„Als Christen zur Politik berufen”

Wie politisch ist die Reformation? Und wie protestantisch die Politik? In einem neuen Themenheft der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beziehen Prominente wie Volker Kauder oder Pascal Kober zu diesen Fragen Stellung.

Von PRO

Im Oktober läutet die EKD in Augsburg das Themenjahr „Reformation und Politik” ein. Einen Vorgeschmack darauf bietet nun ein Magazin mit dem Titel Öffnet externen Link in neuem Fenster„Reformation. Macht. Politik.”. Auf 104 Seiten geben Theologen wie Wolfgang Huber oder Heinrich Bedford-Strohm Einblick in Kirchengeschichte und die Beziehung ihrer Institution zur Politik. Prominente Politiker wie Volker Kauder (CDU), Günther Beckstein (CSU), Manuela Schwesig (SPD) oder Pascal Kober (FDP) schreiben über ihr eigenes Verhältnis zur Kirche.

Warum ich mich taufen ließ

Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, schreibt über ihre Taufe im Erwachsenenalter. „Der wichtigste Grund für die Entscheidung, mich taufen zu lassen, war die Geburt meines Sohnes. Als er zur Welt kam, war das für mich ein kleines Wunder und mir war klar: Als Mutter trage ich die Verantwortung für ihn. Aber es ist auch gut, die schützenden Hände Gottes über meinem Sohn, meinem Mann und mir zu wissen.” Ihr Gottvertrauen habe sie sich durch Menschen angeeignet, die den Glauben für essentiell halten. „Ich bin überhaupt nicht religiös erzogen worden. Meine Kindheit und Jugend habe ich in der DDR erlebt. Meine Eltern, meine Familie, meine Freunde hatten keinerlei Bezug zur Kirche.” Erst nach der Wende sei sie von Christen geprägt worden.

Kauder erklärt, warum er sich für verfolgte Christen auf der ganzen Welt einsetzt: Das Thema habe angefangen, ihn zu interessieren, als er bei Auslandsreisen immer wieder Vertreter christlicher Kirchen getroffen habe. Schnell sei ihm deutlich geworden, dass Christen in bestimmten Ländern größere Probleme hätten als in anderen. Heute sei er überzeugt: „Es gibt nirgendwo auf der Welt wirkliche Freiheit, wenn es keine Religionsfreiheit gibt.” Beckstein fragt sich in seinem Beitrag, ob die Kirche zu allem Politischen Stellung nehmen muss. „Da rate ich zur Zurückhaltung”, schreibt er. Er zweifle daran, dass die Kirchen in großen schwierigen Fragen wie der Krise des Euro die besseren Lösungen hätten als die große Zahl der damit beschäftigten Experten. „Andererseits hat die Kirche den Auftrag, zu grundlegenden ethischen Fragestellungen begründet Stellung zu nehmen. Zum Auftrag der Kirche gehört für mich auch, sich als Anwalt der Schwachen zu Wort zu melden. Und: Die Kirche soll Menschen ermutigen zum Engagement in der Politik, soll sie in ihrem Einsatz für unser Land bestärken und begleiten”, erklärt Beckstein.

Christsein verpflichtet zur Politik

Christsein sei auch ein Ruf zur politischen Aktion, findet der ehemalige Pfarrer und heutige Bundestagsabgeordnete Pascal Kober. „Nehmen wir die Sorge um unseren Nächsten ernst, so sind wir als Christen alle zur Politik berufen”, schreibt er. Schließlich entscheide die Politik über die Regeln, die weite Bereiche unseres Zusammenlebens bestimmten und damit tief in das Leben jedes Einzelnen, auch unseres Nächsten, eingriffen. „Zumindest müssen wir an Wahlen teilnehmen, Menschen zu Kandidaturen und Parlamentsarbeit ermutigen und uns deshalb vielleicht auch einmal selbst zur Wahlstellen. Aus diesen Gründen habe ich mich entschieden, in eine Partei einzutreten und mich politisch zu engagieren”, erklärt Kober.

Ein neues Staat-Kirche-Verhältnis wünscht sich Bodo Ramelow (Die Linke). „Die religiöse Landschaft der Bundesrepublik hat sich gewandelt. Mit der Wiedervereinigung stieg die Zahl der Konfessionslosen massiv an, dazu kommt ein kontinuierlicher Mitgliederschwund der Kirchen. Gleichzeitig hat sich der Islam mit circa vier Millionen Gläubigen zur drittgrößten Religionsgemeinschaft des Landes entwickelt, und die Zahl der Anhänger des Jüdischen Glaubens hat sich seit 1990 mehr als verfünffacht. Deswegen wünsche ich mir, dass der Staat alle gläubigen Menschen gleichberechtigt behandelt und die freie Religionsausübung schützt”, schreibt er. Das Staat-Kirche-Verhältnis müsse sich zu einem Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften weiterentwickeln.

Gebet im Bundestag

Der kirchenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, Josef Winkler, stellt fest: „Glauben ist überhaupt nicht ‚unzeitgemäß’ oder ‚überholt’, denn ich empfinde ihn als Kraftquelle und Ruhepol zugleich.” Besonders deutlich erkenne er das in den Andachten im Gebetsraum des Bundestages. „Ihr erstes Merkmal ist, dass sie vordergründig zweckfrei sind, denn sie dienen nicht der politischen Kontaktpflege oder dem informellen Gespräch. Sie sind ein Angebot, zur Ruhe zu kommen und die politische Hektik für einen Moment zu vergessen. Das zweite Merkmal der Andachten besteht darin, dass sie interfraktionell und ökumenisch sind. Damit bieten sie die Gelegenheit, sich abseits von Parteizugehörigkeiten und Kirchenmitgliedschaften als das eine ‚Volk Gottes’ zu begreifen.” Der Gebetsraum sei ein Stein gewordenes Zeugnis dafür, dass Glauben nichts Einengendes ist, das belastet oder bedrückt. „Glaube befreit von der Last, alle Dinge selber machen und erreichen zu müssen”, schreibt Winkler. (pro)

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