„Der politische Islam agiert mitten unter uns“

Vorige Woche forderte CDU-Politiker Carsten Linnemann, die Einschulung für jene Kinder zurückzustellen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen. Das sorgte für massiven Widerstand. Gegenüber pro erklärt er sein Anliegen und warum ihn das Thema Islam umtreibt. Außerdem fordert er eine bessere Integration islamischer Geistlicher – und freikirchlicher Pastoren aus dem Ausland.
Von PRO
pro hat CDU-Fraktionsvize Carsten Linnemann im Sommerurlaub erreicht und ihm einige Fragen gestellt

pro: Für Ihren Vorschlag, Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen später einzuschulen, haben Sie breite Kritik erfahren. Von links, aber auch aus der eigenen Partei. Die CDU-Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Karin Prien, warf Ihnen „populistischen Unfug“ vor. Fühlen Sie sich falsch verstanden?

Carsten Linnemann: Ich fühle mich nicht falsch verstanden, ich wurde falsch verstanden. Die Schlagzeile „Grundschulverbot für Kinder, die kein Deutsch können“, die da stundenlang durch die Medien geisterte, war ja völlig an den Haaren herbeigezogen. Zwar hat die Nachrichtenagentur die Meldung schließlich korrigiert und sich auch bei mir entschuldigt, aber da war der Zug der Empörung schon losgefahren. Offenbar machen sich immer mehr Menschen heutzutage nicht mehr die Mühe, längere Texte zu lesen, sondern nur Überschriften. Dazu gehören leider auch Politiker. Nach der Richtigstellung haben sich die Wogen inzwischen geglättet – auch in meiner eigenen Partei. Wir sind wieder mitten in der Sacharbeit.

Die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin widerspricht Ihnen aber. Sie sagt: Die Schule hat die Aufgabe, Kindern Deutsch beizubringen. Dass Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule kommen, sei nichts Neues. Was sagen Sie dazu?

Ich habe in den vergangenen Tagen sehr viele Zuschriften von Pädagogen und auch Logopäden bekommen. Die meisten haben mich zwar in meiner Position bestärkt, aber es gab auch einige, die ähnlich wie Frau Gogolin argumentierten. Offenbar ist sich die Fachwelt also in ihrer Bewertung nicht ganz einig – was auch in anderen Wissenschaften nicht selten ist. Aber umso wichtiger ist es doch, wenn ich mich als Politiker, der Entscheidungen treffen muss, an dem orientiere, was mir die Menschen widerspiegeln, die tagtäglich mit den Zuständen an unseren Schulen konfrontiert werden: nämlich Grundschullehrer, Schulleiter und Eltern. Und hier ist das Fazit eindeutig: In Schulklassen, in denen ein Drittel oder sogar die Hälfte der Kinder kein oder nur ein schlechtes Deutsch spricht, ist ein normaler Unterricht kaum möglich. Denn welche Schule hat schon die Kapazitäten, um jedem Kind, das der deutschen Sprache nicht mächtig ist, jemanden an die Seite zu setzen, der ihm hilft? Und was passiert, wenn auch die Eltern dieses Kindes das Defizit nicht ausgleichen können? In Berlin ist bereits zu sehen, wohin so etwas führen kann. Die Fakten sprechen hier Bände. Das sind Zustände, die uns alle aufrütteln sollten. Es braucht jetzt dringend mehr Verbindlichkeiten im Bereich von Sprachtests und Sprachförderung.

Sie sind eigentlich Wirtschaftspolitiker. Dennoch melden Sie sich vermehrt zu Themen der Integration und auch des Islams zu Wort. In Ihrem Buch „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“ fordern Sie ein härteres Vorgehen gegen Muslime, die sich nicht integrationswillig zeigen. Warum treibt Sie das Thema derart um?

