Papst bemängelt Vaterunser-Übersetzung

Papst Franziskus hat die Übersetzung der Formel „führe uns nicht in Versuchung“ im Vaterunser kritisiert. Nicht Gott sei es, der Menschen in Versuchung führt, sondern der Teufel, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem Fernsehinterview. Damit verbunden ist eine theologische Diskussion.
Von Jörn Schumacher
Das Vaterunser in mehreren Sprachen in der Kapelle des Berliner Olympiastadions

In einem Interview des italienischen Fernsehsenders TV2000, das am Mittwochabend ausgestrahlt wurde, sagte der Papst, die Formulierung „Führe uns nicht in Versuchung“, wie es etwa im Italienischen und im Deutschen im Vaterunser heißt, sei keine gute Übersetzung. „Ein Vater tut so etwas nicht“, sagte Franziskus laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan.“ Besser wäre die Übersetzung „Lass mich nicht in Versuchung geraten“.

Der Papst verwies auf einen Beschluss der französischen Bischöfe, die offizielle Übersetzung zu ändern. Tatsächlich heißt es in katholischen Gottesdiensten in Frankreich seit dem ersten Adventssonntag allgemeiner: „Lass uns nicht in Versuchung geraten“.

Im Zusammenhang mit der französischen Initiative hatten laut dem Kölner Domradio auch Theologen im deutschen Sprachraum eine Anpassung verlangt. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer warnte hingegen vergangene Woche vor einer „Verfälschung der Worte Jesu“. Die Vaterunser-Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ sei genau so bei den Evangelisten Matthäus und Lukas überliefert.

„Die Versuchung ist keine Strafe Gottes“

Der Jesuit Klaus Mertes, der gerade in der Zeitschrift Herder-Korrespondenz die neue Einheitsübersetzung der Bibel kritisiert hatte, sagte im Interview des Deutschlandfunks: „‚Und führe uns nicht Versuchung‘ ist die richtige Übersetzung.“ Sie entspreche am ehesten dem griechischen Urtext. Denn dort sei der Sinn nicht: „Führe uns in der Versuchung“. Außerdem entspreche die Bitte, dass Gott nicht in Versuchung führen möge, „vollkommen einer Linie im Neuen Testament“.

Mertes gibt ein Beispiel: „Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt, damit er dort versucht wird. Gemeint ist der Geist Gottes, also dass Gott das Subjekt des Schickens in die Wüste ist, wo der Ort der Versuchung ist, ist ein biblisches Motiv.“

Auch Ignatius von Loyola, auf den sich die Jesuiten berufen, sage, dass es zwei mögliche Ursachen dafür gibt, dass sich jemand in der Trostlosigkeit findet. „Nämlich: weil man nicht genug sorgfältig ist im Beobachten der geistlichen Übung. Und weil Gott einen in die Trostlosigkeit schickt, um einen auf die Probe zu stellen.“

Zur Begründung des Papstes, „Ein Vater tut so etwas nicht“, sagt Mertes: „Die Versuchung ist keine Strafe. Dann wäre der Mensch, der sich in einer Versuchungssituation findet, selbst daran schuld, dass er sich darin vorfindet. Nicht jede Not, in der ich mich befinde, nicht die schwere Krankheit, nicht der Krieg, nicht die Depression, die mein Vertrauen auf Gott auf die Probe stellt – und das wäre eine Übersetzung für Versuchung – ist deswegen gegeben, weil ich daran schuld bin. Gott in die Verantwortung zu nehmen – das hat eine ganz wesentliche entlastende Funktion, um aus diesem moralisierenden Diskurs über Gott herauszukommen.“

Von: Jörn Schumacher

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