Das Scheitern eines Symbols? Islamkonferenz geht zu Ende

2006 weckte sie Hoffnungen auf einen Dialog, auf Integration und auf Zusammenhalt. Heute tagt die Deutsche Islamkonferenz zum vorerst letzten Mal. Für manche ist sie noch heute ein Symbol. Für viele andere hat sich der Traum von Einigkeit zwischen Staat und muslimischer Religion ins Gegenteil verkehrt. Kritiker meinen, die Konferenz zeige vor allem die mangelnde Integrationsbereitschaft muslimischer Verbände.
Von PRO

Am heutigen Donnerstag geht die Deutsche Islamkonferenz (DIK) in die vorerst letzte Runde. Politiker wie Gründer und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), die SPD-Politikerin Brigitte Zypries, Vertreter islamischer Verbände in Deutschland oder auch die Islamkiritikerin Necla Kelek ziehen Bilanz über drei Jahre Integrationsbemühungen. Die vier Arbeitsgruppen zur deutschen Gesellschaftsordnung, zum Wertekonsens, zu Religionsfragen sowie zu Islamismus und Sicherheit stellen heute in Berlin ihre Ergebnisse vor und geben Empfehlungen zur Integration von Muslimen. Für die einen waren die Gespräche über ein fruchtbringendes Miteinander zwischen Staat und Religion in Deutschland vergeudete Zeit, für andere haben sie den Dialog erkennbar gefördert.

„Sich emotional näher gekommen“

Schäuble etwa erklärte im Radiosender „RBB-Info“: „Muslime und Deutsche sind sich emotional sehr viel näher gekommen. Das ist Voraussetzung für gelingende Integration.“ So könnten unterschiedliche Meinungen friedlich ausgetragen werden. Die Arbeit der Konferenz habe dazu gedient, Vorurteile abzubauen. Die Debatte um den Moscheebau sei entspannter geworden, und vielerorts gebe es nun Initiativen zur Einführung von Islamunterricht. Dennoch seien längst nicht alle Probleme gelöst. Auch Justizministerin Zypries äußerte sich positiv über die Arbeit der vergangenen drei Jahre: Die Islamkonferenz habe zu einer Kultur des offeneren Dialogs mit der muslimischen Seite, aber auch zwischen den muslimischen Teilnehmern, beigetragen und müsse fortgesetzt werden. „Natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel. Jahrzehntelange Versäumnisse bei der Integration können nicht in drei Jahren Islamkonferenz nachgeholt werden.“

Doch positiv bewertet längst nicht jeder das Treffen zwischen Staats- und Religionsvertretern. Die Soziologin Necla Kelek ist bekannt für ihre islamkritischen Beiträge. Als Teilnehmerin der Islamkonferenz schreibt sie in der „Frankfurter Allgemeinen Tageszeitung“ von einem „erfolgreichen Scheitern“ der Gespräche. Klar geworden sei vor allem der Unwille des politischen Islam zur Integration. „Der Innenminister feiert auf dem Plenum der Deutschen Islamkonferenz einen Dialog, der nicht stattfand“, heißt es in ihrem Beitrag. Den islamischen Verbänden wirft sie vor, immer mehr Rechte in Anspruch nehmen zu wollen, Verantwortung für ungerechte Strukturen im Islam wollten sie aber nicht übernehmen. Dem Thema Integration stünden sie eher ablehnend gegenüber.

Zentralrat: Der Integration Einhalt gebieten?

Kelek zitiert etwa den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Ayyub Axel Köhler, der erklärt habe, „dass sich die Tendenz bemerkbar macht, die Religionsfreiheit einer wie auch immer verstandenen Integration unterzuordnen. Dieser Tendenz ist Einhalt zu Gebieten!“ Für Kelek eine klare Absage an die Integration, „denn das heißt, die Verbände wollen ihre Vorstellung vom Islam leben, alles andere interessiert sie nicht“. Mit dieser Einstellung, so ist sie sicher, werde die Konferenz ad absurdum geführt. Demokratische Grundsätze würden zu Gunsten eines undemokratischen Islam über Bord geworfen: „Über die Rechte der muslimischen Frauen, über Gewalt in Familien, den Zwang zur Heirat et cetera wurde in den drei Konferenzjahren nicht gesprochen, aber über das Kopftuch. Wenn diese Arbeitsgruppe unter anderem meint, dass es dem Frieden im Lande dient, wenn kleine Mädchen in der Schule Kopftuch tragen, an Ramadan fasten, und wenn sie empfiehlt, Teile der Scharia zu akzeptieren, weil sie doch nur religiöse Riten betreffen, dann muss die Diskussion über grundsätzliche Dinge wie das Recht auf Kindheit und Selbstbestimmung, wohl noch einmal von vorne beginnen.“

