Journalistenverband: NetzDG ist „Gaga-Vorschrift“

Der Deutsche Journalistenverband hat das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ zur Eindämmung von Hetze in Sozialen Medien als „Gaga-Vorschrift“ kritisiert. Initiator Heiko Maas steht derweil wegen eines gelöschten Tweets im Mittelpunkt der Diskussion.
Von PRO
Heiko Maas hat nebenstehenden Tweet nicht gelöscht, teilte er mit. Die genauen Hintergründe des Verschwindens sind unklar.

Wurde der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas (SPD) Opfer seines eigenen Gesetzes? So fragten am Montag zahlreiche Medien. Nutzer hatten zuvor beobachtet, dass ein Tweet von Maas gelöscht worden war, in dem er seinen Parteifreund Thilo Sarrazin als „Idiot“ bezeichnet. Ob ein Mitarbeiter von Maas oder Twitter selbst den Eintrag gelöscht hat, sei unklar, berichtet der Branchendienst Meedia.

Seit Anfang Januar gilt das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG), wonach Netzwerke wie Facebook und Twitter „Hassrede“ innerhalb von 24 Stunden löschen müssen. Das Gesetz ist hochumstritten: Journalisten sprechen von „Erdoganismus in Reinkultur“, Zeitungsverbände warnen vor einer „Löschorgie“. Die Forderung, das NetzDG gehöre abgeschafft, kommt von Politikern aus FDP und AfD, von Vertretern der Grünen und der Linkspartei. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles verteidigte hingegen das Gesetz.

Dass es Fälle gibt, in denen es wünschenswert ist, wenn Äußerungen in den Sozialen Medien gelöscht werden, ist unter den meisten Diskutanten des Gesetzes unumstritten – zum Beispiel bei strafrechtlich relevanten Beleidigungen oder bei Volksverhetzung. Kritisch wird am NetzDG vor allem bewertet, dass eine solche strafrechtliche Relevanz nun nicht mehr von Gerichten, sondern den Mitarbeitern privater Unternehmen festgestellt werden soll. Als Kollateralschaden sind in der Vergangenheit immer wieder auch Nutzer von Löschungen und Sperren betroffen, deren Veröffentlichungen zwar polemisch, unbequem und politisch inkorrekt sein mögen – aber nicht illegal. Oder es werden Einträge gelöscht, die ironisch gemeint sind – so erging es vor wenigen Tagen dem Satiremagazin Titanic, als Twitter einen Tweet löschte und die Redaktion zeitweise blockierte.

Journalistenverband warnt mit deutlichen Worten

Seit Beginn des Jahres können Nutzer sozialer Netzwerke Inhalte melden, die ihrer Meinung nach unter das NetzDG fallen und gelöscht werden sollten. Betroffene Gemeldete reagierten in den vergangenen Tagen, in dem sie die entsprechenden Mails von Twitter veröffentlichten. Darin heißt es oftmals: „Wir haben die gemeldeten Inhalte untersucht, jedoch keine Verstöße gegen die Twitter Regeln oder geltende Gesetze gefunden. Wir haben daher diesmal keine Maßnahmen ergriffen.“ Viele Nutzer schreiben, dass sie das Wort „diesmal“ als Einschüchterung empfinden.

Der CDU-Nachwuchspolitiker Felix Maximilian Leidecker berichtet auf Facebook, dass viele seiner Äußerungen gemeldet werden: „Spannend ist, dass es sich dabei nie um auch nur ansatzweise justiziable Äußerungen handelt – die es von mir ja auch nicht gibt. Es geht lediglich darum, dass den Denunzianten eine Meinung inhaltlich nicht passt. Frei nach dem Motto: Es darf nicht sein, was nicht sein darf.“

Andere Nutzer berichten von ähnlichen Erfahrungen, darunter der Chef von Bild.de, Julian Reichelt. Seine Tweets werden offenbar auch reihenweise ohne inhaltlichen Anlass gemeldet – die Vermutung liegt nahe, dass solche Meldungen meist durch politische Gegner erfolgen.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, teilte am Montag mit, es sei nicht sinnvoll, „aus blindem Gehorsam gegenüber einer Koalition, die es nicht mehr gibt, an der Gaga-Vorschrift des NetzDG festzuhalten“.

„Das NetzDG schiebt die Macht über das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit an Privatunternehmen wie Twitter und Facebook ab“, sagte Überall laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur (dpa). In diesen Unternehmen gebe es Angst vor den drohenden staatlichen Bußgeldern. Initiativen der kleineren Fraktionen des Bundestags für eine Abschaffung des Gesetzes sollten laut DJV ohne Fraktionszwang das Parlament passieren.

Von: Moritz Breckner

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Mit Maas gegen Meinungsfreiheit

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