Initiative „Pro Reli“: Für die Wertevermittlung in Schulen

In Berlin wird in Schulen kein Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach angeboten, Pflicht für Schüler ist das Fach Ethik. Vereine und Bürgerinitiativen wie der deutsche Arbeitskreis für Religionspädagogik oder "Pro Reli" setzen sich deshalb für religiöse Bildung und Erziehung an den Schulen ein. Am Montag startete "Pro Reli" in Berlin ein weiteres Volksbegehren für das Wahlpflichtfach Religion.
Von PRO

Von Benjamin Lassiwe und Verena Meyrink

Mit öffentlichem Religionsunterricht in einem als „fliegendes Klassenzimmer“ bezeichneten Zelt auf dem Berliner Breitscheidplatz hat das Aktionsbündnis „Pro Reli“ am Montag seine Unterschriftensammlung für ein Wahlpflichtfach Religion in der Bundeshauptstadt gestartet. Für einen Erfolg des Volksbegehrens müssen bis zum 21. Januar 2009 insgesamt 170.000 Unterschriften von wahlberechtigten, volljährigen Berlinern gesammelt werden.

Im Unterschied zum Volksbegehren etwa für den Erhalt des Flughafens Tempelhof können die Unterschriften dank einer Gesetzesänderung nun auch außerhalb der Bürgerämter, etwa nach Gottesdiensten oder auf Gemeindeveranstaltungen, gesammelt werden. Die Genehmigung für Stände, an denen Unterschriften gesammelt werden sollen, muss jedoch eigens beim Berliner Senat beantragt werden.

Religionsunterricht als freiwilliges Angebot

Derzeit findet der Religionsunterricht in Berlin nur als freiwilliges Angebot der Kirchen und Religionsgemeinschaften statt, das in den Randstunden unterrichtet wird. Gegen ihren erklärten Willen startete der rot-rote Berliner Senat im vergangenen Jahr ein für alle Schüler ab der Klasse 7 verbindliches Pflichtfach „Ethik“.

Vor Journalisten erklärte der Vorsitzende von „Pro Reli“, der Berliner Jurist Christoph Lehmann, in der „toleranten Stadt Berlin“ trete das Volksbegehren für die freie Wahl der Schüler zwischen Ethik- und Religionsunterricht ein. „Die kulturelle Vielfalt Berlins ernst zu nehmen, heißt, dass wir jeden Schüler in seiner persönlichen religiösen Prägung ernst nehmen müssen“, sagte Lehmann. „Deswegen muss für die Schüler die Möglichkeit geschaffen werden, sich in der eigenen Religion zu bilden.“ Nur so könnten sich Schüler selbst für eine Religion entscheiden.

„Berliner Senat behindert Volksbegehren“

Kritik übte Lehmann erneut am Berliner Senat, der durch die Verweigerung einer pauschalen Genehmigung zum Aufstellen von Ständen zur Unterschriftensammlung das Volksbegehren behindere. „Wir wissen, dass die Rechtsabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung solch eine Genehmigung für unproblematisch hielt“, sagte Lehmann. Die zuständige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) habe die Genehmigung aber aus politischen Gründen nicht erteilt.

Nach Angaben von Lehmann werde das Volksbegehren insgesamt einen deutlich sechsstelligen Betrag kosten. Da man zur Finanzierung auf Spenden angewiesen sei, müssten Werbemaßnahmen „nach Kassenlage“ stattfinden. Geplant sei, neben einer Plakatkampagne an verschiedenen Orten in den Berliner Stadtbezirken, öffentlichen Religionsunterricht im „fliegenden Klassenzimmer“ anzubieten, darunter auch buddhistischen und islamischen Religionsunterricht. Wie Lehmann sagte, habe das Aktionsbündnis mittlerweile in allen Gemeinden der evangelischen Landeskirche und des katholischen Erzbistums Helfer, die bereit seien, Unterschriften zu sammeln. Auch die jüdische Gemeinde zu Berlin, der Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religionen (Ditib), der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK), der CDU-Landesverband, der FDP-Landesverband und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken unterstützten das Volksbegehren.