Deutschland hat in den vergangenen Jahren sehr viele Flüchtlinge aufgenommen, die aus ihren Heimatländern einen völlig anderen Wertekodex mitgebracht haben. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Erdogan-Regierung der Türkei einen Kurs der Re-Islamisierung fährt, der sich über den Arm von Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, der größte Islamverband in Deutschland, Anm. d. Red.) auch in Deutschland bemerkbar macht. Was man auch wissen sollte: Unter den islamistischen Gefährdern befinden sich viele, die hier in Deutschland sozialisiert und radikalisiert wurden. Mit anderen Worten: Der politische Islam, der diese Islamisierung antreibt, und zwar meistens sehr subtil und versteckt, agiert mitten unter uns. Für unsere pluralistischer werdende Gesellschaft ergibt sich daraus ein erhebliches Gefahren-Potenzial: Da geht es nicht nur um die drohende Spaltung der Gesellschaft, sondern auch um die Frage, wie wir unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung verteidigen können. Insbesondere vielen Mittelständlern, die hier verwurzelt sind und ihre Geschäfte nicht einfach ins Ausland verlagern können, ist diese Gefahr bewusst. Sie wissen um den Wert einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Zudem hat eine immer größer werdende Zahl an Unternehmern ein großes Interesse daran, Fach- und Arbeitskräfte auch aus islamischen Ländern zu gewinnen. Aber dann muss Integration auch funktionieren.

Im Frühjahr stellte Carsten Linnemann sein Buch im Beisein von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in Berlin vor Foto: Herder
Im Frühjahr stellte Carsten Linnemann sein Buch im Beisein von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in Berlin vor

Für ausländische Prediger, die in Deutschland tätig sind, fordern Sie ein Visum, das an Deutschkenntnisse gekoppelt ist, und zusätzlich eine umfassende Sicherheitsüberprüfung sowie deren schriftliches Bekenntnis zur Rechtstreue. Niemand würde auf die Idee kommen, dies etwa für amerikanische Pastoren einzufordern, die oft jahrelang freikirchliche Gemeinden in Deutschland leiten. Stigmatisieren Sie hier nicht eine bestimmte Gruppe?

Um eins klarzustellen: Die Regelungen für ein solches Visum würden natürlich für Prediger aller Religionen gelten. Also auch für den südamerikanischen Pastor, der hier längerfristig in einer freikirchlichen Gemeinde tätig werden will. Schon heute verlangt der deutsche Staat von jedem, der aus einem Drittstaat einreisen und hier eine Arbeit aufnehmen will, Kenntnisse der deutschen Sprache und sogar Qualifizierungsnachweise. Ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, wenn auch ein Prediger, der hier Gemeindearbeit leisten will und damit automatisch eine gesellschaftspolitisch wichtige Funktion einnimmt, zumindest über Grundkenntnisse unserer Sprache und Kultur verfügen sollte.

Bei der Vorstellung Ihres Buchs in Berlin im Februar sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: „Muslime und mit ihnen der Islam sind ein Teil Deutschlands.“ Und weiter: Es sei wichtig, „einen Islam zu schaffen, der sich in Deutschland zu Hause fühlt“. Stimmen Sie ihm zu?

Genau darum geht es mir doch. Einige der Autoren in meinem Buch sind ja Muslime. Ich kämpfe mit ihnen dafür, dass sich hier ein aufgeklärter Islam etablieren kann. Es geht nicht darum, eine Religion zu bekämpfen, sondern den Rahmen zu bewahren, in dem Religionsfreiheit auch weiterhin möglich sein kann. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland weiß unsere freiheitlich-demokratische Ordnung zu schätzen. Diesen dürfen wir jetzt nicht in den Rücken fallen, indem wir islamistische und damit verfassungsfeindliche Strömungen einfach hinnehmen.

Ist es nicht vermessen, den Islam von außen verändern zu wollen? Wie ist dies zu erreichen?

