Steinmeier fordert ethische Mindeststandards in der digitalen Welt

Zur Auftaktveranstaltung des Forschungsprojektes „Ethik der Digitalisierung“ hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine weltweit einheitliche Verständigung auf ethische Standards gefordert. Das Projekt soll dafür der Startschuss sein.
Von PRO
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Ein Forscherteam soll unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten konkrete Handlungsempfehlungen für internationale Digitalpolitik erarbeiten. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie in einer digitalisierten Welt gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt und Freiheit garantiert werden kann. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am Montag auf der Auftaktkonferenz in Schloss Bellevue, dass Technologie dem Menschen dienen müssen.

Dabei könne Technologie auf verschiedenen Wegen zum Besseren verhelfen. Digitale Technik könne Unterdrückung überwinden, Armut lindern, Bildung und Aufklärung verbreiten und die Umwelt schützen. Für Steinmeier sei die Ethik der Digitalisierung daher „zuallererst eine Ethik der Freiheit“.

Diese Ethik müsse aber gemeinsam von der internationalen Staatengemeinschaft definiert werden. Rechtliche Normen könnten erst umgesetzt werden, wenn es einen Konsens bezüglich der ethischen Minimalstandards gebe, sagte Steinmeier. Deutschland und Europa seien bereits mit eigenen ethischen Vorstellungen auf einem guten Weg.

Kein „Recht des Dschungels“

International sehe die Situation jedoch anders aus. Gerade der Konflikt zwischen den USA und China zeige dies deutlich. „Bestrebungen, das Internet zum Zweck staatlicher Kontrolle und wirtschaftlicher Vorteile zu renationalisieren und aufzuspalten – ein ‚Spliternet‘ gewissermaßen –, sind ein Ausdruck dieses Konflikts“, sagte Steinmeier. Die Gefahr, dass in der digitalen Welt „das Recht des Dschungels“ gelte, drohe weltweit. Das könne aber in niemandes Interesse liegen. Daher sei es an der Zeit, selbst die Initiative zu ergreifen. Mit dem Start des Forschungsprojektes sei damit ein erster Schritt getan.

Um eine einheitliche Ethik zu gewährleisten, bedürfe es weiterhin Institutionen und Regeln, die die Zusammenarbeit von Staaten und Gesellschaft ermöglichen. Für Steinmeier sei diese Ethik das Fundament einer besseren Politik und kein „individueller Tugendappell“.

„Leben in einer Zeit des Wandels“

Erfolgreich könne das Forschungsprojekt nur werden, wenn es gelingt, Wissensarbeit zu leisten, die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu überwinden und kulturelle Unterschiede mit einzubeziehen, sagte der Forschungsdirektor des Global Network of Internet and Society Research Centers, Wolfgang Schulz, in einer anschließenden Diskussionsrunde.

Die ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) lobte ebenfalls das neue Projekt. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik habe in den vergangenen Jahren „massiv an Bedeutung gewonnen“. Das zeige nicht zuletzt die Corona-Krise. Beide seien Suchende, die nicht in Dogmen arbeiten. In der heutigen Zeit des Wandels sei diese Zusammenarbeit umso wichtiger. Dabei dürfe man jedoch nicht vergessen, dass andere Kulturkreise außerhalb der westlichen Welt eigene ethische Maßstäbe hätten. Dies treffe beispielsweise auf China zu. Schavan zeigte sich optimistisch, dass die vielen jungen Chinesen, die in Europa oder Asien studieren, mittelfristig einen Diskurs über Freiheit in China anstoßen könnten.

Mit dem Projekt „Ethik der Digitalisierung“ knüpft der Bundespräsident an Schwerpunkte seiner Reisen nach China und den USA, sowie seiner Rede bei der Konferenz Re:publica 2019 an. Umgesetzt wird „Ethik der Digitalisierung“ vom Global Network of Internet and Society Research Center, einem Verbund von über 100 internationalen Forschungsinstituten, in Kooperation mit der Stiftung Mercator. Mercator fördert das Projekt über zwei Jahre mit zwei Millionen Euro. Dabei sollen neue Formate der wissenschaftlichen Zusammenarbeit ausprobiert werden. Zu Beginn des Forschungsprojektes wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen zur Moderation von Inhalten in sozialen Netzwerken untersucht.

Von: Martin Schlorke

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