Zurzeit präsentiere sich der Islam als eine „Religion ohne Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“. Die Islamkonferenz müsse diese Verantwortung einfordern und zwar anders als bisher. Kelek fordert einen Sachverständigenrat aus Wissenschaftlern, Geistlichen und Vertretern aller muslimischer Richtungen, „die sich dem Wertekonsens unserer säkularen Gesellschaft verpflichtet fühlen“. Bisher sind in der Islamkonferenz auch Gruppierungen wie der vom Verfassungsschutz beobachtete Verein „Milli Görüs“ vertreten.

„Da wurde Zeit verplaudert“

Auch Lale Akgün, die Islam-Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, sieht die DIK kritisch. „Da wurde Zeit verplaudert. Außer Spesen ist da nichts gewesen“, sagte sie in der Tageszeitung „Die Welt“ bei einem Streitgespräch mit Aiman Mazyek, dem Generalsekretär des Zentralrats der Muslime. Das Konzept einer Islamkonferenz diskriminiere die Muslime, weil sie eine Extrabehandlung, etwa im Vergleich zu Hindus, erhielten. Mazyek hingegen ist überzeugt, die Zustimmung zum Islam sei durch die Gespräche gewachsen. Die Konferenz habe konkrete Konzepte geliefert, die die Muslime in Deutschland bräuchten, etwa wenn es um den Islamunterricht oder sie Ausbildung von Imamen gehe.

Akgün aber will keinen rechtlich mit den Kirchen gleichgestellten Islam akzeptieren, der nicht transparent ist. „Wenn sie sich nach den Privilegien der Kirche sehnen, müssen sie nur die Voraussetzungen erfüllen: Dokumentieren Sie, für wie viele Muslime Sie überhaupt sprechen, indem Sie Mitgliederlisten vorlegen. Und begründen Sie rechtlich und theologisch überzeugend, warum Ihr Islam-Verständnis verfassungsgemäß ist“, forderte sie von Mazyek. Problematisch seien verschiedene muslimische Verbände. Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) stünde der Türkei zu nahe, der Zentralrat müsse sich zunächst von „Milli Görüs“ trennen.

Mazyek verteidigte die muslimischen Verbände. Man könne nicht von einzelnen Mitgliedern auf den ganzen Verband schließen, Feindbildprediger seien eine Minderheit. Man dürfe niemals die ganze Organisation diskreditieren, sondern solle lieber dabei helfen, einzelne Radikale zum Umdenken zu animieren. Niemals würde er die Islamkonferenz „einstampfen“. Es müsse sich lediglich etwas bei der Zusammensetzung ändern. Wichtig sei vor allem die Entwicklung eines Konzepts zur Gleichberechtigung der Muslime. Akgün hingegen plädierte dafür, „die Islam-Konferenz sanft entschlafen“ zu lassen. „Als Symbol war sie ganz gut. Aber jetzt muss dort gehandelt werden, wo die islampolitische Musik spielt. Das heißt: in den Ländern und Kommunen, wo fast alle wichtigen Fragen entschieden werden.“

Nur 20 Prozent der Muslime sind organisiert

Wie drängend diese Fragen sind, zeigt eine Erhebung des „Bundesamts für Migration und Flüchtlinge“, aus der der Evangelische Pressedienst (epd) zitiert. Von den etwa vier Millionen Muslimen, die derzeit in Deutschland leben, bezeichnen sich 36 Pozent als „stark gläubig“, 50 Prozent sagen, sie seien „eher gläubig“. Nur die Hälfte von ihnen hat die deutsche Staatsangehörigkeit. 63 Prozent stammen aus der Türkei. Es ist zu erwarten, dass religiöse Themen wie das Kopftuchverbot, gemeinsamer Sportunterricht von Mädchen und Jungen oder die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts auch in Zukunft in Deutschland für Wirbel sorgen werden. Wegweisend könnte vor allem diese Statistik sein: Nur 20 Prozent der Muslime in Deutschland sind in religiösen Vereinen oder Gemeinschaften organisiert. Sie werden in der Islamkonferenz also, zumindest nach derzeitigem Konzept, nicht gehört. So behält zumindest der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, mit seinem Fazit Recht. Im öffentlich-rechtlichen Sender „RBB“ sagte er: „Durch die Islamkonferenz ist es vor allem auch für die Öffentlichkeit sehr viel klarer geworden, wie differenziert, wie unterschiedlich der Islam eigentlich ist“. (PRO)

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