„In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel verändert“

Die Neuauflage eines christlichen Erziehungsratgebers steht im Fokus der Süddeutschen Zeitung. Dabei berichtet sie auch kritisch über evangelikale Eltern. Der Theologe Tobias Faix differenziert und sieht eine Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren.
Von PRO
Laut dem Theologen Tobias Faix herrscht in christlichen Familien immer mehr ein liebevoll-demokratischer Erziehungsstil vor (Symbolbild)

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat einen Artikel über den christlichen Erziehungsratgeber „Kinder Herzen erziehen“ des amerikanischen Pastors Tedd Tripp geschrieben. Sie wirft dem Buch vor, dass es sich um eine bis auf minimale Änderungen identische Neuauflage des Buches „Eltern, Hirten des Herzens“ handelt, das die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen Aufforderung zur körperlichen Züchtigung indiziert hat. Im Artikel stehen auch evangelikale Eltern kritisch im Fokus.

Ein Infokasten behauptet zum Beispiel, dass das Risiko, als Kind körperlich misshandelt zu werden, bei evangelikalen Eltern in Deutschland am höchsten sei. Der Artikel beruft sich dabei auf eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer, wonach jeder fünfte misshandelte Schüler aus einem evangelikalen Elternhaus komme. pro hat zu den Behauptungen der Süddeutschen Zeitung den evangelischen Theologen Tobias Faix befragt, der im Februar seine Studie über christliche Erziehung vorgestellt hat.

Differenzierung ist wichtig

Faix rät bei einem so wichtigen Thema, genau auf die Zahlen zu schauen. Die von der SZ zitierte Studie von Pfeiffer unterscheide zwischen evangelischer und katholischer Kirche sowie Freikirchen. Auch differenziere sie zwischen leichter Gewalt (etwa einem Klaps auf den Po) und schwerer Gewalt (Prügelstrafe wie den Po zu versohlen) in der Kindererziehung. „In der leichten Gewalt gibt es kaum signifikante Unterschiede zwischen den drei untersuchten Gruppen“, sagt Faix. Bei der schweren Gewalt sei das anders, da lägen die Freikirchler mit 14,8 Prozent vor den Protestanten (11 Prozent) und den Katholiken (10,9 Prozent).

Pfeiffer habe auch den „Grad der Religiosität“ gemessen und eine Kausalität zwischen einer steigenden Religiosität und der Zunahme von schwerer Gewalt bei Freikirchlern festgestellt. „Das Problem ist, dass hier zum Beispiel bei den Freikirchen nicht differenziert wird“, sagt Faix. Bei seiner Studie zur christlichen Erziehung, die er mit dem Kollegen Tobias Künkler unter 1.752 Elternteilen gemacht hat, unterschieden sich die großen Freikirchen wie Baptisten und Freien evangelischen Gemeinden von kleinen Freikirchen oder einzelnen Freikirchen, die körperliche Strafe häufiger einsetzten und auch oft biblisch begründeten.

„Wir reden hier von einer Minderheit“

Es gebe laut Faix konservative Eltern, welche die Bibel wörtlich nehmen und deshalb „zur Rute“ greifen und ihr Kind züchtigen. „Aber wir reden hier von einer Minderheit“, sagt er. Seiner Studie unter christlichen Eltern nach befürworten sieben Prozent der Befragten, dass körperliche Strafe biblisch und deshalb einzusetzen ist. „Das sind meiner Meinung nach immer noch sieben Prozent zu viel“, sagt Faix. Das zeige schon, dass Christen über das Thema Bibelauslegung reden müssten. Da seien auch die Pastoren gefragt. „Es ist ein schrecklicher Irrtum, wenn Eltern ihre Kinder misshandeln und dann noch denken, dass sie es im Namen Gottes tun“, sagt der Theologe.

Nach Erziehungsratgebern aus den USA gefragt, die Anleitungen für Prügelstrafen geben, sagt Faix: „Ja, das ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte der christlichen Erziehung.“ In seiner Studie wurden 21 evangelikale Erziehungsratgeber aus den 1990er- und 2000er-Jahren ausgewertet. „Das Ergebnis war teilweise erschreckend“, sagt Faix. Vor allem bei den aus den USA kommenden Erziehungsratgebern dominierte ein dogmatisch-machtorientiertes Erziehungsverständnis, das auch zu körperlichen Züchtigungen rate. Der Einfluss dieser Ratgeber sei nicht zu unterschätzen.

„Aber es hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel verändert“, sagt Faix. Viele dieser Ratgeber seien in ihren Neuauflagen überarbeitet, manche auch ganz verboten worden. Seine Umfrage zeige, dass sich der Erziehungsstil in christlichen Familien immer mehr hin zu einem liebevoll-demokratischen Erziehungsstil verändert habe. Trotzdem sagten 38 Prozent der Befragten, dass sich körperliche Strafen nicht ganz vermeiden ließen, obwohl sie es eigentlich nicht gut fänden. Dieser Wert liege leicht unter dem Bundesdurchschnitt, der in einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2012 40 Prozent betragen habe. (pro)

Von: mm

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