Ballern in der Kirche – Diskussion um Ego-Shooter für Missionszwecke

N e w Y o r k (PRO) - Es gehört derzeit zu den erfolgreichsten Computerspielen. Deswegen benutzen nun auch hunderte von christlichen Gemeinden in Amerika den Ego-Shooter "Halo 3", um Jugendliche zu erreichen. Nicht alle Eltern sind begeistert, zumal das Spiel eigentlich erst ab 17 erlaubt ist.
Von PRO

Soll man Computerspiele dazu verwenden, Jugendliche auf den christlichen Glauben aufmerksam zu machen? Noch dazu, wenn es ein gewalttätiges und vor Waffen strotzendes Spiel wie Microsofts „Halo“ ist? Diese Frage beschäftigt derzeit amerikanische Gemeinden, Eltern und Ethiker. Die „New York Times“ berichtete am Sonntag unter der Überschrift „Du sollst nicht töten, außer bei erfolgreichen Videospielen in der Kirche“ von einem Dilemma.

Einerseits ist „Halo“ eines der bekanntesten Konsolen-Spiele der Welt. Und damit in fast jedem Kinderzimmer bekannt. Seit seiner Neuerscheinung vor zwei Wochen hat der dritte Teil der Reihe Microsoft einen Umsatz von 300 Millionen US-Dollar beschert. Der Softwareriese erklärte, „Halo 3“, das auf der Spielekonsole Xbox 360 läuft, habe gute Chancen, eines der erfolgreichsten Spiele aller Zeiten zu werden. Bereits die Vorgänger, „Halo“ und „Halo 2“, verkauften sich rund 15 Millionen mal. Andererseits sehen immer mehr christliche Gemeinden darin eine Chance, wieder mehr junge Menschen zu erreichen und stellen daher Spielekonsolen und Fernseher auf und veranstalten Spiele-Partys, auf denen das Baller-Spiel auf dem Programm steht. Zwischendurch gibt es Bibelstunden und Kaffe-Pausen. Ein 16-Jähriger aus einer Baptisten-Gemeinde erzählte der „New York Times“: „Wir spielen erst ‚Halo‘, dann machen wir eine Pause und essen etwas, und dann gibt es eine Andacht.“ Darin versuche der Pastor, Parallelen zwischen dem Spielgeschehen und theologischen Fragen zu ziehen

„Kinder erreichen, wo sie sind: Vor dem Spielecomputer“

„Die Kinder hocken heutzutage viel mehr drinnen als draußen herum“, sagt Kedrick Kenerly, Gründer von „Christian Gamers Online“, einer Internetseite, die sich mit Computerspielen und dem christlichen Glauben beschäftigt. Sein Argument ist das von vielen christlichen Leitern in der derzeitigen Debatte: Will man Jugendliche heutzutage erreichen, muss man ihnen das bieten, was sie wirklich interessiert. Die jungen Leute würden durch das Spiele-Angebot genauso erreicht, wie es früher durch Sport-Veranstaltungen passiert wäre, so Kenerly. Im Übrigen sei „Halo“-Spielen vergleichbar mit dem guten alten Camping-Ausflug: „Es geht um Kameradschaft.“ Auf die Frage, ob sie nicht gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstießen, wenn Christen „Halo“ spielten, sagt er: „Ich gehe nicht mit einer Pistole zu jemandem hin und erschieße ihn. Ich schieße Pixel auf einem Bildschirm“.

David Drexlers, Jugendpastor einer 200-Seelen-Gemeinde in Minnesota, sagte gegenüber der „New York Times“, das Spiel „Halo“ sei die bislang effektivste Methode, um junge Leute zu erreichen. „Wir müssen etwas finden, an dem die Jugendlichen interessiert sind und das nichts mit Drogen, Alkohol oder vorehelichem Sex zu tun hat.“ Seine Gemeinde plant derweil, die Anzahl der Fernseher auf acht zu verdoppeln. Verlockend sei zudem, dass das Spiel ohnehin religiöse Themen anspreche. Bei dem Ego-Shooter schlüpft der Spieler in die Rolle eines hartgesottenen Marine-Kämpfers, der bis an die Zähne bewaffnet ist. Sein Gegenspieler gehört einer religiösen Gruppe namens „Covenant“ (zu Deutsch: „Abkommen“) an, deren Anhänger das Ende der Welt herbeisehnen, weil sie dadurch erlöst werden.

Ballern auch Kinder mit?

Viele Eltern und Pastoren fragen sich derweil jedoch: Muss es wirklich ein Konsolenspiel wie „Halo“ sein, mit dem man Jugendliche erreicht? Zudem ist das Spiel in den USA erst ab 17 Jahre freigegeben und als „M“ (für Erwachsene) eingestuft. In Deutschland ist es von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ab 18 Jahre freigegeben. Der Verdacht besteht, dass bei den kirchlichen Spiele-Treffs auch jüngere Kinder die Konsole bedienen. James Tonkowich, Präsident der ökumenischen Organisation „Instituts für Religion und Demokratie“, empörte sich: „Wenn man unbedingt männliche Jugendliche für die Kirche gewinnen will, könnte man das ebenso mit kostenlosem Alkohol oder Pornofilmen tun. Ich finde, das kann man besser machen.“

Daniel R. Heimbach, Professor für christliche Ethik am Southeastern Baptist Theological Seminary forderte, dass sich Kirchen von „Halo“ distanzierten. „Es ist eine Illusion, wenn man das Töten damit rechtfertigt, dass es nur aus Pixeln besteht.“ Die evangelikale Gruppe „Focus on the Family“ ist sich indes noch nicht sicher, wie sie die Idee beurteilen soll. „Intern versuchen wir uns gerade darüber klarzuwerden, was wir davon halten sollen“, sagte eine Sprecherin.

Die „Southern Baptist Church“ geht ebenfalls vorsichtig an die Idee heran. Sie sandte E-Mails an 50.000 junge Gemeindemitglieder. Darin gibt sie Empfehlungen, wie die jungen Mitglieder durch „Halo 3“ ihren Glauben weitergeben könnten. Zu den Tipps gehört etwa: „Nutze die Themen, die in dem Spiel vorkommen, als Grundlage für eine Diskussion über Gut und Böse.“ Ein Jugendpastor schrieb in einem Brief an die Eltern, Gott beauftrage die Pastoren, „Menschenfischer“ zu sein. „Teenager sind unsere Fische“, schreibt er. „Also müssen wir kreativ darin werden, unsere Köder auszuwerfen.“

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