„Paradise Now“ – Ein Film über den Attentäter sorgt für Furore

B e r l i n (KEP) - Am 29. September kommt er in die deutschen Kinos: "Paradise Now", der preisgekrönte Kinofilm des palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad, ausgezeichnet als bester europäischer Film bei der Berlinale 2005. Schon jetzt sorgt der Film für heftige Diskussionen - Kritiker sehen in ihm eine Verherrlichung von Selbstmordattentätern.
Von PRO

von Philip Geck

Regisseur Abu-Assad erzählt in seinem Film die Geschichte von zwei jungen Palästinensern, die dazu auserkoren wurden, ein Selbstmordattentat auszuführen. Die beiden Freunde Khaled (Ali Suliman) und Said (Kais Nashef) arbeiten zusammen in einer Autowerkstatt. Eines Tages werden sie dazu bestimmt, sich als Selbstmordattentäter in Tel Aviv in die Luft zu sprengen und möglichst viele Israelis mit in den Tod zu reißen.

Alles geht sehr schnell: Die jungen Männer haben noch eine letzte Nacht zusammen mit ihren Familien, bevor sie am nächsten Morgen zur Grenze gebracht werden. Beim Versuch, diese zu überqueren, verlieren sich die beiden jedoch aus den Augen und müssen sich alleine durchschlagen. Ohne die beruhigende Anwesenheit des anderen müssen sie nun mit ihren Ängsten fertigwerden, heißt es auf der Internetseite des Verleihs Constantin.

Mit Auszeichnungen überhäuft, aber…

Abu-Assad hat mit seinem Film viel Beachtung gefunden, da er ein hochsensibles Thema anspricht und in eine sehr persönliche Handlung verpackt. „Paradise Now“ ist in vielen Kritiken gelobt worden und wurde bei der Berlinale 2005 als bester europäischer Film ausgezeichnet. Dieter Kosslick, Festivalleiter der Filmfestspiele, nennt „Paradise Now“ einen „starken Film, der sich auf die Seite der schwachen Leute stellt.“

Auch die Bundeszentrale für politische Bildung ist auf den Film aufmerksam geworden: Ab dem 22. September gibt die Institution Unterrichtsmaterial für Lehrer  zu „Paradise Now“ heraus. So sollen Schüler mit der Realität des Nahen Ostens konfrontiert werden.

Werbung um Verständnis – für Attentäter

Doch spiegelt Abu-Assads „Paradise Now“ wirklich die Realität wider? Ist es für einen palästinensischen Regisseur überhaupt möglich, einen persönlichen Film zu drehen, der gleichzeitig subjektiv und objektiv sein muss?

Während auf der Homepage der Berliner Filmfestspiele die Aussage gemacht wird, „Paradise Now“ sei ein Film, „der sich auf die stillen Momente inmitten einer von Gewalt und Vergeltung bestimmten Realität konzentriert“, gibt es auch Gegenstimmen. Filmkritiker schreiben, dass der Regisseur dem Zwiespalt zwischen Parteinahme und Schuldzuweisung nur teilweise gerecht wird. Weil die Folgen eines Attentats „ausgeklammert werden“ und die Protagonisten als sympathisch beschrieben würden, werde ein einseitiges Bild gezeichnet. Der Film biete „weder Lösung noch Legimation noch Sicherheit“, schreibt ein Kritiker auf cineman.ch.

Noch deutlichere Kritik äußern Gegner des Films in einem offenen Brief an einen Kölner Kinobetreiber. In dem Brief fordern sie dazu auf, den Film nicht zu zeigen, da er die palästinensischen Selbstmordanschläge beschönige und diese sogar indirekt „glorifiziere“. „Paradise Now“ bemühe sich keinesfalls um „Verständnis füreinander“, so die Kritiker. Verständnis werde allein den Attentätern entgegengebracht, die in der Opferrolle Sympathie beim Publikum erweckten, obwohl sie doch Massenmörder seien.

„Attentäter als Jesus“

Auch der Filmwissenschaftler Tobias Ebbrecht, der sich eingehend mit dem Film beschäftigt hat, spricht von einer Täter-Opfer-Verkehrung. „Erst zünden anti-israelische Monologe wie Sprengsätze, dann kommt es zum Suicide Attack als moralisch legitimer Erlösungsakt.“

Besonders eine Filmszene hat bei Kritikern Empörung hervorgerufen: Kurz vor dem Anschlag sitzt der Selbstmordattentäter, der sich für das Attentat entscheidet, mit seinen Freunden an einem Tisch. Dieses Bild soll nach Aussage des Regisseurs an das Abendmahl erinnern, das Jesus mit seinen Jüngern vor seinem Tod abhielt. Johannes Reiner von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft schreibt dazu in einem offenen Brief an das World Cinema Fund: „Der Selbstmordattentäter wird zu Jesus, der sich laut christlichem Glauben für die Menschheit opfert, der andere, der sich gegen die Ausführung entscheidet, wird zu Judas, der laut christlichem Glauben ein Verräter ist. Diese Szene überschreitet unseres Erachtens die Grenze zum Antijudaismus.“

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