Pakistan: 11-Jährige angebliche Koran-Schänderin bleibt in Haft

Ein Mädchen aus einer christlichen Familie in Pakistan soll Seiten aus dem Koran verbrannt haben. Aus diesem Grund sitzt die 11-Jährige seit knapp zwei Wochen in Haft. Islamisten drohen, den Stadtteil der pakistanischen Hauptstadt Islamabad niederzubrennen, wo das Mädchen lebt. Einer polizeilichen Untersuchung zufolge hat das Mädchen das Down-Syndrom.
Von PRO

Zeugen wollen das Mädchen beobachtet haben, wie es Seiten des Korans verbrannt habe, und hätten sie dann zur Polizei gebracht, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf einen Polizeisprecher. Die Polizei habe sie dann gemäß den Blasphemie-Gesetzen des Landes festgenommen.

Eine für Samstag (1.9.) angesetzte Anhörung zu dem Fall sei wegen unvollständiger Unterlagen auf Montag verschoben worden, teilte der zuständige Richter mit. Der Verteidiger des Mädchens warf der Staatsanwaltschaft eine "Verzögerungstaktik" vor. "Die Ärzte haben bereits gesagt, dass sie minderjährig ist und einen niedrigen Intelligenzquotienten hat", sagte der Anwalt. Er fordert ihre sofortige Freilassung.

Bei einer Untersuchung sei herausgekommen, dass das Mädchen das Down-Syndrom (Trisomie 21) hat. Es habe keine Fragen beantworten können. Nun sei zu klären, ob das Mädchen tatsächlich den Koran geschändet und ob sie das bewusst getan habe. Muslime bestritten allerdings, dass das Mädchen geistig behindert sei, berichtet die englische Tageszeitung "Guardian".

Christen fliehen aus dem Viertel

Im Zusammenhang mit der angeblichen Schändung des Korans sei es auch zu wütenden Demonstrationen von Muslimen gekommen. Ladenbesitzer würden Christen nichts mehr verkaufen oder ihnen Wasser zur Verfügung stellen. Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari habe nun seinen Innenminister angewiesen, den Fall zu untersuchen.

Unterdessen seien Christen, darunter auch die Eltern des Mädchens, aus Angst vor Racheakten aus dem Slum Meherabadi geflohen. Muslime hätten die Christen angewiesen, bis zum 1. September ihre Habseligkeiten aus den Häusern zu entfernen. "Ich denke nicht, dass jemand nach diesen Vorfällen zurückkehren wird", zitiert der "Guardian" Arif Masih, einen dortigen Christen. "Das Gebiet ist für uns nicht mehr sicher."

Spannungen zwischen Christen und Muslimen

Schon seit Monaten habe es Spannungen zwischen Christen und Muslimen in dem Viertel gegeben. Muslime hätten sich wegen des Lärms während der Gottesdienste in drei Kirchen beschwert. Zwei der Gebäudeeigentümer hätten schon ein Ende der Versammlungen angeordnet; einige Gottesdienste seien auch mit dem Einsatz von Gewalt beendet worden. Christen vermuten hinter dem Vorfall der Koran-Schändung einen Komplott der Muslime.

Muslime hingegen haben eine andere Sicht auf die Tat. "Sie haben das getan, um die Muslime zu provozieren, wie auch der Krach und die laute Musik aus den Kirchen", zitiert der "Guardian" den Mullah des Viertels. "Es kümmert uns nicht, dass die Christen gegangen sind. Wir werden froh sein, wenn sie nicht zurückkommen."

Unantastbares Gesetz

Pakistans umstrittenes Blasphemie-Gesetz ist im Strafgesetzbuch des südasiatischen Landes verankert. Es verbietet die Beleidigung jeder Religion, wird aber in der Praxis nur bei angeblicher Herabsetzung des Islam angewandt. Die schwersten Strafen können bei der Schändung des Korans (lebenslange Haft) und des Namens des Propheten Mohammed (Todesstrafe) verhängt werden.

Zwar ist in Pakistan nie ein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt worden, mehrere Angeklagte wurden aber nach ihrer Freilassung gelyncht. Islamisten laufen Sturm gegen Änderungen des Gesetzes, das sie für von Allah gemacht halten. In seiner jetzigen Form wurde es 1986 von Militärdiktator Muhammad Zia ul-Haq eingeführt. Religiöse Minderheiten und liberale Muslime fordern einen besseren Schutz vor Missbrauch des Gesetzes. Minderheiten wie etwa Christen werden überproportional oft angeklagt.

Im vergangenen Jahr waren der Minister für Minderheiten – der einzige Christ in der Regierung – und der Gouverneur der Provinz Punjab ermordet worden. Beide hatten das Gesetz kritisiert, das oft missbraucht wird, um persönliche Gegner anzuschwärzen.

Für internationale Schlagzeilen sorgte auch der Fall der Christin Asia Bibi. Ihr wird vorgeworfen, sich nach einem Streit abfällig über den Propheten Mohammed geäußert zu haben. Die Landarbeiterin wurde im November 2010 zum Tode verurteilt und sitzt in Haft. Papst Benedikt XVI. setzte sich bislang erfolglos für Asia Bibis Freilassung ein. (dpa/pro)

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