„Die Europäer sind dem Iran auf den Leim gegangen“

Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal ringen die Europäer um dessen Erhalt. Der Historiker und Politikwissenschaftler Matthias Küntzel hält das für den falschen Weg: Besser wäre es, wenn sich die Europäer mit US-Präsident Trump zusammentun, um Druck auf Teheran auszuüben.
Von PRO
Sieht die Weltgemeinschaft mit Blick auf den Iran vor einer historischen Weichenstellung: Matthias Küntzel

pro: Herr Küntzel, die verbliebenen Unterzeichner sehen sich dem Atomdeal nach wie vor verpflichtet, obwohl der Iran bereits offen dagegen verstößt und weitere Verstöße angekündigt hat. Stimmt der Eindruck, dass der Iran bei den Gesprächen gerade am längeren Hebel sitzt und dass sich die Europäer zu Zugeständnissen erpressen lassen?

Matthias Küntzel: Ich kann Ihrem Eindruck nur zustimmen. Der Westen präsentiert sich unentschieden und gespalten: Europäer gegen die USA, Frankreich und Deutschland gegen Großbritannien. Je unentschiedener und gespaltener sich der Westen zeigt, desto entschlossener und aggressiver wird die Politik des Iran. Das ist ein Trauerspiel.

Was ist das Gebot der Stunde für die deutsche oder europäische Außenpolitik?

Die Europäer müssen einsehen, dass nicht alles, was US-Präsident Donald Trump macht, verkehrt ist. Außenpolitik so zu definieren, dass man alles anders macht als Trump, ist zu wenig. Trump hatte recht damit, aus dem Abkommen auszusteigen. In Europa und in Deutschland wird das so dargestellt, als hätte Trump dadurch alle Zusammenstöße der letzten Wochen und Monate provoziert. Aber in Wirklichkeit hat der Iran die Gelder, die durch das Abkommen frei wurden, militärisch in Syrien eingesetzt und in der ganzen Region Schrecken verbreitet. Nicht ohne Grund begannen nach der Einigung im Atomdeal im Sommer 2015 auch die Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Trump hat also auf eine Situation reagiert, für die der Iran verantwortlich war.

Die Europäer sollen also mit Trump zusammenarbeiten?

Trump macht es wirklich schwer mit seiner Polemik gegen Verbündete. Und ich bin alles andere als ein Fan von Trump. Aber der Westen muss sich gegenüber dem gefährlichen, revolutionären Regime einheitlich positionieren. Deswegen muss man mit den USA zusammenarbeiten.

Wie realistisch ist es, dass sich die Europäer dazu durchringen?

Das Problem ist, dass da Emotionen im Spiel sind und keine rationale Erwägung mehr stattfindet. Die deutsche Politik ist stolz auf diesen Deal. Daher lässt sie es zu, dass der Deal immer wieder gebrochen wird. Und dann tut man so, als sei nichts passiert. Der Deal ist zu einem Vakuum geworden, an dem man sich trotzdem festhält. Gut erkennbar ist das an der Ankündigung des Iran, den Schwerwasserreaktor Arak wieder zu aktivieren. Das ist hochgefährlich, weil der Iran damit auf längere Sicht Plutonium herstellen kann. Laut dem Atomdeal hätte der Reaktorkern mit Beton ausgefüllt werden sollen, um dessen Nutzung langfristig unmöglich zu machen. Das ist nicht geschehen, nur in einige Rohre wurde Beton gefüllt. Im Januar 2019 hat der Iran dann damit geprahlt, dass er die ganze Welt überlistet hat und noch während der Verhandlungen 2015 Teile neu gekauft hat, die er laut Deal in Arak zerstören musste.

Sind die Europäer zu naiv gewesen?

Die Europäer sind dem Iran auf den Leim gegangen. Arak ist ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie wenig dieser Deal verändert hat, und dass der Iran von vorne bis hinten betrogen hat. So, wie der Deal konzipiert ist, führt er eher zur Atomwaffe hin, als dass er sie verhindert.

Wie kann es sein, dass sich politisch gewichtige Länder so vorführen lassen?

Wenn man zulässt, dass ein Land Uran anreichern kann, dann kann es damit drohen, die Bombe zu bauen. Dadurch wurden die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland erpressbar. So ist es zu erklären, dass die Länder klein beigaben und bei Punkten Zugeständnisse machten, die von Anfang an als ausgeschlossen galten. Der Deal wurde immer mehr durchlöchert, so dass er im Grunde nichts gebracht hat.

Als Grund für den Ausstieg haben die USA auch die Finanzierung von Terrorgruppen genannt, etwa der Hisbollah, die gegen Israel vorgeht. Nun hat sich Deutschland ja die Sicherheit Israels als Staatsräson auf die Fahnen geschrieben. Wie ist es zu erklären, dass Deutschland dennoch um den Erhalt des Deals kämpft?

Die Rede von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson ist inzwischen eine hohle Phrase. Deutschland verfolgt eine janusköpfige Politik, wenn es versucht, besondere Beziehungen mit Israel und zugleich mit dem Iran aufrechtzuerhalten. Man lässt die Tagespolitik außer Acht und hält an diesem Dogma fest – und das vor dem Hintergrund, dass der Iran tatsächlich Terror exportiert. Der Krieg, den er in Syrien führte, diente dem Ziel, die Hisbollah im Libanon weiterhin mit Waffen zu fördern als Vorbereitung auf einen Angriff auf Israel. So gesehen ist die deutsche Außenpolitik enttäuschend: Diese gute Rede von Angela Merkel zur Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson in der Knesset 2008 wird durch die aktuelle Politik gegenüber dem Iran widerlegt.

Die Rede von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson ist inzwischen eine hohle Phrase. Deutschland verfolgt eine janusköpfige Politik, wenn es versucht, besondere Beziehungen mit Israel und zugleich mit dem Iran aufrechtzuerhalten.

Anstatt eines doppelköpfigen also lieber ein entschiedener Ansatz?

Schon das, was Trump bislang getan hat, hat die Kriegsfähigkeit des Iran eingeschränkt: Die Hisbollah bettelt um Geld, weil der Iran nicht mehr so finanzstark ist. Auch die Hamas hat Schwierigkeiten, Geld zu bekommen. Die Politik des Druckaufbaus führt dazu, dass der Iran nun seit Wochen sondiert, unter welchen Bedingungen Gespräche mit den USA geführt werden können. Das bedeutet: Es gibt einen anderen Ausweg, als den Deal beizubehalten. Früher oder später wird sich der Iran mit den USA an einen Tisch setzen.

Das muss doch Eindruck auf die Europäer machen.

Das Problem ist, dass die Europäer den Druck auf den Iran zu lindern versuchen, anstatt ihn zu erhöhen. Das ist eine gefährliche Politik. Es könnte den Iran dazu verleiten, mit Provokationen dann doch noch einen Krieg auszulösen. Man muss sich immer vor Augen halten: Sanktionen sind Friedenspolitik. Das ist das, was vorher kommt. Hinterher kommt der Krieg. Insofern müssten die Europäer sich an den Sanktionen, die die USA eingeleitet haben, beteiligen, um Krieg zu verhindern.

Gerade beobachten wir auch die Scharmützel zwischen dem Iran und Großbritannien sowie zwischen dem Iran und den USA. Ist das nicht ein Auftakt zum Krieg?

Die Situation kann leicht umschlagen in eine kriegerische Auseinandersetzung. Insofern steckt da schon ein Risikopotenzial drin. Der Iran hat schon vor Monaten erklärt: Wenn der Druck auf die Wirtschaft zunimmt, wenn die Sanktionen tatsächlich umgesetzt werden, dann wird der Schiffsverkehr in der Straße von Hormus gestört. Diese Politik gehört zu den wenigen Optionen der Iraner. Sie fühlen sich an die Wand gedrängt. Und sie könnten diese Situation sofort aufheben, indem sie sich zu Gesprächen mit den USA bereit erklären. Aber derzeit versucht der Iran noch, die Europäer durch Provokationen auf seine Seite zu bringen und die Spaltung zwischen den USA und Europa zu vertiefen.

Abgesehen davon, dass nukleare Aufrüstung an sich nicht wünschenswert ist: Was wäre so schlimm daran, wenn der Iran eine Atombombe hätte?

Dass ein islamistisches, religiös fanatisches Regime Zugriff auf die Atombombe haben könnte, sollte die ganze Welt aufschrecken. Wir hätten dann nicht die Verhältnisse wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als es wechselseitige Abschreckung gab. Dadurch, dass „Märtyrer“- Operationen im sogenannten Heiligen Krieg befürwortet werden, wäre das Moment der Abschreckung weg. Der Iran könnte die Welt ganz anders erpressen, als das jetzt schon ohne Atombombe der Fall ist. Die Welt würde in eine furchtbare Phase eintreten, wenn dem Iran diese Atombewaffnung zugestanden würde. Deswegen stehen wir im Moment vor einer historischen Weichenstellung. Entscheidend wird sein, ob sich der Westen darauf verständigen kann, den Atomkurs des Iran tatsächlich zu stoppen.

Apropos historische Situation: Vor zehn Jahren kam die Grüne Revolution im Iran auf. Hätte der Westen, insbesondere die USA, diesen Protest gegen das Regime unterstützen sollen?

Das war in der Tat eine verpasste Chance. Im Juni 2009 gingen allein in Teheran drei Millionen Menschen bei einer verbotenen Demonstration auf die Straße, um gegen den Wahlbetrug des Ahmadinedschad-Regimes zu protestieren. Aber es war auch die Zeit der Verhandlungen, und US-Präsident Barack Obama war blind von der Hoffnung, man könnte die Iraner zu dem Atomdeal bewegen. Alles andere war damals nachrangig. Ob durch eine Unterstützung das Regime gestürzt wäre, kann man natürlich nicht sagen. Aber die ausbleibende Unterstützung von außen, auch von deutscher Seite, schwächte die Widerstandsbewegung innerhalb des Iran.

Setzen die USA heute darauf, dass das iranische Regime aufgrund der Sanktionen zusammenbricht?

Nein, das glaube ich nicht. Denn niemand weiß, was passieren wird. Nach den Erfahrungen des Syrienkrieges herrscht große Angst vor ewigen Bürgerkriegen. Es geht den USA darum, dass das Regime seine Politik verändert. Das heißt, dass der Iran im Rahmen seiner Verfassung die Kriegsführung einstellt, die Raketenforschung einstellt und vor allen Dingen das Atomprogramm überprüfbar beendet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Anstatt eines doppelköpfigen also lieber ein entschiedener Ansatz?

Schon das, was Trump bislang getan hat, hat die Kriegsfähigkeit des Iran eingeschränkt: Die Hisbollah bettelt um Geld, weil der Iran nicht mehr so finanzstark ist. Auch die Hamas hat Schwierigkeiten, Geld zu bekommen. Die Politik des Druckaufbaus führt dazu, dass der Iran nun seit Wochen sondiert, unter welchen Bedingungen Gespräche mit den USA geführt werden können. Das bedeutet: Es gibt einen anderen Ausweg, als den Deal beizubehalten. Früher oder später wird sich der Iran mit den USA an einen Tisch setzen.

Das muss doch Eindruck auf die Europäer machen.

Das Problem ist, dass die Europäer den Druck auf den Iran zu lindern versuchen, anstatt ihn zu erhöhen. Das ist eine gefährliche Politik. Es könnte den Iran dazu verleiten, mit Provokationen dann doch noch einen Krieg auszulösen. Man muss sich immer vor Augen halten: Sanktionen sind Friedenspolitik. Das ist das, was vorher kommt. Hinterher kommt der Krieg. Insofern müssten die Europäer sich an den Sanktionen, die die USA eingeleitet haben, beteiligen, um Krieg zu verhindern.

