Norbert Blüm warnt vor moralischer Insolvenz Europas

Norbert Blüm liest der Gesellschaft die Leviten. In einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung bemängelt der ehemalige Bundesarbeitsminister das Vokabular der Flüchtlingsdebatte. Gleichzeitig wünscht sich der CDU-Politiker eine Rückbesinnung auf die christlichen Werte und die anfängliche barmherzige Gastfreundschaft gegenüber den Flüchtlingen.
Von PRO
Norbert Blüm setzt sich kritisch mit der Aufarbeitung der Flüchtlingskrise durch die Gesellschaft auseinander

Bei Flüchtlingen handelt es sich nicht um Sachen, die in kalten Statistiken versteckt werden können, sondern um verzweifelte Menschen, die Zuflucht suchen. Mit diesen deutlichen Worten hat der CDU-Politiker Norbert Blum in einem Gastbeitrag der Süddeutschen Zeitung die aktuelle Debatte über die Flüchtlingspolitik kritisiert. Er prangert an, dass von „Asyltouristen“ gesprochen werde, wenn ertrunkene Kindern am Strand oder erstickte Flüchtlinge in Kühllastern gemeint seien.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen sei auch keine Filiale der „Anti-Abschiebungsindustrie“, sondern „Lebensretter, die für das Versagen der Staaten einspringen“. Europa mit seinen 500 Millionen Einwohnern sei durchaus in der Lage, fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn dies nicht gelinge, könne der Kontinent „moralische Insolvenz“ anmelden.

Abrechnung mit Europa

Europa habe sich in der Vergangenheit auf Kosten der Dritten Welt bereichert. Westliche Agrarkonzerne spekulierten mit den dortigen Ackerböden auf hohe Renditen. Westliche Firmen kauften einheimische Quellen auf, um dann mit der Wasserknappheit Profite zu erzielen: „Die Erste Welt zerstört die Dritte und wundert sich, dass die Zerstörten sich auf den Weg zu den Zerstörern machen.“ In die Verantwortung nimmt Blüm aber auch die Herrscher vor Ort, die in die eigene Tasche wirtschafteten und ein Jahreseinkommen besäßen, von dem ganze Dörfer Afrikas leben könnten.

„Wer sich nur einen Funken menschlichen Mitleids bewahrt hat, kann über die Flüchtlinge nicht so kaltherzig schwadronieren, wie es in der übergroßen Koalition zwischen altem Stammtisch und neuem rechten Establishment gang und gäbe ist“, schreibt Blüm. Bei den Flüchtlingen handele es sich keineswegs um „vergnügte Nassauer“, sondern um Menschen, die viel erlitten haben müssen, „um das Risiko einzugehen, im Mittelmeer zu ersaufen“.

Bayern war Vorreiter der Willkommenskultur

Blüm schlägt hier eine Brücke zu seiner eigenen Partei, der CDU. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Menschen auf der Suche nach Überlebensmitteln Fragen nach dem Sinn und Zweck des Lebens gestellt. Die Fragen – und auch die Gründung von CDU und CSU – seien aus „Heimweh nach christlichen Werten“ sowie Freiheit und Gerechtigkeit entstanden. Dieses C vermisst Blüm in der aktuellen Debatte, die von „kaltschnäuzigen Tönen“ beherrscht werde.

Bayern mit seinen zahlreichen Helfern in der Flüchtlingskrise sei für ihn der Vorreiter einer Wilkommenskultur und einer barmherzigen Gastfreundschaft gewesen. Das C im eigenen Parteinamen sei kein „Besitzanspruch an Wähler, sondern eine Selbstverpflichtung der Partei, ihre Politik an der Botschaft des Christentums zu messen“. Norbert Blüm gilt als engagierter Katholik. Der CDU-Politiker gehörte von 1972 bis 1981 sowie von 1983 bis 2002 dem Deutschen Bundestag an. Von 1982 bis 1998 war Blüm Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter Bundeskanzler Helmut Kohl.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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