Peter Tauber: „Ich hatte eine heitere Gelassenheit“

Am 31. Oktober 2017 verändert sich das Leben des damaligen CDU-Generalsekretärs Peter Tauber durch eine lebensbedrohliche Darmentzündung schlagartig. Im Gespräch mit pro spricht er über mutmachende Gebete und seine Beziehung zu Gott.
Von PRO
Gebete aus der Feder Martin Luthers trugen Peter Tauber durch seine schwere Krankheit

pro: Herr Tauber, die Coronakrise hat Deutschland fest im Griff. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sich im März mit den Worten an die Bevölkerung gewandt: „Gott schütze unsere Heimat!“ Ist es gut, wenn Politiker auch während der Ausübung ihres Amtes in Krisenzeiten zu ihrem Glauben stehen?

Peter Tauber: Ja, das finde ich grundsätzlich gut. Es zeigt uns auch, dass Dinge auf dieser Welt geschehen, die nicht in unserer Hand liegen. Mit so einer Krise oder Krankheit konnte keiner rechnen. Sich durch den Verweis auf Gott die Endlichkeit unseres Handelns bewusst zu machen, kann nicht verkehrt sein.

Inwieweit hilft Ihnen Ihr Glaube in der aktuellen Krise?

Ich würde mich nicht zu den Menschen zählen, die sich erst dann an Gott wenden, wenn sie ein Problem haben – auch weil ich in meinem Leben vor allem Glück hatte. Daher versuche ich vielmehr für das zu danken, was mir geschenkt ist. Mein Glaube spielt also jetzt keine andere Rolle als ohnehin schon.

Vor drei Jahren hatten Sie eine lebensbedrohliche Darmerkrankung. Sie wurden geheilt. War das auch Glück?

Ich war in der Tat sterbenskrank. Aber auch da hatte ich, rückblickend betrachtet, Glück. Ich bin ja noch hier.

Dennoch, wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Ich hatte damals eine heitere Gelassenheit. Ich war so schwach, dass ich dachte: „Ich kann jetzt nichts mehr entscheiden oder beeinflussen.“ Ich habe es Gott anbefohlen. Das war in dem Moment ein sehr gutes Gefühl. Ich habe natürlich weitergebetet – aber nicht mehr oder anders als sonst. Besonders sind mir in dieser Zeit ein Morgen- und ein Abendgebet Luthers oder Lieder von Paul Gerhardt wichtig geworden.

Worin liegt für Sie der Reiz dieser alten Texte?

Zuallererst beeindruckt mich deren Sprachgewalt. Ich bin ein konservativer Mensch, auch was die Sprache betrifft. Diese alte, für uns etwas ungewöhnliche Sprache hat etwas Erhabenes. Auch beim Beten will ich Gott mit Respekt begegnen. Er ist der Vater. Beten ist deshalb nicht einfach wie ein Gespräch mit einem guten Freund. Vielmehr wende ich mich respektvoll und mit einem gewissen Abstand an den Höchsten. Das kommt in der Sprache Luthers zum Ausdruck. Ich will aufschauen zu Gott.

Ist eine gewisse Distanz zu Gott besser als zu viel Nähe?

Lassen Sie es mich so sagen: Natürlich wünsche ich mir, dass Gott mir sehr nahe ist. Aber ich will mir nicht anmaßen, mich auf eine Stufe mit Gott zu stellen. Durch die Sprache Luthers entsteht aus meiner Sicht Respekt und Achtung Gott gegenüber. Ich schätze diesen Unterschied sehr. Durch die alte Sprache entsteht ein Unterschied zwischen Gott und mir als Mensch.

Paul Gerhardt hat viele seiner Texte in Zeiten des Leids geschrieben. Auch Sie mussten während Ihrer Krankheit viel Schmerz ertragen. Haben Sie sich in dieser Situation mit Gerhardt identifiziert?

