des Parlaments nebst einigen kleineren Sendern und Plattformen live übertragen haben. Und vielleicht gilt auch bei der Beurteilung der Gebetsfeier der Rat der bereits zitierten Waltraud Klasnic: „Ein hilfreiches Rezept“ sei: „Bevor man antwortet, leise bis drei zählen. Wie hat Peter Rosegger (ein bekannter österreichischer Dichter rund um die Jahrhundertwende, Anm. d. Red.) in der Weihnachtszeit gesagt: Das Ziel sei der Friede des Herzens.“

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen