Das Kind ist wichtiger als das Handy

Die Versuchung ist groß: Ein Blick auf das Handy, Nachrichten verschicken und Surfen im Web – auch wenn die Kinder dabei sind. Eine Plakatkampagne des Landes Mecklenburg-Vorpommern ermahnt Eltern: „Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“
Von PRO
Eine Plakatkampagne des Landes Mecklenburg-Vorpommern fragt Eltern: „Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“

Eine Szene vom Spielplatz: Während das Kind den Blickkontakt zur Mutter sucht, blickt diese gebannt auf ihr Mobiltelefon und bekommt nichts mehr mit von ihrer Umwelt. Auf dem Plakat mit diesem Foto steht der Satz: „Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“ Die Plakataktion hat die Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen Mecklenburg-Vorpommern (LANKOST) am Donnerstag gestartet. Landesweit machen Plakate auf Litfasssäulen und Werbewänden sowie rund 30.000 CityCards auf ein Verhalten aufmerksam, das psychischen Schaden bei Kindern anrichten kann.
„Surfen, WhatsApp-Nachrichten, Chats, Facebook, Instagram, Fotografie und Navigation sowie eine Vielzahl unterschiedlicher Apps sind nur einige der zahlreichen Helfer, die in ein Smartphone weiterhin integriert und immer und überall genutzt werden können“, heißt es in der Beschreibung der Kampagne. „Und trotzdem gibt es Zeiten, in denen Eltern sich überlegen sollten, das Smartphone auch mal wegzulassen. So ein Moment sind die schönen Stunden, die Sie mit Ihren kleinen Kindern verbringen. Was gibt es Schöneres als den eigenen Kindern beim Spielen zuzuschauen, erste Worte wahrzunehmen oder erste Schritte mitzubekommen?“
„Die Aufmerksamkeit der Eltern für ihre Kinder ist enorm wichtig“, sagte Sozialministerin Birgit Hesse am Dienstag. „Kinder brauchen den Kontakt, sie brauchen Lob, Anregung, Motivation und Ermunterung von ihren Eltern. Das ist durch nichts zu ersetzen.“
In einer Studie in Norwegen gaben elf Prozent der befragten Mädchen und Jungen an, dass sie sich wegen des Internets von ihren Eltern vernachlässigt fühlen. Die Kinder bemängeln nicht etwa die körperliche Abwesenheit, sondern die mentale: Über Smartphones und andere Internetzugänge würden die Eltern einfach verschwinden. Viele weitere Studien bestätigten das für andere Länder, betonen die Experten der LANKOST.

Momente mit Kindern zu wertvoll

Die Koordinatorin der Kampagne, Birgit Grämke, erklärt: „Viele Erzieherinnen berichten davon, dass Eltern häufig mit dem Smartphone beschäftigt sind, wenn sie ihre Kinder abholen, ohne es zu begrüßen oder mit ihm zu sprechen. Dabei hat auch das Kind einen erlebnisreichen Arbeitstag hinter sich und viel zu berichten.“
Die intensive Smartphonenutzung der Eltern führe zu Verzögerungen in der Sprachentwicklung oder zu Depressionen bei Kindern. Bei den Kleinen könne sich schnell der Gedanke einschleichen: „Das Handy ist wichtiger als ich!“ Das Verhalten der Eltern führe langfristig zu Bindungsproblemen. Nicht zuletzt hat das Verhalten der Eltern Vorbildcharakter. Kinder, deren Eltern selbst eine ausgeprägte Nutzung zeigen, nutzen laut Studien das Handy ebenfalls aktiver.
„Die Bindungsforschung belegt, dass Kinder in den ersten beiden Lebensjahren – besonders in den ersten zwölf Monaten – eine erwachsene Bezugsperson brauchen, die sehr dicht mit ihnen kommuniziert und interagiert“, betonen die Initiatoren. Wenn Eltern aber ständig mit ihrem Smartphone beschäftigt seien, verpassten sie wichtige Gelegenheiten, das aufzugreifen, was ihr Kind gerade beobachtet, und seine Handlungen im Alltag sprachlich zu begleiten. „Wir wollen zum Nachdenken anregen und Eltern sensibilisieren, ob das Telefonat oder die Nachrichten, die gerade eingehen, wirklich so wichtig sind oder ob es nicht gerade schöner ist den Moment mit dem Kind zu genießen, statt zu überlegen wie und wo ich den Moment am besten poste“, sagen die Koordinatoren.
Auf der Webseite www.medienwissen-mv.de findet man alle Informationen zur Kampagne. Außerdem gibt es dort eine Übersicht für Fortbildungsangebote für Erzieher und für Elternabende in Kitas.
Im Sommer gab es die Postkarten- und Plakatkampagne bereits im Landkreis und in der Hansestadt Rostock. Dort waren die Erfahrungen gut. Hinter der Kampagne stehen unter anderem die Landesfachstelle Familienhebammen in Mecklenburg-Vorpommern, die Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen und das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Für den März 2017 sind weitere Aktionen geplant. (pro)Focus: Wann wird das Smartphone gefährlich? (pro)
Studie: Digitalisierung belastet Familienleben und Gesundheit (pro)

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