Ja, das wäre es in der Tat, und das ist auch nicht meine Absicht. Im Zentrum meiner Überlegungen steht vielmehr die Aufrechterhaltung unserer freiheitlichen Ordnung, die auch die Religionsfreiheit umfasst. Um es auf den Punkt zu bringen: Auch das verfassungsrechtlich hohe Gut der Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos, sondern endet da, wo andere Freiheiten eingeschränkt und sogar bedroht werden – wie zum Beispiel im Fall der Muslime, die sich mutig für einen liberalen und reformorientierten Islam aussprechen. Daher ist es gut und richtig, dass die Deutsche Islamkonferenz jetzt auch wieder für diese Muslime geöffnet wurde. Die Politik kann keinen innerislamischen Dialog führen und sie darf es auch nicht, aber sie muss ihn ermöglichen!

Herr Linnemann, vielen Dank!

Für ausländische Prediger, die in Deutschland tätig sind, fordern Sie ein Visum, das an Deutschkenntnisse gekoppelt ist, und zusätzlich eine umfassende Sicherheitsüberprüfung sowie deren schriftliches Bekenntnis zur Rechtstreue. Niemand würde auf die Idee kommen, dies etwa für amerikanische Pastoren einzufordern, die oft jahrelang freikirchliche Gemeinden in Deutschland leiten. Stigmatisieren Sie hier nicht eine bestimmte Gruppe?

Um eins klarzustellen: Die Regelungen für ein solches Visum würden natürlich für Prediger aller Religionen gelten. Also auch für den südamerikanischen Pastor, der hier längerfristig in einer freikirchlichen Gemeinde tätig werden will. Schon heute verlangt der deutsche Staat von jedem, der aus einem Drittstaat einreisen und hier eine Arbeit aufnehmen will, Kenntnisse der deutschen Sprache und sogar Qualifizierungsnachweise. Ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, wenn auch ein Prediger, der hier Gemeindearbeit leisten will und damit automatisch eine gesellschaftspolitisch wichtige Funktion einnimmt, zumindest über Grundkenntnisse unserer Sprache und Kultur verfügen sollte.

Bei der Vorstellung Ihres Buchs in Berlin im Februar sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: „Muslime und mit ihnen der Islam sind ein Teil Deutschlands.“ Und weiter: Es sei wichtig, „einen Islam zu schaffen, der sich in Deutschland zu Hause fühlt“. Stimmen Sie ihm zu?

Genau darum geht es mir doch. Einige der Autoren in meinem Buch sind ja Muslime. Ich kämpfe mit ihnen dafür, dass sich hier ein aufgeklärter Islam etablieren kann. Es geht nicht darum, eine Religion zu bekämpfen, sondern den Rahmen zu bewahren, in dem Religionsfreiheit auch weiterhin möglich sein kann. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland weiß unsere freiheitlich-demokratische Ordnung zu schätzen. Diesen dürfen wir jetzt nicht in den Rücken fallen, indem wir islamistische und damit verfassungsfeindliche Strömungen einfach hinnehmen.

Ist es nicht vermessen, den Islam von außen verändern zu wollen? Wie ist dies zu erreichen?

Ja, das wäre es in der Tat, und das ist auch nicht meine Absicht. Im Zentrum meiner Überlegungen steht vielmehr die Aufrechterhaltung unserer freiheitlichen Ordnung, die auch die Religionsfreiheit umfasst. Um es auf den Punkt zu bringen: Auch das verfassungsrechtlich hohe Gut der Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos, sondern endet da, wo andere Freiheiten eingeschränkt und sogar bedroht werden – wie zum Beispiel im Fall der Muslime, die sich mutig für einen liberalen und reformorientierten Islam aussprechen. Daher ist es gut und richtig, dass die Deutsche Islamkonferenz jetzt auch wieder für diese Muslime geöffnet wurde. Die Politik kann keinen innerislamischen Dialog führen und sie darf es auch nicht, aber sie muss ihn ermöglichen!

Herr Linnemann, vielen Dank!

Die Fragen stellte Anna Lutz. Linnemann war für pro nur schriftlich zu erreichen.

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