Die Dokumentation „Pfarrer“ zeigt, wie junge Vikare im Predigerseminar um den Glauben ringen. Das ist aufschlussreich, aber wenig Mut machend. Eine Filmbesprechung von Anna Lutz
Von PRO
Foto: Chris Wright/Stefan Kolbe/Salzberger
Wieviel Zweifel tut gut? Diese Frage wirft der Film „Pfarrer“ auf
„Pfarrer“, das ist die Geschichte von Lars, Almut, Christoph, Ulrike und Björn. Sie alle sind um die 30, manche von ihnen haben Familie, der eine kämpft mit Depressionen, der andere trauert um seinen verstorbenen Vater, wieder eine andere hat in ihrer Kindheit den Krebs überwunden. Sie alle tragen ihr Päckchen. Wirklich gemeinsam aber haben sie nur eines: Sie wollen Pfarrer werden. Dazu besuchen sie das Predigerseminar in der Lutherstadt Wittenberg. Hier, am geschichtsträchtigen Ort, lernen sie das Predigen, das Singen, das Segnen.
Als eine Art Luftblase beschreiben die Protagonisten die evangelische Lehrstätte, in der sie sich im zweiten Jahr ihres Vikariats acht mal zehn Tage aufhalten. Den Rest der Zeit sind sie in ihren Kirchgemeinden überall in Ostdeutschland tätig, der echten Welt, wie sie sagen. Dort sind die Kirchgänger im Durchschnitt mehr als doppelt so alt wie die werdenden Pfarrer, Gottesdienste besuchen oft nur eine Hand voll Menschen, der Glaube ist schon lange nicht mehr gesellschaftlicher Mainstream. Der Mainstream hingegen begegnet den Vikaren in Gestalt von Chris Wright und Stefan Kolbe, den beiden Filmemachern. Ein Jahr lang begleiteten die beiden Atheisten die Christen bei ihrer Ausbildung und wurden schnell selbst Teil ihrer Geschichte.
Angst davor, zu sagen, was das Evangelium ist
Zum Beispiel, wenn die Frage aufkommt, ob die Filmer gemeinsam mit den Vikaren das Abendmahl einnehmen dürfen. „Keiner ist ausgeschlossen“, heißt es da vonseiten mancher werdender Pfarrer, andere meinen, Kolbe und Wright sollten erst lernen, was dieser Akt überhaupt bedeutet. Als die Vikare gebeten werden, das Geheimnis des Abendmahls zu erklären, tun sie sich spürbar schwer. „Etwas, das nicht von dieser Welt ist“, heißt es da. An einem anderen Punkt diskutieren die Lernenden über den Inhalt des Evangeliums mit dem Ergebnis, dass ihn niemand öffentlich erklären möchte. „Wir haben Angst davor, zu sagen, was das Evangelium ist“, sagt einer von ihnen.
Es ist diese Haltung, die den Film durchzieht: das Ringen junger Menschen um Gott. Das ist besonders für gläubige Zuschauer zugleich nervenaufreibend und bewundernswert. Nicht selten möchte man den Vikaren beistehen, ihnen helfen, einfachere Worte für theologische Inhalte zu finden. Abendmahl und Evangelium zu beschreiben, erscheint vom Kinosessel aus einfach, im Film wirkt es hölzern und schwerfällig. Doch der Zuschauer kommt nicht umhin, sich selbst zu hinterfragen: Wie sicher bin ich mir selbst, wenn es um den Inhalt meines Glaubens geht? Woher kommen meine Überzeugungen? Sind sie wahr?
Düstere Welt des Zweifelns
So gelingt ausgerechnet zwei Nichtchristen etwas Erstaunliches. Die Filmemacher Wright und Kolbe führen ihre Zuschauer in eine oft düstere Welt des Zweifelns und Reflektierens, obwohl sie selbst eigentlich eine Umwelt des bedingungslosen Glaubens erschließen wollten. Dass sie selbst anderes erwartet haben, gaben sie bei einer Vorführung des Films am Montagabend in Berlin zu. Religiöse Themen sind für die beiden kein Neuland. Bereits 2010 veröffentlichten sie mit „Auf dem Wachstumspfad“ eine Reportage über Pfingstler in Deutschland. Fremd sei ihnen diese Welt geblieben, fast schon sektiererisch hätten sie sie wahrgenommen, sagte Stefan Kolbe nach der Vorführung von „Pfarrer“. Auch die Glaubenswelt der Vikare in Wittenberg sei ihm nicht näher gekommen. „Das Religiöse ist nicht meins“, sagte Kolbe. „Es ist schon schräg“, ergänzte Wright.
Im Predigerseminar habe es durchaus nicht nur Zweifler gegeben. Für manche sei der Glaube tatsächlich „die feste Burg“, sagte Kolbe und zeigte sich davon auch beeindruckt. Für den Film seien diese Charaktere aber weniger interessant gewesen, weshalb sie letztendlich nicht vorkommen.
„Pfarrer“ ist ein Film über die Stärken und die Abgründe des Glaubens. Er lässt Christen wie Nichtchristen fragend zurück. Erstere mögen sich danach um den Pfarrersnachwuchs in Deutschland sorgen, wenn sie Zitate von Vikaren wie Lars im Hinterkopf behalten: „Ich habe mich verabschiedet von dem Gedanken, es mit einem allmächtigen Gott zu tun zu haben“, sagt er in einer Szene. Christen ruft der Film aber auch dazu auf, sich neu mit der Leidfrage auseinanderzusetzen, die die Dokumentation wie ein roter Faden durchzieht. Nichtchristen dürften die Wittenberger Welt in Teilen abstrus und in anderen halbgar in Erinnerung behalten. Dennoch bleibt wohl auch ein Gefühl von Kerzenschein und Miteinander zurück; von Behütet-sein im Sturm, wenn der Wind im Film um die herbstliche Schlosskirche zu Wittenberg pfeift und die Gläubigen in deren Mitte zur Abendandacht zusammenkommen. (pro)
„Pfarrer“, 90 Minuten, seit 10. April im Kino
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