Die Demokratie wird existenziell bedroht

In Zeiten „alternativer Fakten“ leidet die Vernunft. Für Bundespräsident Steinmeier gibt es dafür vor allem einen Schuldigen.
Von Nicolai Franz
Alternative Fakten sind für ihn kein „flottes Label“ in der politischen Kommunikation, sondern brandgefährlich: Bundespräsident Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Samstag auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin davor gewarnt, die Vernunft aufzugeben. Dass gerade ein „grassierender Verlust“ von Vernunft festzustellen sei, hält er für bedrohlich: „Der Anfang der Zersetzung der Vernunft ist der Anfang der Zersetzung der Demokratie.“

Zum einen sei dafür die Globalisierung verantwortlich. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sei nicht nur neuer Wohlstand geschaffen, sondern auch die Ungleichheit „dramatisch vergrößert“ worden. Vor allem machte Steinmeier aber das Internet und die sozialen Medien für den Niedergang der Vernunft verantwortlich. Durch die digitale Revolution sei ein „weltweiter Synchronisierungsdruck“ entstanden: Es sei nicht verwunderlich, dass einen jungen Mann nichts mehr im Niger halte, wenn er über sein Smartphone täglich die Unterschiede zwischen seinem Leben und dem von Kim Kardashian verfolge, sagte Steinmeier.

„Alternative Fakten“ dürfen nicht zur Methode werden

Zwar habe das Internet auch viele positive Seiten, zum Beispiel im Zuge des Arabischen Frühlings, als die Tunesier es geschafft hätten, den Diktator Ben Ali abzusetzen. In demokratischen Gesellschaften hingegen stellte Steinmeier eine eher negative Wirkung sozialer Medien fest. Die Informationsflut, der „Dauerregen“ an Nachrichten im Netz, trügen wenig zum Erkenntnisgewinn oder gar zur Weisheit bei. Das Gegenteil sei der Fall: An „Hass und Häme in Onlinekommentaren“ werde „unsere Gesellschaft nicht spurlos vorbeigehen“.

Scharf kritisierte der Bundespräsident die Verwendung so genannter „alternativer Fakten“, also bewusste Wahrheitsverdrehungen in der politischen Kommunikation. „Wenn das zur Methode wird, dann steckt darin tatsächlich eine existenzielle Gefahr für unser politisches Gemeinwesen.“

Steinmeier plädierte stattdessen dafür, den Gesprächspartner mit Argumenten zu überzeugen – „mit der Grundvoraussetzung, dass auch der andere Recht haben könnte“. Die Frage sei nicht, ob die Vernunft denn noch zu retten sei, sondern: „Was anderes soll uns denn retten als die Vernunft?“ (pro)

von: nf

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