Naja, das Leid, dass Paul Gerhardt im Leben erfahren musste, kann ich nicht teilen. Höchstens in diesem Moment. Näher als Paul Gerhardt war mir aber Dietrich Bonhoeffer. In seinem Gedicht „Von guten Mächten“ gibt es eine Strophe, die fast nie gesungen wird. Darin heißt es: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.“ Im Krankenhaus habe ich diesen Satz das erste Mal bewusst wahrgenommen. Dinge einfach anzunehmen, ohne zu lamentieren und in Demut vor Gott, das lehren uns diese Zeilen. Im Prinzip ist das für mich der moderne Paul Gerhardt – komprimiert in dieser einen Strophe.

Haben Ihnen die heitere Gelassenheit, die Gebete und Lieder die Angst vor dem Tod genommen?

Ja, ich habe auf Gott vertraut. Ich lebe natürlich sehr gern und war deswegen auch traurig, aber Angst hatte ich nicht. Ich denke „gottergeben“ beschreibt mein Gefühl von damals sehr gut. Aus meiner heutigen Perspektive fühlt sich das manchmal etwas befremdlich an, aber genauso habe ich empfunden.

Wann wurde Ihnen bewusst, in welcher dramatischen Situation Sie sich befinden?

In dem Moment, als mein behandelnder Arzt spät abends in Straßenkleidung vor mir stand und sagte, dass ich erneut operiert werden müsste – und er fragte mich, ob ich noch einmal meine Eltern anrufen möchte.

Haben Sie an Gott gezweifelt?

Nein, das kann ich definitiv ausschließen. Ich kann Menschen sehr gut verstehn, die in einer Krise so empfinden. Bei mir war es aber komplett anders. Vielleicht fehlte mir auch die Kraft zu hadern. Ich habe mich der Situation, Gott und den Ärzten hingegeben. Gott würde es ja wissen, wie es ausgeht. Ich habe aber nicht nur auf Gott vertraut. Ich lernte auch Menschen zu vertrauen, deren Aufgabe es war, mich wieder gesund zu machen: Ärzte und Pfleger zum Beispiel.

Bringt Leid Menschen eher zu Gott?

Nein, leider nicht. Wer vorher keinen Bezug zu Gott hatte, wird ihn auch im Leiden nur schwer entdecken. Aber vielleicht bringt Leid Menschen, die sich von Gott entfernt haben, wieder näher an ihn heran – und das wünsche ich mir. Dort, wo in Gesellschaften Kirche und Christen verschwunden sind, ist die Anfälligkeit für Populismus und Schlechtes größer. Deswegen brauchen wir Christen, die sicht- und hörbar sind.

Welche Bibelstelle ist Ihnen besonders wichtig?

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“, aus dem zweiten Brief des Paulus an die Korinther. Ich finde diesen Satz sehr hoffnungsmachend. Ich mache jeden Tag viele Dinge falsch, aber ich kann jeden Tag wieder neu anfangen. Morgen kann ich es vielleicht richtig oder besser machen. Das finde ich sehr befreiend.

Eine Frage an Sie als Netzpolitiker: Wo können die Kirchen online noch besser werden?

Ich finde es sehr gut, wenn Kirche sich jetzt fragt, wie Menschen erreicht werden können. Die Amtskirchen sind ja eher etwas behäbig in ihrem Tun. Sie sollten auf jeden Fall flexibler sein und sich etwas zutrauen. Ich finde es auch wichtig, dass Pfarrer ermutigt werden, ihre Gedanken zum Glauben öffentlich zu teilen. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer sind unheimlich tolle und inspirierende Menschen, die online Menschen ganz anders ansprechen können als kirchliche Institutionen. Von denen würde ich gerne mehr in sozialen Netzwerken sehen, denn sie haben ja die beste aller Botschaften, die man auch dort hör- und sichtbar werden lassen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Peter Tauber, Jahrgang 1974, trat schon als 18-Jähriger in die Christlich-Demokratische Union ein. Der promovierte Historiker machte früh Karriere in der Partei. Er war unter anderem Landesvorsitzender der Jungen Union in Hessen. Nach der Bundestagswahl 2009 gehörte er erstmals dem Deutschen Bundestag an. 2013 ernannte ihn Angela Merkel zum CDU-Generalsekretär. Ende Dezember 2017 machte er in einem Interview seine Darmerkrankung öffentlich und trat von dem Posten zurück. Im aktuellen Merkel-Kabinett ist Tauber seit März 2018 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Die Fragen stellte Martin Schlorke

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