Pokémon-Go-Hype: Was jeder wissen sollte

Das Smartphone-Spiel Pokémon Go erobert derzeit die Welt. Woher kommt der Hype, und welche positiven und negativen Aspekte hat die innovative Monsterjagd? Eine Analyse von Michael Müller
Von PRO
Monsterjäger: Die Smartphone-App Pokémon Go zieht die Menschen nach draußen in die Natur
Vor kurzem war es noch der Smombie, eine lethargische Einheit aus Mensch und Smartphone, die zombiegleich die deutschen Straßen unsicher machte. Menschen, die nur noch Augen für ihr Smartphone hatten und dabei den Straßenverkehr und auch andere Mitmenschen komplett ausblenden konnten. Jetzt erleben wir eine Form der Weiterentwicklung: Pokémon-Go-Spieler. In rasender Geschwindigkeit hat sich dieser neue Trend auch dank der Medien ausgebreitet. Menschen laden sich die Spiele-App Pokémon Go auf ihr Handy herunter und gehen auf Monsterjagd. Das Besondere ist, dass sie das Computerspiel nicht zuhause, sondern auf der Straße und in der Natur spielen. Seit dem 6. Juli kann die Pokémon-Go-App heruntergeladen werden. Der Börsenwert der japanischen Herstellerfirma Nintendo, die das Spiel bei der US-Entwicklerfirma Niantic Labs in Auftrag gab, hat sich seitdem nahezu verdoppelt. Eine einzige Smartphone-App hat aus dem seit Jahren angeschlagenen Unternehmen wieder einen Gaming-Riesen gemacht. Mit technischen Spiele-Innovationen wie dem GameBoy, dem Super Nintendo oder der Wii hatte sich Nintendo immer wieder neu erfunden, litt aber gerade in den vergangenen Jahren an Ideenarmut und einbrechenden Verkaufszahlen. Im Jahr 1996 erfand die japanische Firma die kleinen Monster, die sie Pokémon nannte. Der Name ist eine Verschmelzung aus den beiden englischen Wörtern „Pocket“ und „Monster“. Diesen Taschen-Monstern ist es ein inneres Bedürfnis, im Wettstreit gegeneinander anzutreten. Der Spieler wiederum fängt die Monster als Pokémon-Jäger mit Hilfe von weiß-roten Bällen. Auf mehr als 700 Figuren ist das Pokémon-Universum mittlerweile angewachsen. Es gibt die bunten Tierchen in jeder erdenklichen Merchandising-Form.

Unterschiedliche Erfolgsfaktoren

Die Popularität der neuen Smartphone-App Pokémon Go lässt sich aber nicht monokausal erklären: Teils hängt der Erfolg mit der Nostalgie zusammen, die Pokémon-Fans verspüren. Eine ganze Generation heutiger junger Erwachsener wuchs mit den kleinen Monstern auf. Und im aktuelle Retro-Jahrzehnt, wo 90er-Jahre-Partys gefeiert und Hörspiele wie „Die drei ???“ auf großer Bühne vor Tausenden von Zuhörern wiederentdeckt werden, passt diese Nostalgie sehr gut ins Bild. Das innovative Spielkonzept, bei dem die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt verwischen, stellt aber einen noch größeren Anreiz dar. Auf dem Bildschirm des Smartphone tauchen die Monster dank moderner Technik so auf, als gäbe es sie in der Realität. Die wirkliche Welt mit digital generierten Zusatzobjekten anzureichern, nennen Spiele-Experten „Augmented Reality“ (Angereicherte Realität). Dank hochentwickelter Smartphones, die mit GPS-Signal, Google Maps und Kamera ausgestattet sind, kann Pokémon Go deswegen überall gespielt werden. Pokémon Go setzt dabei auf den Entdeckungsdrang der Menschen. Durch das Spiel bekommen sie eine ganz neue Perspektive auf ihre vertraute Umgebung geboten. Und gerade für Mütter und Väter ist die Smartphone-App insoweit nützlich, als dass die zuhause zockenden Kinder nun endlich mal freiwillig an die frische Luft gehen. Denn es ist nicht möglich, das Spiel im Haus zu spielen, weil die Monster, Läden und Trainingsarenen draußen verteilt sind. Der Pokémon-Go-Spieler ist somit das positive Gegenstück zum Klischee des sich tagelang mit Pizza im Keller verschanzenden Computer-Nerds. Anfangs fühlen sich die Spieler noch etwas komisch, wenn sie, mit dem Smartphone in der Hand, durch die Natur stapfen. Aber es ist auch die Gelegenheit, sich mit anderen Gleichgesinnten auf die Jagd zu begeben. Aktuell sind in Parks, vor Gebäuden oder an Straßen Menschentrauben von Pokémon-Go-Spielern zu beobachten, die sich untereinander austauschen und Tipps geben, wo besonders seltene Monster in der Gegend zu finden sind. Man kann sich auch in Gruppen zusammenschließen und gemeinsam spielen. Wie die Internetseite Christian Daily berichtet, gibt es schon Bestrebungen, nicht-gläubige Pokémon-Go-Spieler an und in Kirchen einen freudigen Empfang mit Snacks zu bereiten. Viele Kirchen sind nämlich als Übungsarenen oder Läden im Pokémon-Universum ausgewiesen. So könnten Menschen erreicht werden, die jahrelang nicht mehr in die Nähe einer Kirche gekommen sind.

