Kinderstars bei YouTube: „Ich würde das nicht empfehlen“

Mit der Familie oder von seinen Kindern Videos für YouTube zu drehen, wird bei Eltern immer beliebter. Einige Kinder werden sogar zu Social-Media-Stars. pro sprach mit Medienpädagoge Stefan Piasecki darüber, wie sich das auf die Entwicklung der Kinder auswirkt und wie Eltern mit dem Thema verantwortungsvoll umgehen können.
Von PRO
Der YouTube-Kanal „Mileys Welt“ dreht sich um die 9-jährige Miley und ihre Familie

pro: Warum ist YouTube bei vielen Kindern beliebter als klassisches Kinderfernsehen?

Stefan Piasecki: Hierfür gibt es einige gute Gründe. Kinder lernen bereits früh, dass sie ernst genommen werden sollen und dass ihr Wille zählt. Schon im Kindergarten werden sie nicht nur beschäftigt. Erzieherinnen und Erzieher betonen gerne, dass sie ihren Zöglingen „Angebote“ machen. Auch das kleinste Kind lernt also, dass es Ansprüche stellen und Entscheidungen treffen darf. Da ist es nur folgerichtig, dass sie das auch hinsichtlich ihres Medienkonsums realisieren möchten. In einer konsumorientierten Vermarktungswirtschaft will zudem jedes Bedürfnis sofort gestillt sein. Interaktive Medien offerieren alles im Moment des Verlangens. Warum also auf eine Sendung warten? Warum überhaupt warten? Vielen ist ja schon die abendliche Lieferung der morgendlichen Bestellung beim Versandhändler zu langwierig.

Was macht das Zur-Schau-Stellen des Alltags mit den Kindern, etwa dass die Kamera schon beim Aufwecken dabei ist?

Einerseits stellen profane Alltagsszenen eine visualisierte Normalität dar. Das ist nicht schlecht. Kinder sehen so, dass auch ihre Social-Media-Vorbilder morgens müde sind wie sie selbst, lustlos, schlecht gelaunt. Andererseits wird dadurch jeder Moment des Tages aufgewertet – alles ist berichtenswert. So wird Werbung ergänzt, die ja auch von „deinem Moment“ spricht, der „nur für dich“ ist, Ergebnis eines stetigen „weil du es dir verdient hast“. Privatsphäre gibt es in dem Sinne nicht mehr. Sie wird im TV oder auf YouTube gezeigt, aber auch bereitwillig von Kindern geteilt, auf Instagram oder Snapchat. Man muss aber vielleicht auch berücksichtigen, dass dieser normale Alltag von manchen Kindern begehrt wird, die keine Normalität kennen, keine Spiele oder Gespräche mit den Eltern, die Missachtung und Wut erleben von morgens bis abends. Das mag dann auch Neid oder sogar Missgunst schüren denen gegenüber, die in einer vermeintlichen „heilen Welt“ aufwachsen.

Wie unterscheiden sich Social-Media-Kinderstars von Kinderstars in Film und Fernsehen?

Sie wirken authentischer. Kinder können gut zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Zumindest vordergründig. Dass YouTube eben auch „scripted reality“ ist, dieses Verstehen kommt erst später. Hier verwischen die Grenzen. Der Social-Media-Star zeigt dir, wie du die Haare fönen sollst, und erzählt dir, welche Spülung du am besten nimmst. Sicher ist das Werbung, die Präsentation ist nur eine andere: Das Nachbarsmädchen, die Kohorte von Gleichaltrigen, die in den Sechzigerjahren vielleicht noch ein Dutzend Kinder in der Straße umfasst hat, gibt es heute nicht mehr. Die ältere Schwester wurde vielleicht nie geboren, die Mutter ist alleinerziehend oder geht arbeiten. Die Vertrauenspersonen in der Schule, Lehrer, Sozialarbeiterinnen sind überlastet und genervt von Verwaltung und Administration. Dass Kinder hier auf vermeintlich authentische Online-Buddies ausweichen, ist folgerichtig. Aber seien wir ehrlich: Das Nachbarsmädchen, das ein bestimmtes Produkt empfiehlt, macht ja auch Werbung. Letztlich muss man stets selber den Test eines Produktes machen.

Entwickeln die Kinderinfluencer andere Wertvorstellungen als Kinder, die nicht in der Art in der Öffentlichkeit stehen?

