Politik will Lebensschützer fern halten

Die Bundesregierung will per Gesetz ungehinderten Zugang zu Abtreibungs- und Beratungseinrichtungen gewährleisten. Dafür nimmt sie es mit Grundrechten auf. Das britische Parlament hat ein solches Gesetz bereits vorgelegt. Was bedeutet das fürs Beten?
Von Jonathan Steinert
Junge Frau an einer Straße, nachdenklich, einsam

Das britische Parlament will Abtreibungsgegner per Gesetz von Beratungsstellen oder Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche fernhalten. Diese Woche hat es ein Gesetz über die öffentliche Ordnung verabschiedet, das einen eigenen Artikel zum Zugang von Abtreibungseinrichtungen enthält.

Es sieht eine „Sichere Zugangszone“ von 150 Metern rund um eine solche Einrichtung vor. Wer dort auf irgendeine Weise versucht, Personen zu beeinflussen, die Abtreibungen vornehmen oder durchführen lassen, wer sie behindert oder belästigt, macht sich demnach strafbar.

Dass darunter auch das stille Gebet fällt, ist nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt. Rechtsanwalt Felix Böllmann von der Menschenrechtsorganisation ADF (Alliance Defending Freedom) geht aber aufgrund der bisherigen Handhabe davon aus. So kam es im vorigen Jahr zu Festnahmen zweier Christen, die im Umfeld einer Abtreibungsklinik still beteten. Grundlage dafür waren von den lokalen Behörden festgelegte „Pufferzonen“ um die Einrichtungen. Vor Gericht wurden die Beter jedoch freigesprochen.

Belästigung ist bereits verboten

Böllmann kritisierte, mit der Entscheidung führe das Parlament „Gedankenverbrechen“ („thought crimes“) ein, wenn selbst Gebete strafbar sind. Ein ähnliches Gesetzesvorhaben ist auch in Deutschland geplant, das Bundesministerium für Familie arbeitet bereits an einem Entwurf.

Ziel ist es, dass Frauen ungehinderten Zugang zu Beratungsstellen und zu Einrichtungen haben, die Abtreibungen durchführen. Mahnwachen vor diesen Einrichtungen seien „Grenzüberschreitungen und nicht hinnehmbare Eingriffe in höchstpersönliche Entscheidungen“, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung hält fest, dass „Gehsteigbelästigungen“ von Abtreibungsgegnern „wirksame gesetzliche Maßnahmen“ entgegengesetzt werden sollen.

Böllmann weist darauf hin, dass etwa Belästigungen und Blockaden bereits jetzt verboten sind. Deshalb sieht er in dem geplanten Vorhaben der Bundesregierung vor allem „politischen Aktivismus“, wie er gegenüber PRO sagte.

„Zensurzonen“ seien dem deutschen Recht „bis auf wenige, strikt geregelte Ausnahmen“ fremd. „Allem Anschein nach möchte die Ampelregierung den verfassungsmäßig gebotenen Schutz für das ungeborene Leben komplett abschaffen. Auf dem Weg dahin soll jede andere Auffassung aus dem öffentlichen Raum verbannt werden.“

Droht die Zensur von Gedanken?

In den vergangenen Jahren haben Lebensschützer vor deutschen Gerichten Recht bekommen, die gegen Auflagen für Gebets-Mahnwachen geklagt hatten. Sowohl der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als auch das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main befanden: Die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist durch die Gebets-Mahnwache nicht gefährdet, die Versammlungsfreiheit darf daher nicht eingeschränkt werden.

Solange die Beteiligten niemanden bedrängten oder Frauen in eine „unausweichliche“ Situation brächten, müssten die Mahnwachen hingenommen werden – auch wenn sie Persönlichkeitsrechte betreffen und als stigmatisierend empfunden werden könnten.

Böllmann warnt vor einem schwerwiegenden Schaden für die Gesellschaft, sollte es praktisch „meinungs- und gebetsfreie Zonen“ geben. Das komme einer Zensur von Gedanken gleich. „So weit sollten wir es auf keinen Fall kommen lassen.“

Wie viele Gebetsaktionen und Mahnwachen es vor Abtreibungseinrichtungen gibt, wie groß also das wahrgenommene Problem ist, das das Familienministerium angehen möchte, darüber gibt es keine Zahlen. Das teilte es auf PRO-Anfrage mit. Organisierte Aktionen dieser Art, Mahnwachen zum Beispiel aktuell in der Fastenzeit, führt die Initiative „40 Tage für das Leben durch“ – bislang aber nur in vier Städten Deutschlands, Stuttgart, Frankfurt/M., Pforzheim und München. Der Initiator, Thomas Čunović, gibt an, dass pro Kampagne und Stadt insgesamt rund 70 Personen teilnehmen.

Wie Böllmann sagte, gebe es aber „an fast allen Orten, an denen Abtreibungen durchgeführt werden, … Menschen, die für Frauen und ihre ungeborenen Kinder beten oder auch konkret ihre Hilfe anbieten“.

Einzelheiten zum geplanten Gesetz, etwa die Frage, wie es der Versammlungsfreiheit Rechnung tragen wird, machte das Ministerium auf Nachfrage nicht. Auch teilte es noch keinen Zeitpunkt mit, wann der Entwurf vorliegen soll.

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