Können Bürokraten den Glauben überprüfen?

Ein Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum kann sich positiv auf ein Asylverfahren in Deutschland auswirken. Mit welch haarsträubenden Fragen die Beamten den Glauben der Bekehrten zum Teil prüfen, hat ein Pastor beobachtet. Ein Gastbeitrag von Stephan Dreytza
Von PRO
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg will anhand von Fragen darüber befinden, ob der Glaube von Asylbewerbern „echt“ ist

Im Februar 2016 habe ich mich verliebt. Als Pastor in Ausbildung lernte ich nach einem Gottesdienst Iraner kennen. Sie wollten getauft werden. Ich war völlig überfordert: Ich hatte keine Ahnung von ihrer Sprache und Kultur. Aber ich wollte unbedingt helfen. So hatte ich mein Herz an Iraner verloren. Keine Ahnung warum, aber es war so. Ich sprach, aß und saß mit ihnen zusammen – bis heute. So bekam ich einen guten Einblick in ihr Leben sowie Kontakte zu iranisch-afghanischen Konvertiten in ganz Deutschland, samt ihrer Pastoren und Gemeinden.

Die wichtigste Frage für jeden Flüchtling und Konvertiten ist, ob er bleiben darf. Das wird nach einem Interview im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschieden. In diesen habe ich sowohl persönlich als auch schriftlich Einblicke über alle (un)möglichen Fragen bekommen, die vorkommen konnten: Zu meinen Favoriten gehört dabei die Frage nach dem Namen des verlorenen Sohnes (Lukasevangelium, Kapitel 15). Denn die kann nicht mal der Papst beantworten – weil die Bibel den Namen nicht nennt.

Bemerkenswert fand ich auch die Frage, warum der Wechsel zum Christentum denn so vorteilhaft sei. Man müsse da doch auch wie im Islam fasten! Wie, Sie wundern sich? Haben Sie noch nie von der für alle Christen verpflichtenden Fastenzeit vor Ostern in der evangelischen Kirche gehört? Wirklich nicht? Komisch. Ich nämlich auch nicht. Darauf habe ich den hilflosen Anhörer auch hingewiesen, der die Frage dann korrekterweise aus dem Protokoll gestrichen hat.

Gleichzeitig ist es kein Zuckerschlecken, im Asylverfahren entscheiden zu müssen. Für gewöhnlich machen das Leute, die das Interview nicht geführt haben, sondern nur das Protokoll mit den dazugehörigen Informationen des BAMF haben. Ich beneide keinen um diese Aufgabe. Erst recht nicht, wenn solche objektiv falschen Fragen dem Anhörer anscheinend nahegelegt werden. Aber ich habe auch faire, freundliche und sachliche Anhörungen erlebt, beziehungsweise die Protokolle gelesen. Trotzdem bleibt deutlich der Eindruck, das BAMF könne besser einschätzen, wer Christ sei, als die Kirchen.

Hilflose Glaubensprüfungen des BAMF

Vom Grundgesetz her können und dürfen die Kirchen aber als Körperschaften des öffentlichen Rechts in ihrer seelsorgerlichen und theologischen Kompetenz selber einschätzen, wer ein ernsthaftes Taufanliegen vorträgt und wer nicht. Genau diese Kompetenz wird in der Praxis häufig jedoch missachtet und angezweifelt. Dazu kommen teilweise hanebüchene und weltfremde Argumentationen, auf deren Grundlage man meint, einschätzen zu können, ob der Glaubenswechsel echt war oder nicht.

Das BAMF beteuert zwar immer wieder, keine „Glaubensprüfungen“ durchzuführen. Ich und viele andere erleben aber häufig das Gegenteil. Im Ergebnis klingt das dann zum Beispiel so: „Im gegebenen Fall konnte nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit gewonnen werden, dass die angebliche Entscheidung der Antragsteller für die Hinwendung zum Christentum in dem dargelegten Sinn aus innerer religiöser Überzeugung erfolgt ist, sie in ihrer religiösen Identität geprägt hat und sie deshalb im Falle einer Rückkehr in den Iran ihren christlichen Glauben, insbesondere auch durch den Besuch öffentlicher Gottesdienste und die Ausübung christlicher Riten und Feiertage oder durch Missionieren, leben werden.“ Das BAMF kennt das Herz der Antragsteller also besser als deren Pastor, Gemeinde und vermutlich auch als Gott. Mutig!

Dabei macht man auch vor Unterstellungen nicht halt, die Antragsteller würden bei einer Rückkehr zu Karteileichen. Eine Frau konnte laut Ablehnungsbescheid „nicht davon überzeugen, den christlichen Glauben aus tiefer innerer Überzeugung angenommen zu haben, sodass die Unterzeichnende (das BAMF, d. Red.) davon überzeugt ist, dass die Antragsteller bei seiner Rückkehr in den Iran den christlichen Glauben weder leben werden, noch sich gezwungen sehen müssen, wegen der ihm dort drohenden Repressionen auf eine Glaubensausübung zu verzichten.“

Tja, merkwürdig. Die Frau hatte im Interview aber erzählt, dass durch sie zwei weitere Menschen im Iran zum Glauben gekommen seien. Diese hatten ihre Befreiung von einem großen Problem und die damit einhergehende völlige Lebensveränderung gesehen und wollten mehr wissen. Die Frau hatte ihnen von Jesus erzählt, der ihr geholfen habe und sie in eine Hauskirche mitgenommen. Und ja, sie würde bis zur letzten Minute ihres Lebens den Glauben weiter geben und praktizieren. Und das mache sie bis heute regelmäßig. Das Protokoll dazu liest sich wie ein bewegendes Lebenszeugnis, bei dem normalerweise der Gemeinde der Atem stockt. Aber laut BAMF ist der Glaube der guten Dame nicht aus tiefer Überzeugung und würde im Iran sofort wieder abgelegt. Einfach nur absurd!

Deshalb ist es ein Lichtblick, dass Verwaltungsgerichte das BAMF in ihren Urteilen immer wieder auch mal zurechtstutzen und an die grundgesetzlich verbriefte Kompetenzverteilung erinnern. In diesem konkreten Fall hatte die Ablehnung des BAMF beim Richter deshalb keine Bestätigung gefunden. Es waren nämlich Pastoren und Gemeindeglieder vor Ort, die den gelebten Glauben aus ganzem Herzen bestätigen konnten. Damit können einige Menschen, dir mir ans Herz gewachsen sind, in Deutschland bleiben. Gott sei Dank!

Stephan Dreytza ist Pastor in der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Willehadi Foto: Stephan Dreytza
Stephan Dreytza ist Pastor in der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Willehadi

Von: Stephan Dreytza

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