Manche werden die kommerziellen Hintergründe ernster nehmen als andere, die eher ein Sendungsbewusstsein verspüren. Denken Sie an Kinderaktivisten, die sich aktuell für die und durch die Politik instrumentalisieren lassen. Glauben die, was sie propagieren? Sicher. Wissen sie, wem sie dienlich sind? Bestimmt auch. Haben sie die Lebenserfahrung, um die Kontexte und ihre eigene Eingebundenheit in ihrer Tiefe durchdringen zu können? Wohl kaum.

Beim YouTube-Kanal „Alles Ava“ steht die 6-jährige Ava im Mittelpunkt Foto: Swanhild Zacharias/Screenshot pro
Beim YouTube-Kanal „Alles Ava“ steht die 6-jährige Ava im Mittelpunkt

Wie beeinflusst es das Selbstbild des Kindes, wenn es im Rampenlicht steht?

Albert Bandura (kanadischer Psychologe, der als einer der führenden Psychologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt, Anm. d. Red.) hat früh den Effekt der „self efficacy“ beschrieben, also des Strebens nach Selbstwirksamkeit. Wir alle sind mit Medien aufgewachsen. Ob es das Weltbild der Karl May-Romane war oder die Heldensage eines Videospiels oder Films. Als Medienstar ist man dabei, kann mitwirken, ist Teil von etwas Großem, kann Menschen erreichen. Man hat und liebt seine 15 Minuten des Ruhms, wie Andy Warhol gesagt hat. Und wir finden ja etliche Beispiele von Menschen, deren tatsächliche öffentliche Leistung doch sehr, sehr bescheiden ist. Personen wie die Lombardis, die Katzenberger oder Kader Loth sind Medienevents. Sie haben aktive Agenturen hinter sich, die sie in regelmäßigen Abständen in die Medien bringen, ohne eigene kreative Leistung. Die Anlässe sind austauschbar. Ich kenne die Menschen nicht. Vermutlich sind die wertvoll, geistreich, anständig und leistungsfähig. All das spielt aber keine Rolle. Sie sind die Währung in einer Informationsökonomie. Künstliche Erzeugnisse, Medienbilder, die mit den realen Persönlichkeiten wohl wenig zu tun haben. Dass dieses Medienbild auch negativ die Individualität und die Zukunftsaussichten überschatten kann, wird vielen jungen Stars erst später klar. Bis dahin wird, in der Hoffnung auf den großen Durchbruch, jede Bagatelle hochgepusht, so dass die Medien schlagzeilen können: „Das Internet rastet aus. Fans fragen: Warum wieder ein gerissener Schnürsenkel bei Pietro?“ Jeder, der auf eine solche blödsinnige Schlagzeile klickt, füttert die Kasse der Medienbildproduzenten.

Welche Verantwortung haben die Eltern als „Produzenten“ der Videos?

Wenn wir hier von privat produzierten Videos sprechen, müssten wir überlegen, was die Eltern eigentlich wollen. Hier wird es eine große Bandbreite von Elternpersönlichkeiten geben: die Zulasser, die Bagatellisierer, die Förderer, die Selbstverwirklicher, die ihre Kinder vor die Kamera drücken, um eigene Unzulänglichkeiten zu kompensieren oder sie zu instrumentalisieren – wie bei Sportlereltern ja auch.

Was halten Sie persönlich von Kinderinfluencern und deren Kanälen?

Grundsätzlich können Kinder gute oder schlechte Programme machen, wie Ältere auch. Wichtig aus meiner medienpädagogischen Sicht ist vor allem, wer steckt dahinter, handelt es sich um freiwillige und einvernehmliche Produktionsprozesse, verspüren die Kinderinfluencer Verantwortung ihrer Zielgruppe gegenüber? Sind also Information, Meinung und Produktpräsentation eigenständig erkennbar oder soll hier platt und bewusst Manipulation ausgeübt werden? Verfügt die Zielgruppe über genügend Medienkompetenz, das selbst einzuschätzen?

Gibt es auch eine gute Art, das zu praktizieren oder raten Sie generell davon ab?