Gerade beobachten wir auch die Scharmützel zwischen dem Iran und Großbritannien sowie zwischen dem Iran und den USA. Ist das nicht ein Auftakt zum Krieg?

Die Situation kann leicht umschlagen in eine kriegerische Auseinandersetzung. Insofern steckt da schon ein Risikopotenzial drin. Der Iran hat schon vor Monaten erklärt: Wenn der Druck auf die Wirtschaft zunimmt, wenn die Sanktionen tatsächlich umgesetzt werden, dann wird der Schiffsverkehr in der Straße von Hormus gestört. Diese Politik gehört zu den wenigen Optionen der Iraner. Sie fühlen sich an die Wand gedrängt. Und sie könnten diese Situation sofort aufheben, indem sie sich zu Gesprächen mit den USA bereit erklären. Aber derzeit versucht der Iran noch, die Europäer durch Provokationen auf seine Seite zu bringen und die Spaltung zwischen den USA und Europa zu vertiefen.

Abgesehen davon, dass nukleare Aufrüstung an sich nicht wünschenswert ist: Was wäre so schlimm daran, wenn der Iran eine Atombombe hätte?

Dass ein islamistisches, religiös fanatisches Regime Zugriff auf die Atombombe haben könnte, sollte die ganze Welt aufschrecken. Wir hätten dann nicht die Verhältnisse wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als es wechselseitige Abschreckung gab. Dadurch, dass „Märtyrer“- Operationen im sogenannten Heiligen Krieg befürwortet werden, wäre das Moment der Abschreckung weg. Der Iran könnte die Welt ganz anders erpressen, als das jetzt schon ohne Atombombe der Fall ist. Die Welt würde in eine furchtbare Phase eintreten, wenn dem Iran diese Atombewaffnung zugestanden würde. Deswegen stehen wir im Moment vor einer historischen Weichenstellung. Entscheidend wird sein, ob sich der Westen darauf verständigen kann, den Atomkurs des Iran tatsächlich zu stoppen.

Apropos historische Situation: Vor zehn Jahren kam die Grüne Revolution im Iran auf. Hätte der Westen, insbesondere die USA, diesen Protest gegen das Regime unterstützen sollen?

Das war in der Tat eine verpasste Chance. Im Juni 2009 gingen allein in Teheran drei Millionen Menschen bei einer verbotenen Demonstration auf die Straße, um gegen den Wahlbetrug des Ahmadinedschad-Regimes zu protestieren. Aber es war auch die Zeit der Verhandlungen, und US-Präsident Barack Obama war blind von der Hoffnung, man könnte die Iraner zu dem Atomdeal bewegen. Alles andere war damals nachrangig. Ob durch eine Unterstützung das Regime gestürzt wäre, kann man natürlich nicht sagen. Aber die ausbleibende Unterstützung von außen, auch von deutscher Seite, schwächte die Widerstandsbewegung innerhalb des Iran.

Setzen die USA heute darauf, dass das iranische Regime aufgrund der Sanktionen zusammenbricht?

Nein, das glaube ich nicht. Denn niemand weiß, was passieren wird. Nach den Erfahrungen des Syrienkrieges herrscht große Angst vor ewigen Bürgerkriegen. Es geht den USA darum, dass das Regime seine Politik verändert. Das heißt, dass der Iran im Rahmen seiner Verfassung die Kriegsführung einstellt, die Raketenforschung einstellt und vor allen Dingen das Atomprogramm überprüfbar beendet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Matthias Küntzel ist Historiker und Politikwissenschaftler. Bekannte Bücher sind unter anderen „Djihad und Judenhass: Über den neuen antijüdischen Krieg“ (2002) und „Die Deutschen und der Iran: Geschichte einer verhängnisvollen Freundschaft“ (2009). Im Herbst 2019 erscheint sein neues Buch unter dem Titel „Nazis und der Nahe Osten: Wie der islamische Antisemitismus entstand“.

Die Fragen stellte Daniel Frick

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