„Pro Reli“ im Volksbegehren für Ethik und Religion

„Pro Reli“ ist eine Initiative von Berliner Bürgern, die nach eigenen Angaben für ein „tragendes Wertefundament für unsere Gesellschaft“ plädieren. Seit Juni 2007 setzt sich der Verein dafür ein, Religion auch an Berliner Schulen als ordentliches Lehrfach einzuführen – im Rahmen eines Wahlpflichtfachbereichs Ethik und Religion.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte im Jahr 2006 Ethik ab dem Schuljahr 2006/2007 als Pflichtfach eingeführt. Religionsunterricht können die Schüler nur als freiwilligen Kurs zusätzlich zu Ethik belegen, eine Wahl ist nicht möglich. Ein wesentlicher Punkt in der politischen Diskussion des Senats war die Vorstellung, dass Kinder unterschiedlicher religiöser Herkunft im Einheitsfach Ethik Mitschüler durch ihre Prägung „mitreißen“ könnten. Dieser Auffassung wiederspricht der Verein „Pro Reli“, da 12-jährige Kinder in ihrer Prägung noch nicht weit genug gefestigt seien. Aus diesem Grund seien sie in Deutschland in diesem Alter weder religionsmündig noch wahlberechtigt oder gar volljährig.

Die Einführung des Faches Ethik ist für die Initiative eine wesentliche Verbesserung der Wertevermittlung an den Schulen, aber das reiche nicht. „Wir sind überzeugt, dass eine Wertevermittlung an den Schulen, die allein auf Ethik setzt und damit einseitig die Grundüberzeugungen religionsferner Schichten widerspiegelt, Stückwerk bleibt“, so der Verein auf seiner Website. Es sei entscheidend, dass der Unterricht bei der Vermittlung von Werten die Schüler bei ihrer jeweiligen weltanschaulichen Grundüberzeugung anspreche.

„Religiöse Bildung ist wichtig“

So plädiert auch der Verein „Arbeitskreis für Religionspädagogik“ (AfR) für eine Gleichberechtigung des Faches Religion mit den anderen Fächern an Deutschlands Schulen. Der AfR vertritt die Belange der Religionspädagogik gegenüber anderen Verbänden, Einrichtungen und Institutionen, seine Mitglieder sind in der Lehre und Forschung tätige Religionspädagogen und Theologen von Hochschulen und Instituten.

„Wenn Schule die gesamte Galerie des Lebens auffangen soll, dann darf Religion als Fach nicht verdrängt oder gar ganz ausgespart werden“, betonte die AfR-Vorsitzende Andrea Schulte. Denn Religion sei als Teil der Allgemeinbildung unverzichtbar an öffentlichen Schulen. Dennoch steht das Fach der Stundenzahl nach auf unterster Prioritätsstufe, zusammen mit Kunst und Sport.

Situation in Deutschland

Grundsätzlich haben die Schüler laut Grundgesetzbuch (GG) ein Recht auf die Teilnahme am Religionsunterricht ihrer Konfession. Bietet die Schule ihn an, ist er für diese Schüler Pflicht. Religionsunterricht ist das einzige Fach, das in Deutschland durch das Grundgesetz als ordentliches, das heißt reguläres Unterrichtsfach geschützt ist. Der Staat muss sich aufgrund der geltenden Religionsfreiheit neutral verhalten. Er darf sich nicht in die Inhalte des Religionsunterrichts einmischen und muss deshalb mit den Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten.

Jedes Bundesland hat dennoch unterschiedliche Regelungen zum Thema Religionsunterricht an den Schulen. In Hessen beispielsweise haben die Schüler je nach Konfession die Wahl zwischen evangelischem oder katholischem Religionsunterricht und Ethik. In Bremen erteilen die Schulen seit 1947 einen konfessionsfreien, christlichen Religionsunterricht in Form des Faches „Biblische Geschichte“, wie ihn die Landesverfassung festlegt. Dieses Fach wird nicht in kirchlicher Verantwortung erteilt. Grund für das Angebot „Biblische Geschichte“ in Bremen ist die so genannte „Bremer Klausel“ im Grundgesetz (Artikel 141). Diese Bestimmung sollte ursprünglich nur den überkonfessionellen Bibelunterricht im Land Bremen schützen. Aufgrund einer juristischen Auslegung wird diese Klausel auch in Berlin angewendet und setzt den im Grundgesetz in Artikel 7, Absatz 3 fixierten Grundsatz „Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach“ für das Land Berlin außer Kraft.

Die Berliner evangelische Wochenzeitung „Die Kirche“ kündigte unterdessen eine öffentliche Podiumsdiskussion mit dem Titel „Braucht Berlin Religionsunterricht?“ an, die in der kommenden Woche stattfinden soll. Neben dem Berliner Generalsuperintendenten Ralf Meister und dem „Pro Reli“-Vorsitzenden Lehmann, der auch Vorsitzender eines Ortsvereins der Berliner CDU ist, sollen am 30. September um 19:30 Uhr in der Berliner Sophienkirche mit der Berliner Abgeordneten Marion Seelig (Linkspartei) und dem ehemaligen Universitätsprofessor Peter Schulz-Hageleit auch Gegner des Religionsunterrichtes auf dem Podium sitzen.

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