Ich finde, schlimm ist selten das, was praktiziert wird, sondern das, was intendiert wird oder initiiert wird. Soll heißen: Medienmacher haben eine Verantwortung, sonst gäbe es den Pressekodex nicht. Ob viele Kinderinfluencer das wissen, bezweifele ich. Unterbewusst wissen sie das sicher. Und hier kommt es auf ihre moralische oder ethische Konstitution an, inwiefern es ihnen egal ist oder nicht.

Was ist mit den sogenannten Familienblogs, wo Kinder als Teil des Ganzen auftreten? Sind die anders zu behandeln oder eigentlich das gleiche wie bei den Kanälen, wo es nur um die Kinder geht?

In einer gläsernen Gesellschaft leben manche Familien offener als andere. Dies dann noch ins Netz zu stellen, ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Für viele ist es aber wohl anregender, einer Familie beim ereignisarmen Fahrradausflug zuzusehen und mitzufiebern, wie die das mit dem vergessenen Babyfläschchen für den kleinen Moritz geschaukelt kriegen, als allein durch das Treppenhaus eines Wohnbunkers in Köln-Chorweiler zu latschen, sich auf einen Waschbetonklotz im Hof zu setzen und zu warten, bis ein gleichaltriges Kind auftaucht, mit dem man was unternehmen kann.

Wie beeinflusst es das Selbstbild des Kindes, wenn es im Rampenlicht steht?

Albert Bandura (kanadischer Psychologe, der als einer der führenden Psychologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt, Anm. d. Red.) hat früh den Effekt der „self efficacy“ beschrieben, also des Strebens nach Selbstwirksamkeit. Wir alle sind mit Medien aufgewachsen. Ob es das Weltbild der Karl May-Romane war oder die Heldensage eines Videospiels oder Films. Als Medienstar ist man dabei, kann mitwirken, ist Teil von etwas Großem, kann Menschen erreichen. Man hat und liebt seine 15 Minuten des Ruhms, wie Andy Warhol gesagt hat. Und wir finden ja etliche Beispiele von Menschen, deren tatsächliche öffentliche Leistung doch sehr, sehr bescheiden ist. Personen wie die Lombardis, die Katzenberger oder Kader Loth sind Medienevents. Sie haben aktive Agenturen hinter sich, die sie in regelmäßigen Abständen in die Medien bringen, ohne eigene kreative Leistung. Die Anlässe sind austauschbar. Ich kenne die Menschen nicht. Vermutlich sind die wertvoll, geistreich, anständig und leistungsfähig. All das spielt aber keine Rolle. Sie sind die Währung in einer Informationsökonomie. Künstliche Erzeugnisse, Medienbilder, die mit den realen Persönlichkeiten wohl wenig zu tun haben. Dass dieses Medienbild auch negativ die Individualität und die Zukunftsaussichten überschatten kann, wird vielen jungen Stars erst später klar. Bis dahin wird, in der Hoffnung auf den großen Durchbruch, jede Bagatelle hochgepusht, so dass die Medien schlagzeilen können: „Das Internet rastet aus. Fans fragen: Warum wieder ein gerissener Schnürsenkel bei Pietro?“ Jeder, der auf eine solche blödsinnige Schlagzeile klickt, füttert die Kasse der Medienbildproduzenten.

Welche Verantwortung haben die Eltern als „Produzenten“ der Videos?

Wenn wir hier von privat produzierten Videos sprechen, müssten wir überlegen, was die Eltern eigentlich wollen. Hier wird es eine große Bandbreite von Elternpersönlichkeiten geben: die Zulasser, die Bagatellisierer, die Förderer, die Selbstverwirklicher, die ihre Kinder vor die Kamera drücken, um eigene Unzulänglichkeiten zu kompensieren oder sie zu instrumentalisieren – wie bei Sportlereltern ja auch.

Was halten Sie persönlich von Kinderinfluencern und deren Kanälen?

Grundsätzlich können Kinder gute oder schlechte Programme machen, wie Ältere auch. Wichtig aus meiner medienpädagogischen Sicht ist vor allem, wer steckt dahinter, handelt es sich um freiwillige und einvernehmliche Produktionsprozesse, verspüren die Kinderinfluencer Verantwortung ihrer Zielgruppe gegenüber? Sind also Information, Meinung und Produktpräsentation eigenständig erkennbar oder soll hier platt und bewusst Manipulation ausgeübt werden? Verfügt die Zielgruppe über genügend Medienkompetenz, das selbst einzuschätzen?

