Das Sprachlabor galt in den 80er Jahren zunächst als „technische Wunderwaffe“, um Kindern Englisch oder Französisch beizubringen. In kaum einer Schule durfte der Raum mit zahlreichen Kopfhörern, Aufnahmegeräten und dem Kontrollpult für den Lehrer fehlen. „Irgendwann setzte sich dann doch die Erkenntnis durch, dass Sprache davon lebt, miteinander statt nebeneinander gesprochen zu werden“, resümiert die SZ. „Die Sprachlabors verstaubten und wurden kurz darauf in vielen Schulen zu Computerräumen umgebaut.“
Nun habe der PC die Tonanlage als „technischen Hoffungsträger“ abgelöst. Am Beispiel der Schulen in München veranschaulicht die Zeitung die kontroversen Positionen: Die Stadt setzt auf das Schlüsselwort „Medienkompetenz“ und hat seit 2005 alle 340 städtischen und staatlichen Schulen Münchens durch ein gemeinsames Netzwerk miteinander verbunden. In jedem Klassenzimmer gibt es mindestens einen PC, jede Schule hat zudem einen oder mehrere Computerräume – insgesamt sind es etwa 30.000 Rechner, die im Dienste der Pädagogik angeschafft wurden. Die Lehrer bekommen Fortbildungen, und auf einem zentralen Münchner Server liegen Unterrichtsmaterialien für sie bereit, so genannte „virtuelle Hefte“.
Lernstoff: Recherche nach Informationen – oder nach Pornographie?
Die Schüler des Louise-Schroeder-Gymnasiums in München haben ein eigenes Wiki ins Leben gerufen, ein Internet-Lexikon nach der Art von „Wikipedia“. Die Artikel für das „Schulwiki“ mit Informationen über die Schule schreiben die Schüler selbst. Die zentrale Fachberaterin für neue Medien, Uta Conrad vom Pädagogischen Institut der Stadt, zeigt den Schülern anhand des Wiki, wie sie den PC im Unterricht als „Werkzeug“ einsetzen können. Sie lernten, Informationen im Internet zu sammeln, zu bewerten und weiterzuverwenden, sagt Conrad. „Bei jungen Schülern ist schon viel erreicht, wenn sie lernen, Informationen zu hinterfragen“, bestätigt Christine Feil, Soziologin am Deutschen Jugendinstitut.
Dass Schüler dadurch Medienkompetenz erlernen, bezweifelt hingegen der Leiter des Zentralen Schulpsychologischen Dienstes der Stadt München, Hans-Jürgen Tölle. „Schüler durchdenken Themen nicht mehr richtig“, so Tölle. „Schreiben sie zum Beispiel einen Aufsatz am PC, setzen sie ihn oft nur aus Textbausteinen zusammen, statt sich wirklich mit dem Thema zu befassen.“ Kinder tendierten dazu, den PC ohnehin zu Hause viel zu intensiv zu nutzen, und das verschlechtere ihre Schulleistung, meint der Psychologe.
Aus demselben Grund fordert etwa der Hirnforscher Manfred Spitzer seit längerem: „Bildschirme raus aus Kinderzimmern und Grundschulen!“ Zumindest bis zur Mittelstufe sollten Kinder von Fernseher und PC ferngehalten werden. Zu frühes und zu häufiges Fernsehen behindere die Gehirnentwicklung, so der Wissenschaftler (pro berichtete).
Zudem ermögliche der Internet-PC den Kindern einen ungestörten Zugang zu pornographischem Material. „Unsinn“, sagt hingegen Karlheinz Neubig-Scherf, Lehrer am Louise-Schroeder-Gymnasium. „Alle Schüler wissen auch, dass es am Bahnhofskiosk Pornohefte gibt, und trotzdem kaufen sich die wenigsten welche.“