Scheich hält das Spiel für Sünde

Dass der Erfolg der Pokémon-Go-App auf den menschlichen Urinstinkt des Jagens zurückgeht, ist dabei eine besonders wagemutige These von Spiele-Experten. Aber Datenschützer sehen die App kritischer. Das Spiel könnte von der Herstellerfirma Nintendo dafür benutzt werden, Bewegungsprofile der Menschen aufzuzeichnen. Immerhin kann sich nur der anmelden, der ein Google-Konto als Identifikation angeben kann. Auch wird direkt bei der Anmeldung nach einer gewünschten Bezahlmethode gefragt. Das Spiel kann zwar kostenlos heruntergeladen werden. Ausrüstungen und Extra-Gegenstände kosten jedoch echtes Geld. Die Spiele-App ist auch ein intensiver Akku- und Datenvolumen-Verbraucher. Der ADAC warnte vor kurzem davor, dass Bürger durch die Monstersuche vom Straßenverkehr abgelenkt werden könnten. Auch ein Land wie Israel forderte seine Botschafts-Mitarbeiter und Soldaten auf Armee-Stützpunkten dazu auf, Pokémon Go nicht am Arbeitsplatz zu spielen. Wegen Sicherheitsaspekten müsse man vorsichtig sein, zitiert die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth einen Sprecher des Außenministeriums. Ein hochrangiger islamischer Gelehrter hält die Smartphone-App gar für eine Sünde. Nach Ansicht des Vize-Scheichs der Kairoer Institution Al-Azhar, Abbas Schuman, habe Pokémon Go einen genauso schlechten Einfluss auf die Menschen wie Alkohol. Es mache abhängig und könnte dem öffentlichen Leben schaden. Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet, haben sich in einer kleinen Stadt in der Lüneburger Heide drei Pokémon-Go-Spieler auf ein Übungsgelände des Militärs verirrt, wo mit scharfer Munition geschossen wurde. Ein Wachdienst konnte die drei Spieler, die in ihre Smartphones vertieft waren, noch rechtzeitig aufgreifen. Gefährlich war es auch, weil auf dem Gelände noch viele Blindgänger liegen. Es bleibt festzuhalten, dass die Smartphone-App Pokémon Go durchaus positive Faktoren mit sich bringt: Sie lädt die Menschen dazu ein, wieder mehr miteinander zu spielen und sich dabei an der frischen Luft zu bewegen. Wie das negative Beispiel der drei Spieler in der Lüneburger Heide zeigt, braucht es aber einen verantwortungsvollen Umgang. Das gilt vor allem auch für die Themen Datensicherheit, Suchtfaktor und zusätzliche Kosten. (pro)
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