Gibt es auch eine gute Art, das zu praktizieren oder raten Sie generell davon ab?

Ich finde, schlimm ist selten das, was praktiziert wird, sondern das, was intendiert wird oder initiiert wird. Soll heißen: Medienmacher haben eine Verantwortung, sonst gäbe es den Pressekodex nicht. Ob viele Kinderinfluencer das wissen, bezweifele ich. Unterbewusst wissen sie das sicher. Und hier kommt es auf ihre moralische oder ethische Konstitution an, inwiefern es ihnen egal ist oder nicht.

Was ist mit den sogenannten Familienblogs, wo Kinder als Teil des Ganzen auftreten? Sind die anders zu behandeln oder eigentlich das gleiche wie bei den Kanälen, wo es nur um die Kinder geht?

In einer gläsernen Gesellschaft leben manche Familien offener als andere. Dies dann noch ins Netz zu stellen, ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Für viele ist es aber wohl anregender, einer Familie beim ereignisarmen Fahrradausflug zuzusehen und mitzufiebern, wie die das mit dem vergessenen Babyfläschchen für den kleinen Moritz geschaukelt kriegen, als allein durch das Treppenhaus eines Wohnbunkers in Köln-Chorweiler zu latschen, sich auf einen Waschbetonklotz im Hof zu setzen und zu warten, bis ein gleichaltriges Kind auftaucht, mit dem man was unternehmen kann.

„Irgendwann ist es kein Hobby mehr“

Welche Gefahren birgt das Betreiben solcher Kanäle, kann das zum Beispiel ein Einfallstor für Pädophilie sein?

Nun ja, jeder Augenzeuge kann sich ja detailliert über Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensmuster informieren, Hobbys, Vorlieben registrieren und Kontakt aufnehmen. Mit diesem Wissen ist schnell eine gemeinsame Basis gefunden, an die sich anknüpfen lässt.

Die Eltern von Miley beim Kanal „Mileys Welt“ sagen, ihre Tochter habe alle Freiheiten und könne auch jederzeit aufhören, wenn sie das nicht mehr wolle. Beide Elternteile haben aber ihre Jobs dafür aufgegeben. Hat das dann wirklich noch mit Freiwilligkeit zu tun?

Jeder, der sich mit einer Tätigkeit selbstständig gemacht hat, dessen Erfolg wächst und der irgendwann den großen Schritt macht, bestehende berufliche Brücken hinter sich abzubrechen, weiß, dass er sich ab dem Moment im Freiflug befindet. Man muss die Flügel ausbreiten oder stürzen. Das schränkt die Freiwilligkeit ein, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass das irgendwann eben kein Hobby mehr ist. Man ist zum Erfolg verdammt und muss wissen, dass auch bald Personal oder PR gebraucht wird – und bezahlt werden muss.

Braucht es (neue) rechtliche Regelungen, um das Kindeswohl bei Kinderinfluencern zu gewährleisten?

Ich bin hinsichtlich rechtlicher Regelungen skeptisch, die ja leider oft über das Ziel hinausschießen und Freiheit eher beschränken, als sie zu sichern. Bringen wir doch erst einmal vernünftige Medienpädagogik in jede Schule und jede Gemeinde. Menschen müssen dazu befähigt werden, entscheiden zu können, ob sie vor eine Kamera treten oder dem Bewegtbild im Internet vertrauen. Vielmehr sollte die politische Ebene Eltern und gewachsene Familien entlasten, damit die mal wieder Zeit haben für ihre Kinder und Raum, um zu denken. Ich erlebe immer mehr Eltern zerrissen zwischen den Jobs, der Familie, den Ansprüchen von Behörden und den Zwängen politischer Entscheidungen.

Was raten Sie Eltern, wenn das Kind sich bei YouTube und Instagram ausprobieren will?

Ich persönlich würde es nicht empfehlen. Chatten und Videos teilen mit Freundinnen, ja. Selbst etwas von sich ins Netz stellen ohne genaues Wissen um Funktionen, Möglichkeiten und Folgen, keinesfalls. Dennoch wird es Kinder geben, die damit sehr gut umgehen können. Aber wenn Sie mich so allgemein fragen, würde ich zu bedenken geben: Dein Kind stellt sich mitten auf die Straße in der Nachbarschaft und erzählt allen lautstark von Omas letztem Apfelkuchen, dann von der doofen Lehrerin und zuletzt von dem Ärger zwischen Mama und Papa und wie nett die Freundin getröstet hat. Fühlt sich der Gedanke seltsam an? Dann sollte man über dieses Gefühl vielleicht mit dem Kind sprechen. Das scheint mir sinnvoller zu sein als jedes Verbot.

