Glaube an Gott war für Tony Blair schon immer wichtig

Der ehemalige britische Premierminister hat vor einem Jahr viele mit seinem Übertritt zum Katholizismus überrascht. Noch während seiner Amtszeit hütete sich der Politiker im säkularen Großbritannien davor, seinen Glauben zum Politikum zu machen. Seit kurzem wird jedoch klar, dass der Glaube für Blair schon immer höchst wichtig war, wie ein Artikel der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zeigt.
Von PRO

„Blair ist tiefreligiös – seit William Ewart Gladstone vor mehr als 100 Jahren hat kein anderer politischer britischer Führer seinen Glauben so öffentlich gelebt“, schreibt Michael Elliott, Autor des „Time“-Magazins, in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dabei habe er, als er noch britischer Premierminister war, wenig Aufhebens um seine Religion gemacht. Kein Wunder: Großbritannien sei ein Land, in dem die Gesellschaft „ihre säkulare Ausrichtung so aggressiv betont wie nur wenige andere auf dem Erdball“. Und im Inselstaat sei der „Zynismus eine Lebensart“. Der Katholizismus, dem Blair sich nach Auszug aus Downing Street 10 beitrat, gelte dort zudem vor allem als versnobt.

Schon seit der Jugend gläubig

Blairs Eltern waren keine regelmäßigen Kirchgänger, schreibt der amerikanische Autor Elliott unter der Überschrift „Tony Blairs Reise“. Doch schon früh sei der junge Blair sehr gläubig gewesen, berichten Zeitzeugen. Während des Studiums in den siebziger Jahren in Oxford schließlich habe er den Glauben für sich „wiederentdeckt“. 1974 trat Blair der Kirche von England bei. Später als Politiker habe ihm sein Glaube dabei geholfen hat, schwere Entscheidungen zu treffen, sagt er heute. „Der Glaube kann einem nicht sagen, was das Richtige ist; aber er kann einem die Kraft geben, es zu tun.“

Als er Cherie Booth, seine spätere Frau, kennen lernte, erhielt Blairs Glauben laut Elliott „eine tiefere Dimension“. Sie ist eine strenggläubige Katholikin und dürfte einen entscheidenden Anteil an Blairs Beitritt zum Katholizismus haben. Über den jungen Blair sagte seine Ehefrau: „Religion war ihm wichtiger als jedem, den ich je getroffen hatte, von Priestern einmal abgesehen.“

Stiftung mit Schwerpunkt auf Religionen

Am 30. Mai 2007 gründete der 55-jährige Blair in New York die „Tony Blair Faith Foundation„. Diese „Glaubensstiftung“ will helfen, die drängendsten Probleme der Welt zu lösen. Dabei steht die Religion im Mittelpunkt: wenn Angehörige verschiedener Religionen zusammenarbeiten, könnte Großes geleistet werden, ist Blair überzeugt. Man müsse den Glauben der Menschen ernst nehmen, um die Barrieren zwischen Völkern und Nationen abzubauen. „Der Glaube ist Teil unserer Zukunft und der Glaube und die Werte, die mit ihm zusammenhängen, sind eine wesentliche Voraussetzung, wenn die Globalisierung funktionieren soll“, sagt Blair. Denn: „Der Glaube kann eine zivilisierende Kraft beim Prozess der Globalisierung sein.“

Seine Stiftung will Partner finden, um die acht Millenniumsziele der UN voranzutreiben. Insgesamt soll ein Finanzstock von mehreren hundert Millionen Dollar aufgebaut werden. Erstes Ziel ist die Bekämpfung von Malaria, die jedes Jahr etwa 850.000 Kinder tötet. „Wenn man Kirchen und Moscheen und Menschen jüdischen Glaubens zusammenbringen würde, damit sie die Moskitonetze bereitstellen, die notwendig sind, um die Malaria zu eliminieren, würde das den Glauben in Aktion zeigen“, so Blair. Die Leiterin der Stiftung, die 37-jährige Ruth Turner, erklärt: „Man kann nicht dafür sorgen, dass die Welt funktioniert, wenn man nicht versteht, dass zwar nicht jeder an Gott glaubt oder ein spirituelles Leben führt – dass aber viele es tun.“

„In Sachen Glauben ist Westeuropa ein Außenseiter“

Blair sagte, dass er den Rest seines Lebens der Stiftung widmen wolle. Er ist davon überzeugt, dass es in den wohlhabenden Ländern der Welt „ohne spirituelle Werte eine Leere gibt, die sich nicht durch materielle Dinge und Reichtum füllen lässt“.

In Amerika, so „Time“-Autor Elliott, sei solch ein offenes Bekenntnis zum eigenen Glauben weit verbreitet und in der Öffentlichkeit akzeptiert. In Großbritannien allerdings zweifelten viele an Blairs Ehrlichkeit. Darin wurden sie nicht zuletzt durch den Irak-Krieg bestärkt, den Blair unterstützte. Elliott kommentiert: „Der ‚Gott ist schon auf unserer Seite‘-Messianismus von George W. Bush – Blairs geopolitischem Partner – trifft in Großbritannien auf weitverbreitete Abscheu.“ Im Hinblick auf Amerika merkt der Journalist jedoch an, Blair bestehe darauf, dass die Europäer verstehen müssten, „wie wichtig der Glaube im Leben der Amerikaner ist. Und sie müssten erkennen, dass Westeuropa dank seines alles durchdringenden Säkularismus in der Welt als Sonderling dasteht – und eben nicht Amerika.“ „Europa“, so Blair, „ist mehr ein Ausnahmefall, als es selbst das bisweilen glaubt.“ (PRO)

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