PID: Welche Rolle spielt die Kirche?

Vertreter aus Politik und Kirche haben am Mittwoch über das Für und Wider von Gentests an Embryos debattiert. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage nach der Würde des Menschen. Widerspricht die Präimplantationsdiagnostik diesem Grundsatz? Oder macht sie ihn im Falle betroffener Paare erst wirksam?

Von PRO

Das Abwägen um das richtige Handeln sei protestantische Pflicht, sagte Prälat Bernhard Felmberg zur Einleitung einer Diskussionsrunde zwischen Kirchenvertretern und Politikern. Beim "Treffpunkt Gendarmenmarkt" sollte es um eines der wohl umstrittensten und sensibelsten Themen aktueller Politik gehen: die Präimplantatuonsdiagnostik (PID). Gekommen waren nicht nur hochkarätige Diskutanten: Peter Hintze, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Wilfried Härle, langjähriger Vorsitzender der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD, Jeanne Nicklas-Faust, stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung "Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung", und Rainer Anselm, Inhaber des Lehrstuhls für Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Auch unter den Gästen tummelten sich bekannte Gesichter, wie Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, oder Rita Süssmuth, ehemalige Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit.

Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, eröffnete die Debatte mit den Worten: "Christlicher Glaube und christliche Ethik können nicht zu allgemeingültigen Normen und nicht zu zeitlos gültigen Prinzipien führen." Neben der Betrachtung der befruchteten Eizelle dürfe deshalb die Situation der Mutter und der gesamten Familie nicht aus dem Blick geraten. Für eine christlich-ethische Urteilsbildung müssten neben theologischen immer auch seelsorgerliche Erwägungen Berücksichtigung finden. Mit Hilfe der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten hin untersucht, bevor sie in den Mutterleib eingepflanzt werden. Sie können aussortiert werden, wenn eine Fehlgeburt oder das Heranwachsen eines behinderten Kindes droht.

PID: "Gebot der Nächstenliebe"

Hintze, der gemeinsam mit anderen Parlamentariern jüngst einen Gesetzesentwurf eingebracht hatte, der die PID legalisieren soll, nannte das medizinische Vorgehen ein "Gebot der Vernunft und Gebot der Nächstenliebe". Ein Land, das die Pille danach oder die Verhütungsmethode der Spirale akzeptiere, müsse auch die PID zulassen. Menschliches Leben beginne nicht etwa mit der Verschmelzung von Ei und Stammzelle, sondern in der Gebärmutter.

Da widersprach der Theologe Härle. Von der Empfängnis an verdiene ein menschliches Wesen Schutz. In keinem Fall sei eine Behinderung ein Grund für eine Tötung. Zudem könnten nur fünf Prozent der tatsächlichen Behinderungen durch die PID erkannt werden. "Ein gutes Gesetz kann nur ein Verbot der PID sein", ist er sich sicher und plädierte für ausführliche Beratungsmöglichkeiten für Frauen, die genetisch vorbelastet sind und deshalb Bedenken wegen einer Schwangerschaft hätten.

Gegen die Würde des Menschen?

Medizinerin Nicklas-Faust, selbst Mutter eines schwerbehinderten Kindes, erklärte, die PID widerspreche dem Grundsatz der Würde des Menschen in dem Augenblick, in dem Embryonen erzeugt würden, um unter ihnen diejenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auf gesundes Leben auszuwählen. "Die gezielte Produktion gefährdet die Würde", sagte sie und warnte zudem vor den gesellschaftlichen Folgewirkungen. So könne sie sich vorstellen, dass etwa Kinder mit Downsyndrom, nach der Zulassung der PID in Deutschland, weniger gesellschaftliche Anerkennung erhielten. "Ist die PID eine Lösung für schwerwiegende Probleme?", fragte Nicklas-Faust und beantwortete ihre Frage selbst: Nur 30 von 100 Frauen bekämen nach Anwendung der Methode überhaupt ein Kind, zehn davon hätten Frühchen oder Zwillinge, drei sogar Kinder mit Behinderungen. Die Langzeitfolgen der PID seien zudem völlig unerforscht.

Kirche muss Vielfalt akzeptieren

Welche Rolle aber spielt nun die Kirche bei der ethischen Diskussion? Darauf hatten die Diskutanten unterschiedliche Antworten: Härle erklärte, die Taufe sei auch ein Versprechen, schon kleinste Menschen als Teil der Gemeinde ernst zu nehmen, dazu zählten auch Embryonen. Hintze plädierte dafür, im "Geiste Bonhoeffers" immer neu Normen und die persönliche Situation betroffener Paare abzuwägen und sich für die Mitmenschlichkeit zu entscheiden. Faust hingegen erklärte, Aufgabe der Kirche sei es, Vielfalt zu akzeptieren. Dazu zählt sie auch behindertes Leben. Am kommenden Freitag informiert die Bundespressekonferenz über weitere Schritte bei einer möglichen Zulassung der PID.

In einem Brief hat sich derweil Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), an die EKD gewandt und sich gegen die Zulassung der PID ausgesprochen. Unabhängig von der Gesetzesdiskussion sei gewichtig, dass Gott der Schöpfer menschlichen Lebens ist. Darin beruhe für jedes menschliche Leben seine unabänderliche Würde. Diese gelte ausnahmslos in jeder Lebensphase, schreibt Steeb. Das Leben eines Menschen beginne mit der Zeugung beziehungsweise der der künstlichen Befruchtung. Ab diesem Zeitpunkt könne es "darum nur ein uneingeschränktes Ja zum Lebensschutz geben, ohne jedes Nein". Gerade Christen und die christliche Gemeinde seien gefordert, Menschen das "uneingeschränkte Ja Gottes zum menschlichen Leben in Wort und Tat zu vermitteln". (pro)

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