USA: Auch Alternativen zur Evolution werden unterrichtet

Etwa jeder vierte Biologielehrer in den USA unterrichtet neben der Evolutionstheorie auch die Theorie, nach der die Welt von einem intelligenten Schöpfer erschaffen wurde. Eine Umfrage ergab, dass 12,5 Prozent der Biologielehrer die Theorien zum so genannten "Intelligent Design" (ID) als eine "berechtigte, wissenschaftliche Alternative zur Darwinschen Evolutionstheorie" ansehen. In Deutschland wundert man sich.
Von PRO

Politologen der Pennsylvania State University hatten im vergangenen Jahr rund 2.000 Biologielehrer an Highschools in allen Landesteilen der USA angeschrieben. Sie bekamen 939 Antworten auf ihre Umfrage. Der Politologe Michael Berkman und seine Kollegen fanden heraus, dass sich der in der amerikanischen Gesellschaft weit verbreitete Zweifel an den Theorien des Biologen Charles Darwin in den Schulen widerspiegelt: jeder vierte Lehrer greift ID in ein bis zwei Stunden seines Biologie-Unterricht auf. Fast die Hälfte dieser Lehrer – und damit 12,5 Prozent aller Befragten – unterrichtet ID als „berechtigte, wissenschaftliche Alternative zur Darwinschen Evolutionstheorie“. Das Thema Evolution behandelt etwa ein Drittel in weniger als sechs Schulstunden. Zwei Prozent erwähnen es gar nicht. 44 Prozent widmen sich der Evolution für 6 bis 15 Stunden.

Befragt nach der persönlichen Überzeugung sagten 47 Prozent der Biologielehrer, sie glaubten an eine von Gott gesteuerte Entstehung der Arten. Und 16 Prozent glauben, dass der Mensch erst vor 10.000 Jahren von Gott geschaffen wurde. Die restlichen neun Prozent gaben keine Antwort. Lediglich 28 Prozent der Biologielehrer waren der Überzeugung, die Evolution habe stattgefunden, und es seien mehrere Millionen Jahre vergangen, bis sich der Mensch entwickelte.

Die Skepsis in Bezug auf die Theorien Darwins sind in den USA weit verbreitet: 48 Prozent der Bürger sind der Meinung, dass es den Menschen erst seit weniger als 10.000 Jahren gibt. 38 Prozent sähen es lieber, wenn ihre Kinder in ID statt in Evolution unterrichtet werden. Nur 13 Prozent glauben, dass die Evolution – ohne Zutun Gottes – vonstatten gegangen sei.

Verschiedene US-amerikanische Gerichte hatten in den vergangenen Jahren immer wieder entschieden, dass die Alternativen zur Evolution wie Kreationismus oder „Intelligent Design“ im Unterricht nicht behandelt werden sollten. Dennoch bleibe es schlussendlich den Lehrern selbst überlassen, welche Lehrinhalte sie höher einstufen und welche nicht, sagt Studienleiter Berkman. Was genau Lehrer über Kreationismus oder Evolution lehren sei „eine Grauzone“.

Skepsis gegen Evolutionstheorie nicht nur in den USA

Das Magazin „Stern“ wunderte sich über das Studienergebnis angesichts des Erfolgs des amerikanischen Lehrsystems: „Unter den 20 Top-Universitäten der Welt finden sich laut dem anerkannten Shanghai-Ranking 17 US-amerikanische Hochschulen. Veröffentlichungen in Fachblättern wie ‚Nature‘ und ‚Science‘, Absolventen, die einen Nobelpreis erhalten haben – in sämtlichen Kriterien, die fürs Ranking zählen, punkten die US-Unis mehr als andere. Allein Cambridge, Oxford und die Universität von Tokio halten mit. Betrachtet man dieses Ranking, erscheint der Streit um den Biologieunterricht an den amerikanischen Highschools umso kurioser.“

Jochen Schneider vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin versucht im Gespräch mit dem Nachrichtendienst „Pressetext“, das Phänomen zu erklären. „In den USA führt möglicherweise der Pluralismusgedanke dazu, dass auch solche Theorien integriert werden.“ Im Schulunterricht könne es so möglicherweise dazu kommen, dass die verschiedenen Meinungen nebeneinandergestellt werden.

Die Unterschiede zwischen den USA und Europa sind dabei gar nicht so groß, wie viele denken: Bei einer ähnlichen Umfrage unter deutschen Lehramtsstudenten vor einem Jahr hatte jeder achte Studienanfänger Darwins Evolutionslehre als fragwürdig bezeichnet. Viele der Befragten wollten Biologie-Lehrer werden. Die Universität Dortmund fand heraus: für 12,5 Prozent der Studienanfänger ist unklar, ob eine Evolution überhaupt stattgefunden hat. Auch von den Biologie-Lehramtsstudenten zeigten sich 5,5 Prozent skeptisch. Die Vorstellung, gemeinsam mit den Schimpansen „äffische“ Vorfahren zu haben, lehnen neun Prozent ab. Einer Umfrage von 2002 zufolge glaubt jeder Fünfte in Deutschland, der Schweiz und in Österreich, dass Gott die Welt vor rund 10.000 Jahren erschaffen haben könnte. (PRO)

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