Mit der Bibel an Boliviens Spitze

Die neue Übergangspräsidentin in Bolivien heißt Jeannine Áñez. Die frühere Fernsehmoderatorin und Juristin hat sich bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt mit der Bibel gezeigt. Das gefällt nicht jedem im Land.
Von PRO
Im Casa Grande del Pueblo (Großes Haus des Volkes) sitzt der bolivianische Präsident, der Vizepräsident und weitere Ministerien

Bisher war sie die zweite Vizepräsidentin des Senats. Jetzt hat die frühere Fernsehmoderatorin und Juristin Jeannine Áñez übergangsweise bis zu den Neuwahlen im Januar das Präsidentenamt in Bolivien inne. In ihrer Heimatregion leben vor allem Nachfahren christlicher Einwanderer. Ihr erster öffentlichkeitswirksamer Auftritt mit der Bibel erzeugt bei den indigenen Völkern Angst.

Áñez muss das Land bis zu den Neuwahlen führen. Laut Verfassung müssen diese binnen 90 Tagen stattfinden. Ob Áñez selbst zur Wahl antritt, ist noch unklar. Vor dem Parlament hat die rechtskonservative Politikerin gesagt: „Wir kommen aus einer der dunkelsten Episoden unserer demokratischen Geschichte. An diejenigen, die Schaden angerichtet oder ein Verbrechen begangen haben: Gott und Gerechtigkeit werden euch richten“, zitiert sie Spiegel Online.

Senatorin für ihre Heimatregion Beni

Añez trug eine riesige Bibel vor sich her, als sie am Dienstag vom Parlamentssitz in den Präsidentenpalast wechselte. „Wir bringen die Bibel zurück in den Palast“, sagte sie unter dem Applaus ihrer Anhänger. Ihr Vorgänger Morales hatte die Heilige Schriftaus dem Regierungsgebäude verbannt.

Die Tageszeitung Die Welt zitiert ist mit den Worten: „Wir wollen in Demokratie, Freiheit und Frieden leben.“ Sie wolle ihre Pflicht erfüllen, dem Land Frieden bringen und Wahlen ausrufen. Añez gehört der Rechtspartei „Demokratische Soziale Bewegung“ (MDS) an. Von 2006 bis 2008 war sie Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung, die den Entwurf der Verfassung ausarbeitete.

Danach wurde sie als Senatorin eines Oppositionsbündnisses für ihre Heimatregion Beni in den Senat gewählt. Ihren politischen Kontrahenten Morales hat sie laut der Tageszeitung taz über das soziale Netzwerk Twitter häufig beschimpft und als „Dieb“, „Verbrecher“ oder „Idiot“ bezeichnet. Sie ist mit dem kolumbianischen Politiker Héctor Hincapié verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Laut Spiegel Online hat das Verfassungsgericht Áñez‘ Machtübernahme am Dienstagabend nachträglich für zulässig erklärt.

Ein tief gespaltenes Land

Der frühere Präsident Evo Morales war nach Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen und Massenprotesten im Land von seinem Amt zurückgetreten. Morales hatte sich nicht auf Jesus berufen, sondern auf Pachamama, die „Mutter Erde“. Das bescherte ihm vor allem bei der indigenen Bevölkerung Boliviens hohe Zustimmungswerte. Nach 14 Jahren Präsidentschaft befindet er sich im politischen Exil in Mexiko.

Unterdessen gehen die Auseinandersetzungen vor allem in La Paz weiter. Laut Süddeutscher Zeitung sind dabei sieben Menschen ums Leben gekommen. Das Land gilt als tief gespalten. Morales hatte vor allem der unterdrückten indigenen Bevölkerungsmehrheit zu sozialem Aufstieg und einem neuen Selbstbewusstsein verholfen. Dagegen fühlten sich die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes nie wirklich repräsentiert.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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