Biden und Trump: Wie Feuer und Wasser

Im US-Präsidentschaftswahlkampf treten zwei Kandidaten gegeneinander an, die außer ihrem hohen Alter wenig gemein haben. Beide buhlen auch um die Gunst gläubiger Menschen, ohne die in den USA keine Wahl zu gewinnen ist. Wie stehen ihre Chancen bei den Frommen?
Von Nicolai Franz
Fordert Donald Trump in der US-Präsidentschaftswahl heraus: Demokrat Joe Biden

Der Herausforderer: Joe Biden

Glaube: Joe Biden spricht häufig öffentlich über seinen Glauben, wenn auch in ganz anderer Weise als Donald Trump. Im Laufe seiner langen Karriere – Biden ist 77 – hat er mehrere Schicksalsschläge erlitten. Seine erste Frau starb, auch sein Sohn Beau kam vor Jahren ums Leben. An seiner Hand trägt der Katholik Biden bis heute einen Rosenkranz, der seinem Sohn gehörte. Der ehemalige Vize­präsident von Barack Oba­ma wurde katholisch erzogen und von Nonnen unterrichtet. Als Triebfeder für seine Einstellung in sozialpolitischen Fragen hat Biden Ende 2019 einen Vers aus dem Matthäus­evangelium genannt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen  geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Im August griff Trump Biden an, dieser wolle „die Bibel verletzen, Gott verletzen“ und sprach ihm den Glauben ab. Biden reagierte auf die Attacke mit einem Text, in dem er diese als schändlich geißelte und ein Bekenntnis zu seinem Glauben abgab. Schwierigkeiten bekam der Politiker allerdings im Oktober 2019, als ein Priester ihm die Kommunion verweigerte. Der Grund: Seine liberale Haltung zur Abtreibung.

Kamala Harris tritt als Vize-Kandidatin für Biden an Foto: US-Senat
Kamala Harris tritt als Vize-Kandidatin für Biden an

Vize-Kandidatin: Kamala Harris ging als Kind und Jugendliche in eine Baptistengemeinde im kalifornischen Oakland. Sie sang dort im Chor – und besuchte mit ihrer aus Indien stammenden Mutter auch einen Hindu-Tempel. Religiöse Bezüge finden sich bei Harris vor allem, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Im Vorwahlkampf, in dem sie gegen Joe Biden antrat, nahm sie immer wieder Bezug auf das Vorbild des barmherzigen Samariters.

Unterstützung durch Christen: Es ist zweifelhaft, ob das Gespann aus Biden und Harris eine nennenswerte Zahl an Evangelikalen für sich gewinnen kann. Vor allem Harris gilt in konservativen christlichen Kreisen als absolute Reizfigur. In ihrer Karriere hatte sie sich immer wieder für ein Recht auf Abtreibung eingesetzt. Abgesehen davon könnte für evangelikale Wähler allerdings ein wichtiger Trump-Trumpf weggefallen sein: Die Ernennung von mehreren Richtern am Supreme Court. Trump hat dafür gesorgt, dass das Verfassungsgericht über Jahrzehnte von Konservativen dominiert werden könnte. Mit diesem Versprechen kann er also nicht mehr in den Wahlkampf ziehen. Es ist daher denkbar, dass moderate Evangelikale, vergleichbar mit ihren europäischen Geschwistern, sich angesichts der Eskapaden Trumps doch für Biden entscheiden. Wochen vor der Wahl gilt jedoch: Zwar hat Biden einen Vorsprung, doch noch ist alles offen.

Der Amtsinhaber: Donald Trump

Glaube: Der 74-jährige Amtsinhaber weiß, wie sehr er auf die Stimmen der Evangelikalen angewiesen ist – und nutzt dafür oft die ganz große Geste. So posierte Trump während der Black-Lives-Matter-Proteste mit einer Bibel in der Hand, was auf harte Kritik stieß. Er umgibt sich regelmäßig mit Pastoren, darunter auch Wohlstands­evangelisten wie Paula White. Wie es mit Trumps persönlichem Glauben aussieht, ist schwer zu sagen. Er lässt gern für sich beten und zeigt das ebenso gern öffentlich. Mehrfach betonte er allerdings, Gott nie um Vergebung gebeten zu haben. „Ich mache nicht viele Dinge, die schlecht sind.“ Mit Trumps Bibelfestigkeit ist es offenbar nicht weit her. Anfang 2016 sprach er in der renommierten evangelikalen Liberty Universität und zitierte einen Vers aus dem Zweiten Korintherbrief, sprach aber wiederholt von „Two Corinthians“ anstelle von „Second Corinthians“, vermutlich weil im Manuskript wie üblich „2 Corinthians“ stand. Als Trump Ende August nach seiner Lieblingsbibelstelle gefragt wurde, wollte – oder konnte? – er darauf nicht antworten. Dies sei zu persönlich. Trotzdem bezeichnet Trump die Bibel als sein „Lieblingsbuch“.

Der Vize-Kandidat für die Republikaner: Mike Pence Foto: White House
Der Vize-Kandidat für die Republikaner: Mike Pence

Vize-Kandidat: Mike Pence ist die Schlüsselfigur an der Seite des Präsidenten. Zwischen Pence und Trump passt zumindest nach außen hin kein Blatt Papier. Anders als die vielen Berater, die Trump in seiner Amtszeit verschlissen hat, vollzog Pence seine Aufgabe geräuschlos und völlig loyal. Pence machte in jungen Jahren zwei Bekehrungen durch: Ursprünglich war er Demokrat und Katholik, bis er im College zum „wiedergeborenen“, also evangelikalen Christen und Republikaner wurde. Der Vizepräsident gilt als wichtigstes Bindeglied zwischen dem Präsidenten und den konservativen Christen.

Unterstützung durch Christen: Etwa 80 Prozent der weißen Evangelikalen haben vor vier Jahren Trump gewählt. Wer dachte, dass dessen erste Amtszeit oder die Pandemie etwas grundlegend daran ändern würde, scheint sich geirrt zu haben. Trotz vieler verbaler Ausfälle und dem Missmanagement der Corona-Krise gab die große evangelikale Mehrheit Wochen vor der Wahl an, für Trump zu stimmen, auch wenn es Verstimmungen gibt. Zentrales Thema ist für die Evangelikalen die Haltung zur Abtreibung: Trump unterstützt Lebensschützer und bekämpft Organisationen wie Planned Parenthood, die Abtreibungen durchführen. Aufgrund von Trumps harter Haltung in dieser Frage dürften erneut wieder viele Christen für ihn stimmen – manche mit Zähne­knirschen, andere aus voller Überzeugung.

Von: Nicolai Franz

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 5/2020 des Christlichen Medienmagazins pro, das am 19. Oktober erscheint. Sie können die pro hier bestellen.

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