Danke für das Gespräch!

Welche Gefahren birgt das Betreiben solcher Kanäle, kann das zum Beispiel ein Einfallstor für Pädophilie sein?

Nun ja, jeder Augenzeuge kann sich ja detailliert über Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensmuster informieren, Hobbys, Vorlieben registrieren und Kontakt aufnehmen. Mit diesem Wissen ist schnell eine gemeinsame Basis gefunden, an die sich anknüpfen lässt.

Die Eltern von Miley beim Kanal „Mileys Welt“ sagen, ihre Tochter habe alle Freiheiten und könne auch jederzeit aufhören, wenn sie das nicht mehr wolle. Beide Elternteile haben aber ihre Jobs dafür aufgegeben. Hat das dann wirklich noch mit Freiwilligkeit zu tun?

Jeder, der sich mit einer Tätigkeit selbstständig gemacht hat, dessen Erfolg wächst und der irgendwann den großen Schritt macht, bestehende berufliche Brücken hinter sich abzubrechen, weiß, dass er sich ab dem Moment im Freiflug befindet. Man muss die Flügel ausbreiten oder stürzen. Das schränkt die Freiwilligkeit ein, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass das irgendwann eben kein Hobby mehr ist. Man ist zum Erfolg verdammt und muss wissen, dass auch bald Personal oder PR gebraucht wird – und bezahlt werden muss.

Braucht es (neue) rechtliche Regelungen, um das Kindeswohl bei Kinderinfluencern zu gewährleisten?

Ich bin hinsichtlich rechtlicher Regelungen skeptisch, die ja leider oft über das Ziel hinausschießen und Freiheit eher beschränken, als sie zu sichern. Bringen wir doch erst einmal vernünftige Medienpädagogik in jede Schule und jede Gemeinde. Menschen müssen dazu befähigt werden, entscheiden zu können, ob sie vor eine Kamera treten oder dem Bewegtbild im Internet vertrauen. Vielmehr sollte die politische Ebene Eltern und gewachsene Familien entlasten, damit die mal wieder Zeit haben für ihre Kinder und Raum, um zu denken. Ich erlebe immer mehr Eltern zerrissen zwischen den Jobs, der Familie, den Ansprüchen von Behörden und den Zwängen politischer Entscheidungen.

Was raten Sie Eltern, wenn das Kind sich bei YouTube und Instagram ausprobieren will?

Ich persönlich würde es nicht empfehlen. Chatten und Videos teilen mit Freundinnen, ja. Selbst etwas von sich ins Netz stellen ohne genaues Wissen um Funktionen, Möglichkeiten und Folgen, keinesfalls. Dennoch wird es Kinder geben, die damit sehr gut umgehen können. Aber wenn Sie mich so allgemein fragen, würde ich zu bedenken geben: Dein Kind stellt sich mitten auf die Straße in der Nachbarschaft und erzählt allen lautstark von Omas letztem Apfelkuchen, dann von der doofen Lehrerin und zuletzt von dem Ärger zwischen Mama und Papa und wie nett die Freundin getröstet hat. Fühlt sich der Gedanke seltsam an? Dann sollte man über dieses Gefühl vielleicht mit dem Kind sprechen. Das scheint mir sinnvoller zu sein als jedes Verbot.

Danke für das Gespräch!

Stefan Piasecki ist Professor für Soziologie und Politikwissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW. Zuvor hatte er den Lehrstuhl für Soziale Arbeit und Medienpädagogik an der CVJM-Hochschule Kassel inne. Foto: privat
Stefan Piasecki ist Professor für Soziologie und Politikwissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW. Zuvor hatte er den Lehrstuhl für Soziale Arbeit und Medienpädagogik an der CVJM-Hochschule Kassel inne.

Mehr zum Thema Kinderstars in den Sozialen Medien lesen Sie in der kommenden Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro, Nummer 2/2019, die am 17. April erscheint. Bestellen Sie pro kostenlos hier.

Die Fragen stellte Swanhild Zacharias

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