"An manchen Schulen sind Deutsche inzwischen die Minderheit", sagte FDP Generalsekretär Christian Lindner in der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch. "Es hilft der Integration, wenn dort Deutsch nicht nur im Unterricht gesprochen wird, sondern auch auf dem Pausenhof." Es dürfe keine Ausgrenzung in keiner Richtung geben. Lindner verwies auf erste Schulen, an denen es entsprechende Vereinbarungen bereits gebe.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, pflichtete Lindner bei. Auch sie wünscht sich, dass Deutsch Pflichtsprache auf Schulgeländen wird. "Vor einem Jahr hat diese Diskussion noch einen Aufschrei hervorgerufen. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Deutsch muss verpflichtende Schulsprache sein", sagte die CDU-Politikerin der Zeitung "Die Welt" am Donnerstag. Außerdem müssten die Behörden in Deutschland mehr auf die Ergebnisse der verpflichtenden Deutschkurse für Ausländer Acht haben, sagte Böhmer.
"Vorschlag ist absurd"
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte den Vorschlag einer Pflichtsprache auf Schulhöfen absurd, weil dies nicht zu kontrollieren sei. Regierungssprecher Steffen Seibert stellte jedoch klar, dass das Deutschsprechen auf Schulhöfen freiwillig erfolgen müsse. Möglichst viele Schulen sollten derartiger Selbstverpflichtungen eingehen. "Es geht nicht darum, dass der Gesetzgeber sagt, was auf dem Schulhof gesprochen werden soll", sagte Seibert am Mittwoch in Berlin. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sprach sich bei "Handelsblatt Online" für freiwillige Vereinbarungen aus. "Zwar wäre es zu begrüßen, wenn nur Deutsch auf dem Pausenhof gesprochen würde. Das kann aber nicht von oben angeordnet, überwacht oder gar bei Nichterfüllung sanktioniert werden."
Migrantenverbände in Deutschland haben den Ruf nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen heftig kritisiert. "Dies führt zu Stigmatisierung der Migrantensprachen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung vom heutigen Freitag. Bund und Länder müssten die Fähigkeit zur Mehrsprachigkeit und die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Deutschland fördern, forderten die Verbände. "Wir sind sehr besorgt", betonten die Verbände. Das Europarecht schütze die Muttersprachen der Wanderarbeitnehmer. Gleichzeitig versicherten sie: "Die Erstrangigkeit der deutschen Sprache ist für uns selbstverständlich."
Die Fokussierung allein auf den Erwerb der deutschen Sprache lenke "von den eigentlichen Problemen wie selektives Bildungssystem, geringe Ausbildungsbeteiligung aufgrund von Diskriminierungen und hohe Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Migrationshintergrund" ab, heißt es in der Erklärung. Zu den Unterzeichnern zählen die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, der Verband Deutsch-Arabischer Vereine und die Türkische Gemeinde in Deutschland.
Ähnlich positionierte sich der Deutsche Kulturrat. "Die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, inklusive der Muttersprachen der Zuwanderer, muss verstärkt Anerkennung und Wertschätzung erfahren", forderte er. Der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Dialog statt Ausgrenzung ist das Geheimnis von Integration."
Berliner Schule: Man spricht Deutsch
Bereits im Jahr 2005 rief eine Realschule im Berliner Bezirk Wedding die Deutschpflicht auf ihrem Gelände aus. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte der Leiter der Herbert-Hoover-Oberschule, Thomas Schumann, diese Regel habe sich in den vergangenen fünf Jahren bewährt. "Die Schüler halten sich dran, und die Nachfrage nach Plätzen an unserer Schule steigt. (…) Wir machen damit deutlich: Wir verbergen nichts voreinander." An seiner Schule hätten 90 Prozent der Schüler nicht Deutsch als Muttersprache, die meisten kämen aus arabisch- oder türkischstämmigen Familien. "Es gab das Gefühl, dass sich Streitigkeiten häufen durch Missverständnisse", sagte Schumann.
Doch seit 2005 schreibt die Schulordnung vor, dass jeder "die Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland" sprechen muss. In einer Bildungsvereinbarung, die die Schule mit ihren Neulingen schließt, heißt es: "Ich verspreche, im Unterricht, während der Schulzeit auch in den Pausen und bei schulischen Veranstaltungen ausschließlich Deutsch zu sprechen." Hält sich ein Schüler nicht daran, wird er an die Verpflichtung erinnert. (dpa/pro)