„Cybermobbing kann jeden treffen“

Um über die Gefahren im Internet aufzuklären, haben Prominente aus Politik, Web und TV am Dienstag ein Gymnasium in Berlin besucht. Staatsministerin Monika Grütters (CDU) warnte vor Cybermobbing, Schauspielerin Felicitas Woll vor dem Verlust der Empathie.
Von Anna Lutz
Politikerin Monika Grütters trifft Schüler des Französischen Gymnasiums in Berlin

„Wie oft bist du im Internet?“

„30 Minuten im Monat darf ich.“

„Hast du schon eine E-Mail-Adresse?“

„Jaaaaa.“

Dutzende kleine Finger strecken sich in die Luft, als die Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters am Dienstag im Französischen Gymnasium in Berlin ihre Netzfragen an Fünftklässler stellt. Hintergrund ist der Safer Internet Day, der jährlich am siebten Februar begangen wird. Ziel ist es, junge Menschen mit den Gefahren und Herausforderungen des Internets zu konfrontieren und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie mit Fake News, Cybermobbing oder Internetsucht umgehen können.

Rund jeder dritte Teenager in Deutschland hat Cybermobbing laut der sogenannten JIM-Studie bei sich oder anderen schon erlebt. Dabei scheinen die Angriffe unter anderem ein Bildungsphänomen zu sein. An Gymnasien tritt Cybermobbing seltener auf (32 Prozent), als in anderen Schulformen (37 Prozent). Mädchen sind mit 37 Prozent häufiger davon betroffen als Jungen mit 31 Prozent.

Wunsch nach Anerkennung erzeugt Böses

Joachim Bauer, Psychotherapeut in Freiburg, erklärt bei der Veranstaltung am Berliner Gymnasium die Ursprünge des Phänomens Cybermobbing. Der Wunsch nach Anerkennung sei die stärkste Antriebskraft des Menschen – auch, wenn sie dafür „Böses“ tun müssten. Ausgrenzung und Demütigung anderer gehörten dazu. Bei den Betroffenen verursache das neurobiologisch ähnliche Schmerzen wie körperliche Angriffe. Depressionen seien häufig die Folge, auch bei jungen Menschen. Die Gefahr im Internet sei umso größer, weil der Täter das Opfer nicht von Angesicht zu Angesicht sehe und daher weniger Hemmungen habe. Schüler müssten deshalb lernen, sich in Mobbingopfer hineinzuversetzen.

Die Organisation „Klicksafe“, die den Safer Internet Day jährlich veranstaltet, will Schülern dabei helfen, diese Kompetenz zu erlernen. Sie schließt in diesem Jahr erstmals eine ganze Woche zum Thema „Stopp Mobbing“ an den Netztag an. Dazu haben die Verantwortlichen unter anderem eine Webvideoreihe unter dem Titel „Ich war’s“ entworfen. In den Clips äußern sich bekannte YouTuber zum Thema. Außerdem hat „Klicksafe” Unterrichtsmaterial für Schulen entwickelt. Jugendliche haben im Auftrag von Klicksafe eine Cyber-Mobbing Erste-Hilfe App entwickelt. Betroffene können dort Tipps bekommen und Ansprechpartner finden.

Es ist cool, andere zu verteidigen

Wichtig ist es „Klicksafe” auch, prominente Vorbilder für junge Menschen zu gewinnen, die von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Netz erzählen. Die YouTuber Alex Giesecke und Nico Schork, Erfinder des YouTube-Kanals „The Simple Club“, zählen dazu. Ihre Seite hat knapp 70.000 Follower und bietet Nachhilfe in verschiedenen Fächern. Am Dienstag geben Giesecke und Schork ihren jungen Zuhörern mit: „Wir wollen vermitteln, dass man zu den Coolen gehört, wenn man Cybermobbingopfer verteidigt. Zu unserer Zeit war das anders.“

Vor Ort ist auch Schauspielerin Felicitas Woll („Berlin, Berlin“): Bei ihrer elfjährigen Tochter gehe es gerade los mit dem Unterwegssein im Internet. Sie sei da sehr aufmerksam, geprägt auch durch die Dreharbeiten zu ihrem Sat.1-Film „Nackt. Das Netz vergisst nie”, in dem sie die Mutter eines Mobbing-Opfers spielt. Jedem müsse klar sein: Je mehr im Netz kommuniziert werde, desto mehr Empathie bleibe auf der Strecke.

Monika Grütters hat ebenfalls noch eine klare Botschaft für die Schüler: „Mobbing, das kann jeden und jede von euch betreffen!“ In ihrer Schulzeit seien beleidigende Sprüche an Toilettentüren geschrieben worden. Die habe man weggewischt. Heute verbreiteten sich Fotos und Kommentare rasend schnell und seien kaum wieder zu löschen. Politisch plädierte sie dafür, Plattformen wie YouTube auf europäischer Ebene gesetzlich zu regeln. „Dennoch, liebe Schüler, es kommt auf euer Verhalten an.“

Grütters warnte auch vor Falschmeldungen im Netz. „Glaubt nicht alles, was ihr schnell anklicken könnt.” Um vernünftig mit Nachrichten im Web umzugehen, brauche es Hintergrundwissen und die Fähigkeit, Dinge einzuordnen. Zuletzt forderte sie die Kinder und Jugendlichen zu Zivilcourage auf. „Ihr entscheidet, was ihr über euch selbst oder andere ins Netz stellt.“ Dazu gehöre auch, Shitstorms auf der eigenen Seite zu löschen. (pro)

Von: al

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